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Transferzeit! Das spannende Spiel um Millionen

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18 min
Florian Wirtz is unveiled as a Liverpool player after his signing at AXA Training Centre on June 20, 2025 in Kirkby, England.

©Liverpool FC/Liverpool FC via Getty Images

Florian Wirtz wurde eben zum sechstteuersten Spieler der Fußballgeschichte. Die Transferzeit ist im Fußball längst mehr als eine Überbrückung bis zur nächsten Saison. Sie bringt Spannung und bietet faszinierende Einblicke in das Spiel mit Millionen und Emotionen. Wer zieht im Hintergrund die Fäden und was hat ein Journalist mit 37 Millionen Followern damit zu tun?

Florian Wirtz wechselt von Bayer Leverkusen zum FC Liverpool – der erste große Transfer des Sommers ist vollbracht. Der Deutsche verdrängt Cristiano Ronaldo aus den Top Ten der teuersten Transfers aller Zeiten, mit einer kolportierten Ablösesumme von 130 Millionen Euro stürmt er in diesem Ranking auf den sechsten Rang. Was wird in den kommenden Wochen noch passieren? Wen holt Titelverteidiger Sturm Graz für die nächste Saison? Geht Manchester City wieder auf Einkaufstour? Wen darf Xabi Alonso als neuer Trainer von Real -Madrid in seinem Team begrüßen? Kommt -Marko Arnautović nach Österreich? 

Nach dem Ende der Fußballsaison folgt kein ödes Warten auf die nächste Spielzeit mehr. Die Transferphase im internationalen Fußball ist längst so spannend wie viele Spiele von Bundesliga, Champions League und Cup. Um das hektische Geschehen abseits des Rasens ist eine eigene Industrie entstanden Nicht nur Klubs und Spieler, auch Vermittler, Medien und Sponsoren partizipieren am Tratsch, hinter dem handfeste wirtschaftliche Interessen stecken. Spieler und ihre Berater versuchen mit geschickt lancierten Gerüchten, das Interesse und den möglichen Kaufpreis sowie zukünftige Gehälter in die Höhe zu treiben; die Klubs wollen sich ihrerseits als beste Adressen für Stars und aufstrebende Kicker positionieren. 

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Ein Transferkarussell mit Showmaster

Zwei Transferfenster – je eines im Winter und im Sommer – gibt es im Jahresverlauf. Wegen der Klub-WM gab es heuer eine Extra-Phase. Die aktuelle Transferzeit wird in Kürze offiziell eröffnet. Ab 1. Juli starten die Wechselspielchen. Das Ende markiert der sogenannte Deadline Day, der finale Tag der jeweiligen Transferperiode, an dem meist noch hektisch die letzten Deals abgeschlossen werden. Dieser ist in Österreich und Deutschland für den 1. September angesetzt. Experten wie Fabrizio Romano laufen in den kommenden Wochen zur Höchstform auf. Der italienische Journalist hat sich als angeblich zuverlässigste Quelle für anstehende Transfers etabliert (Slogan: „Here We Go!“). Mehr als 37 Millionen Follower hat er auf Instagram und jedes seiner Worte wird von anderen Medien wiedergekäut. Unumstritten sind seine Aktivitäten nicht, denn die Grenzen zwischen objektiver Berichterstattung und Vermarktung verschwimmen zunehmend.

Romano wurde zum Showmaster des Transferkarussells, das sich immer rascher dreht und in dem die Summen immer wahnwitziger werden. Vor allem die englische Premier League treibt die Preise in die Höhe. Für Spieler wird oft das Zwei- bis Dreifache des Marktwerts bezahlt, nur um die Konkurrenz im eigenen Land oder potenzielle Interessenten aus Spanien und Italien auszustechen. 

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„Profifußball war immer Kapitalismus“

Neu ist das spannende Transferkarussell nicht wirklich. In seinem Buch „Deadline Day“ widmet sich der deutsche Sportjournalist Max Ropers der Faszination des Spielermarkts und greift diese Fehleinschätzung auf. „Eine Motivation für das Buch war die oft gehörte Meinung, der Fußball verliere wegen der Transfers seinen Anstand und hohe Ausgaben für Transfers habe es früher nicht gegeben“, sagt er. Dabei ging es immer schon ums Geld: „Die Vereine wollten stets wenig ausgeben und hohe Erträge schaffen.“ Früher war vergleichsweise weniger Geld im Umlauf, doch es gab kein anderes oder faireres Mindset. „Generell war früher nicht alles besser, so gab es schon in den 1990ern die Drohungen mit einer Super League. Profifußball war immer schon Kapitalismus“, konstatiert Ropers.

Die größten Transferflops

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Bosman-Urteil als Gamechanger

Eine Zäsur in der Geschichte des Transfermarkts stellt die sogenannte Bosman-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 1995 dar. Dabei wurde festgelegt, dass Spieler nach Vertragsende ablösefrei innerhalb der EU wechseln dürfen; außerdem wurden Beschränkungen für Ausländer in Fußballmannschaften aufgehoben, soweit es sich um EU-Bürger handelt. Auslöser war eine Klage des belgischen Spielers Jean-Marc Bosman, der sich durch eine zu hohe Ablösesumme in seiner Arbeitnehmerfreizügigkeit eingeschränkt sah. Nach mehreren Instanzen wurde der Fall dem EuGH vorgelegt, der entschied, dass Fußballer „normale“ Arbeitnehmer sind und ihnen die im EU-Recht verankerte Freizügigkeit zusteht. Ablösesummen nach Vertragsende wurden daher für unzulässig erklärt. Das Urteil veränderte die Transferpolitik grundlegend: Vereine verloren eine wichtige Einnahmequelle und mussten versuchen, Spieler mit höheren Gehältern bei sich zu halten. Bosman, dem Fußballprofis stark gestiegene Gagen verdanken, erhielt erst Jahre später eine Entschädigung.

Nie versiegende Geldquellen

Danach holte Real Madrid während der ersten Präsidentschaft des Unternehmers Florentino Pérez ab 2000 einen Star nach dem anderen in die spanische Hauptstadt, unter anderem Ronaldo und Zinédine Zidane. Später sorgte der FC Chelsea mit dem russischen Oligarchen Roman Abramowitsch für immer höhere Ablösesummen. Schließlich brachten sich die arabischen Golfstaaten ins Spiel: Katar finanziert Paris Saint-Germain (PSG), Abu Dhabi unterstützt Manchester City; in beiden Fällen brauchte es etwas Anlaufzeit, bis sich der Erfolg einstellte. Und die Geldquellen versiegen nicht, so hält der saudische Staatsfonds PIF inzwischen die Mehrheit an Newcastle United. 

Es war der brasilianische Ballkünstler Neymar, für den 2017 alle finanziellen Grenzen überschritten wurden. Sein Kaufpreis wurde vom FC Barcelona auf 222 Millionen Euro festgesetzt – unter der Annahme, das könne ohnehin niemand zahlen. PSG konnte. – Dank der erwähnten Millionen aus Katar. „Dass dieser Betrag gezahlt wurde, hatte Folge-Effekte. Heute kostet jedes Top-Talent bereits 50 Millionen“, analysiert Ropers. Das bedeutet auch, dass andere Klubs beim Wettrüsten mitziehen müssen, manche nicht mithalten können und aussteigen. 

Zahlen, Fakten und Gerüchte

Wer oder was ist SO viel wert?

Kann ein Mensch denn einen dreistelligen Millionenbetrag wert sein? Ropers meint: „Man muss den Faktor Mensch rausziehen. Es geht um seinen Körper, seine Beine, sein Gehirn. Es ist wie ein Firmendeal, so wie Facebook Instagram gekauft hat.“ Dazu gehört, dass sich Spieler als Marken inszenieren, etwa Kylian Mbappé oder Jude Bellingham. „Früher war es David Beckham. Vereine und Spieler sind Joint Ventures, die sich auf eine gewisse Zeit zusammentun.“

Finanzielle Vorgaben werden weitgehend ignoriert. „Die Regeln von UEFA und Premier League haben in der Realität kaum Auswirkungen“, meint Ropers. Auch da gibt es ein Wettrüsten – wer hat die besten Anwälte und wer hat die Ausdauer, vor jedes Gericht zu gehen? Außerdem umgehen die Klubs Vorgaben mit Tricks wie Leihen. „Bestraft werden nur die kleinen Vereine“, meint der Buchautor. Als Folge werden die großen Klubs immer mächtiger, jetzt haben sie auch noch die Einnahmen der Klub-WM. „Irgendwann ist die Champions League dann ein geschlossener Wettbewerb, wie die Ligen in den USA“, prognostiziert Ropers. Klubs wie Bayern München, Manchester City und PSG könnten diesen Wettbewerb fast gar nicht mehr verpassen. „Und wenn ein Klub wie City in Gefahr ist, dann kaufen sie einfach um 200 Millionen neue Spieler.“ Die UEFA sei schwach, die FIFA wolle nur ihre Kühe melken, sagt der Autor.

Ein kleiner Trost: Mit Geld allein ist es nicht getan – es braucht auch eine clevere Strategie. Zwei Milliarden soll PSG seit der Übernahme durch Qatar Sports Investments 2011 in Spieler investiert haben. Die Champions League wurde heuer ausgerechnet ohne Neymar und Mbappé gewonnen. PSG sei ein gutes Beispiel, dass es darauf ankommt, sein Geld clever zu investieren, meint Ropers. Tatsächlich kamen die Mittelfeldspieler Vitinha, Neves und Ruiz nicht als Weltstars, ergänzen sich aber prächtig. „PSG hat erkannt: Ausgewogene Kader sind besser als einzelne, sehr teure Spieler.“

Bleibt die Frage, was Klubs kleinerer, weniger finanzstarker Ligen ausrichten können? „Das Ziel kleinerer Ligen wie jener in Österreich kann sein, als Sprungbrett für größere Ligen zu fungieren, wie das die belgische Liga macht“, meint Ropers. Sturm Graz mache das aktuell sehr gut, auch das Ausleihen von Spielern sei eine gute Möglichkeit. 

Text: Robert Prazak

Klub-WM in den USA

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 26/25 erschienen.

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