Forscher haben entdeckt, dass den Menschen ein schwacher Lichtschein umgibt, der verblassen wird, wenn er stirbt. Was die Menschen betrifft, bleibe ich dennoch eher pessimistisch.
Was die Menschen betrifft, war ich nie besonders optimistisch. An dieser Einschätzung, die weder mit Radical Chic zu tun hat noch mit Thomas Bernhard, halte ich seit Jahrzehnten unverändert fest, auch wenn die Wissenschaft inzwischen herausgefunden zu haben scheint, dass es so etwas wie eine „Aura“ wirklich gibt, dass der Mensch also bis zu einem gewissen Grad ein biolumineszentes Wesen ist, das von Licht umgeben ist, von ultraschwachen Biophotonen, aber immerhin.
Wenn der Mensch stirbt, verlischt dieses Licht, seine Aura löst sich auf, aber bevor man das allzu poetisch zu finden beginnt, sollte man bedenken, dass es der haarlosen Labormaus, an der man es getestet hat, nicht anders ergangen ist. Immerhin aber sind die esoterischen Avantgardisten, die versucht haben, mit speziellen Kameras die Aura des Menschen einzufangen, nicht so weit daneben gelegen, wie der vernünftige Mensch immer geglaubt hätte. Wenn das so weitergeht, kommen die noch drauf, dass ich in 55 Jahren nur ein einziges Mal ins Krankenhaus musste, weil sich ein paar Jahre lang größere Mengen von Globuli in einem entfernteren Teil meines Haushalts aufgehalten haben.
Wer oder Was ist der Mensch?
Die Frage, wer der Mensch eigentlich ist, was das Universum davon hält und wie gut man einen Einzelnen kennen kann, bestimmt naturgemäß einen großen Teil unseres Lebens. Wenn man nicht gerade Kartäuser, Scharfschütze oder Almhirtin ist, hat man im Alltag mit Menschen zu tun, die mit einem interagieren, auf die man Rücksicht nehmen muss, von deren Handeln man in einem gewissen Ausmaß abhängig ist, die man also schlicht und ergreifend ertragen muss. Offensichtlich ist es nicht so einfach, sich dieser Tatsache unaufgeregt bewusst zu werden. Mein bester Freund erklärt mir regelmäßig, dass es ihm am allerliebsten wäre, ganz allein zu sein, aber jedes Mal bin ich mir sicher, dass er mir eigentlich nur sagen will, dass er gerade nicht im richtigen Menschenbiotop wohnt. Würde man ihn, wie er regelmäßig und kokett fordert, tatsächlich auf der einsamen Insel absetzen, ganz allein, nur mit einer Bücherkiste, wäre er durchgedreht, noch ehe er weiß, was es überhaupt zu lesen gibt.
Die Interaktion mit unseren Mitmenschen scheint sich sehr an dem Grundsatz zu orientieren, den der berühmte Arzt Theophrastus Bombast von Hohenheim aka Paracelsus uns hinterlassen hat: Die Dosis macht das Gift. Ganz ohne andere Menschen verkümmert der Mensch, wenn er mit zu vielen zu tun hat, verliert er sich. Und wenn er die, mit denen er regelmäßig und unvermeidlich zu tun hat, nicht -einigermaßen stabil einschätzen kann, um zu große Stimmungsschwankungen oder grobe Enttäuschungen zu vermeiden, gibt es soziale Probleme. Auch wenn wir theoretisch wissen, dass das Leben keines einzigen Menschen linear verläuft und deshalb immer mit Überraschungen, Glücksausbrüchen, Enttäuschungen und Katastrophen zu rechnen ist, sind wir als soziale Wesen auf eine gewisse Stabilität angewiesen. Wir können nicht jeden Tag ein ganz anderer sein, und wir können nicht jeden Tag mit jemand ganz anderem zurechtkommen, so sehr wir Abwechslung auch schätzen mögen. Daran schließen sich schwer zu beantwortende Fragen: Bis wann ist jemand interessant und abwechslungsreich, ab wann wird er erratisch und verrückt? Was finden wir noch originell, was schon daneben?
Eine ganz besondere Sorte Mitmensch ist der Politiker. Er soll sein wie wir, aber auch jemand, dessen Möglichkeiten über unsere Möglichkeiten hinausgehen, sein Auto soll nicht zu groß und nicht zu mickrig sein. Er soll uns menschlich nahe bleiben, aber keine Fehler machen, man will seine Biolumineszenz zugleich bewundern und verblassen sehen. Neuerdings wird uns gesagt, dass die Welt gerade in dieser Situation der multiplen Krisenhaftigkeit erhöhten Bedarf an möglichst langweiligen Politikern habe, weil interessante Gestalten wie Sebastian Kurz oder Donald Trump uns zwar unterhalten, aber auch ruinieren würden. Nun würde ich zunächst bezweifeln, dass Sebastian Kurz so besonders interessant gewesen ist, und ob Donald Trump uns ruinieren wird, bleibt noch abzuwarten. Die Grundfrage jedoch ist nicht uninteressant: Wort gewordenes Valium oder ADHS?
Mir persönlich behagen die Zappelphilippe mehr als die Schlafwagenschaffner. Langweilig bin ich selber, in Budget-Soap und Steuer-Reality-TV bekäme ich gerne etwas geboten für mein Geld, und am Ende des Tages handelt es sich bei dem, was wir inzwischen unter Politik verstehen, ja doch um ein reines Unterhaltungsprogramm. Denn reich oder arm sind wir nicht, weil der Politiker A die Maßnahme B durchgesetzt hat. Reich oder arm sind wir, weil wir fleißig oder faul, kreativ oder herkömmlich, ambitioniert oder leicht zufriedenzustellen sind. Und natürlich, weil wir Glück hatten oder eben Pech.
Sex, Kunst, Zügellosigkeit und Liebe sind gut für den Menschen. Schlecht ist nur das Mobiltelefon
Ich bin, was die Menschen betrifft, noch immer nicht optimistischer als vor 40 Jahren. Es gab immer wieder Theorien darüber, dass der Mensch ein verlorenes Wesen sei, verdorben vom Geld, von der Kunst, vom Sex, von der Zügellosigkeit und jeder Form von Laster. Das sehe ich ganz anders: Sex, Kunst, Zügellosigkeit und Liebe sind gut für den Menschen. Schlecht ist nur das Mobiltelefon.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 20/2025 erschienen.