Ein weit verbreiteter grundlegender Irrtum ist, dass Selbstbefriedigung ein Konkurrenzprodukt zu partnerschaftlichem Sex sei. Dabei kann sie, wenn man sie nicht dÀmonisiert, das individuelle Wohlbefinden durchaus bereichern.
Umfragen zufolge ĂŒberwiegt die HĂ€ufigkeit der Selbstbefriedigung immer noch bei MĂ€nnern. Und ziehen die Frauen nur zögerlich nach. Oder reden noch nicht so offen darĂŒber.
Die Dosis macht das Gift
Auch hier macht die Dosis das Gift. Wenn jemand nur noch zum Höhepunkt kommt, wenn er masturbiert, wird sein Interesse an einer Liebesbeziehung zunĂ€chst empfindlich leiden oder schlieĂlich ganz verfliegen. Oder entstehen in einer an sich guten Partnerschaft Heimlichkeiten.
Psychologisches Fremdgehen
Renate gesteht Dieter in ihrer Sexualtherapie, dass sie heiĂe Fantasien mit dem Nachbarn hat und es sich dabei selbst besorgt. Dieter sollte eigentlich nichts davon wissen. âDer ist gegen den Nachbarn eh kein richtiger Mannâ, gesteht Renate im EinzelgesprĂ€ch. Ihr LĂ€stern zeigt, dass Selbstbefriedigung nur aus Frust ĂŒber die schwindende erotische Anziehungskraft ihres Mannes entsteht.
Anstatt mit Dieter ĂŒber die Krise im Liebesleben zu reden, macht sie es nicht nur mit sich selbst aus, sondern macht es sich buchstĂ€blich selbst. Hier sollte in einer Paartherapie an einem Comeback der gegenseitigen WertschĂ€tzung gearbeitet und im nĂ€chsten Schritt an eine körperliche WiederannĂ€herung gedacht und wieder ehrlich miteinander gesprochen werden. Sonst raucht die Liebe komplett aus. Was heimlich masturbierende Menschen tun, bedeutet zwar keinen physischen, aber einen psychologischen Betrug. Weil sie einen Vertrauensbruch begehen, nicht mit der Sprache rausrĂŒcken, was ihnen nicht passt. Und klammheimlich ihr eigenes Ding machen.
Stressabbau
Anders bei Anita und Bertram: Sie befriedigen sich gelegentlich selbst spontan unter der Dusche. Und tauschen ihre sexuellen Fantasien und WĂŒnsche aus. Aber sind auch nicht gekrĂ€nkt oder eifersĂŒchtig, wenn mal kein Interesse an partnerschaftlichem Sex besteht.
Selbstbefriedigung hat dabei eine vollkommen andere Funktion als Sex in einer Paarbeziehung. Sie kann zum Stress- und Spannungsabbau dienen, Kopfweh lindern oder beseitigen, durch die Produktion von Dopamin und Oxytocin schmerzstillend und positiv â in dem Fall: die Bindung zu sich selbst fördernd â wirken. Zudem braucht auch in einer Partnerschaft jeder ein QuĂ€ntchen UnabhĂ€ngigkeit und das Recht zur Selbstentfaltung, ohne haarklein ĂŒber alles â bis hin zu GefĂŒhlen und Gedanken â Rechenschaft abzulegen.
SelbstfĂŒrsorge
Studien haben ergeben, dass Selbstbefriedigung auch das Herz-Kreislauf-System stĂ€rken und den Selbstwert heben kann. Es handelt sich somit um einen Akt der SelbstfĂŒrsorge. Zur Abstumpfung fĂŒhrt diese Sexualpraktik nur, wenn man ihr förmlich verfĂ€llt und dabei das Interesse an Sex mit dem Partner vollkommen verliert. Sich in eine Abdrift oder Fantasiewelt versteigt, zu der dem Partner der Zutritt verwehrt bleibt. Daher dies Selfcare-PhĂ€nomen lieber enttabuisieren, das weder moralisch verwerflich noch gesundheitlich bedenklich ist. Und im Gegenteil ein wunderbares Element des Wohlbefindens sein kann. Ein natĂŒrlicher Umgang mit sich selbst, wenn man sich die positiven Effekte zu sehen erlaubt und genieĂen kann.