Koalitionspoker: Mit wem will Ludwig?

Legt sich explizit nicht auf bisherigen grünen Partner fest, Blümel bringt ÖVP in Stellung

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hat sich in einer erster Stellungnahme nach der Wien-Wahl alle Koalitionsoptionen offengelassen und sich explizit nicht auf den bisherigen grünen Partner festgelegt. "Man wird sehen, wo es politisch die größten Schnittmengen gibt." Im Vordergrund stünden für ihn die "Interessen der Wiener Bevölkerung", sagte er im ORF.

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Er warte jetzt aber erst das endgültige Ergebnis ab. "Aber die Hochrechnungen stimmen mich zuversichtlich, dass ich mit mehreren Partnern reden kann." Er stehe zu seinem Wort. Er habe vor der Wahl gesagt, dass er eine Koalition nur mit der FPÖ und dem Team HC ausschließe und das gelte auch nach der Wahl, so Ludwig. "Alle anderen Koalitionsoptionen sind möglich."

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Auch ÖVP ein Thema

Auf die Frage, ob er der ÖVP den Finanzstadtrat überlassen würde, antwortet Ludwig damit, dass er bereits einen guten Finanzstadtrat habe, aber Verhandlungen nicht vorgreifen wolle. "Ich habe angekündigt, mit allen zu reden, dann wird man sehen, wo es die größte politische Schnittmenge gibt."

Dass Rot-Grün vom Wähler bestätigt worden sei, wollte Ludwig explizit nicht so sehen. Außer der FPÖ seien "alle Parteien bestätigt worden", aus den Hochrechnungen ergeben sich noch keine Koalitionen, so der Bürgermeister.

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Hebein sieht klaren Auftrag für Rot-Grün

Die Grüne Spitzenkandidatin Birgit Hebein sieht sehr wohl einen "ganz klaren Auftrag" für eine Fortsetzung der Rot-Grünen Koalition. Sowohl der große als auch der kleine Koalitionspartner hätten gewonnen, nach zehn Jahren Koalition sei beiden Parteien der Rücken gestärkt worden, sagte die Vizebürgermeisterin. Koalitionsbedingungen wollte sie nicht nennen, der Ball liege jetzt bei Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ).

Blümel steht "selbstversändlich bereit"

ÖVP-Spitzenkandidat Gernot Blümel steht "selbstverständlich für Koalitionsverhandlungen" bereit. Er sei angetreten, um mitzuregieren, sagte er gegenüber dem ORF und betonte, im Falle einer Regierungsbeteiligung in Wien zu bleiben. Jetzt müsse aber einmal das Endergebnis abgewartet und dann verhandelt werden.

Forderungen wollte er seinem Koalitionspartner im Voraus nicht ausrichten, wiewohl er festhielt, dass die ÖVP finanzpolitisch über "eine hohe Kompetenz" verfüge. Über die Ämtervergabe werde aber erst am Schluss gesprochen.

Blümel hob hervor, dass die ÖVP den größten Zugewinn aller antretenden Parteien gemacht habe. Zudem bedankte sich der türkise Spitzenkandidat und Finanzminister bei Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), den er am Sieg beteiligt sah. Der große Zuspruch zeige, dass die Wienerinnen und Wiener mehr türkise Politik wollten.

NEOS bereit für Beteiligung

Auch die NEOS erklärten sich bereit, in eine Regierung mit der SPÖ zu treten. "Wir stehen auf jeden Fall bereit, wenn wir die Themen, die uns am wichtigsten sind, umsetzen können", sagte Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr.

Wähler am ehesten für Rot-Grün

Mehr als ein Drittel der Wahlberechtigten bei der Wiener Gemeinderatswahl wünscht sich eine Fortsetzung der Rot-Grünen Stadtregierung. Das ergab eine Wahltagsbefragung der Meinungsforschungsinstitute SORA und ISA. Die Varianten SPÖ-ÖVP und SPÖ-NEOS sind deutlich unbeliebter. Zufrieden ist die Mehrheit der Befragten mit der Lebensqualität sowie der Corona-Politik der Stadtregierung.

36 Prozent aller Wähler sprechen sich für eine Koalition aus SPÖ und Grünen aus. Für 13 Prozent heißt die Lieblingskoalition Rot-Türkis. Neun Prozent wünschen sich SPÖ und NEOS als künftig regierende Parteien im Wiener Rathaus. Am beliebtesten ist Rot-Grün unter den Grün-Wählern. Von ihnen sprechen sich 83 Prozent dafür aus, mit der SPÖ weiterzuarbeiten. Von jenen, die bei der SPÖ ihr Kreuzerl gemacht haben, wünscht nur etwas mehr als die Hälfte (54 Prozent) Rot-Grün. Die weiteren denkbaren Varianten SPÖ-ÖVP (zwölf Prozent) und SPÖ-NEOS (zehn Prozent) können sich aber deutlich weniger SP-Wähler vorstellen.

Experten sehen Potenzial für rot-pinke Koalition

Ein Potenzial für eine Koalition aus SPÖ und NEOS sehen die Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer (OGM) und Peter Hajek. Die Sozialdemokraten könnten damit einen besseren Gegenpol zur Bundesregierung bilden. Allgemein sehen die Experten Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) nach der Gemeinderatswahl gestärkt – sowohl in der Wiener Landespolitik als auch innerparteilich.

Die Frage, die sich nach der Wahl stelle, sei eine strategische, sagte Bachmayer im Gespräch mit der APA. Wenn sich die SPÖ gegen die Bundesregierung aufstellen wolle, ginge das mit den NEOS besser als mit den Grünen, die im Bund mitregieren. Zudem würden die Liberalen laut Bachmayer wenig kosten. Dass die NEOS das vermutlich gewünschte Bildungsressort erhalten, sei realistisch. Ins selbe Horn blies Meinungsforscher Peter Hajek. SPÖ und NEOS seien "ideologisch flexibel" genug. Mit Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) könnten die Liberalen gut zusammenarbeiten.

Preis für Grüne steigt

Allgemein sind sich die Experten einig, dass Bürgermeister Michael Ludwig gestärkt aus der Wahl hervorgeht. "Ludwig kann jede seiner Wunschregierungen machen", erklärte Peter Filzmaier. Der Preis, den die Grünen für eine Regierungsbildung zahlen müssten, stiege dadurch.

Experten: SPÖ-ÖVP wenig realistisch

Einig sind sich die Experten hingegen, dass eine SPÖ-ÖVP-Regierung wenig realistisch sei. Die SPÖ müsste in diesem Fall wohl den Finanzstadtratsposten an die ÖVP abgeben, vermutet Politikberater Thomas Hofer. Und das sei wenig realistisch.