Matthias Strolz: "Mich wundert,
womit Kurz durchkommt"

Der Ex-NEOS-Chef über Altkanzler Kurz, den "täglichen Krimi" seit Ibiza und sein TV-Projekt

Vor rund einem Jahr trat Matthias Strolz als NEOS-Chef zurück. Auch wenn er keine Sehnsucht zur Rückkehr in die Politik verspürt, bleibe man "mit einem Teil des Herzens und des Wesens" immer dabei. Wir haben mit dem Ex-Politiker natürlich über den aktuellen Polit-Krimi in Österreich gesprochen aber auch über sein Leben abseits der Politik und sein TV-Experiment "Strolz trifft", in dem er verschiedenste Lebenswelten Österreichs erforscht - angefangen bei Nonnen.

von Leben nach der Politik - Matthias Strolz: "Mich wundert,
womit Kurz durchkommt" © Bild: Brandstätter Verlag/Ingo Pertramer

News.at: Herr Strolz, fangen wir bei dem Thema an, das gerade alle beschäftigt. Sebastian Kurz wurde am Montag als Kanzler abgewählt. Was sagen Sie dazu?
Matthias Strolz: Allerhand! Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich die Welt, die Politik, innerhalb von wenigen Tagen komplett verändern kann. …und dann haben wir uns auch schon wieder daran gewöhnt und der neue Wahnsinn ist schon wieder normal. Aber natürlich ist es verrückt. Wenn uns das jemand vor 20 Tagen erzählt hätte, hätten wir gesagt: „Schreib weiter an deinem Drehbuch für einen schrägen Film, das ist weit weg von der Realität.“ Aber das ist es offensichtlich nicht.

War es aus Ihrer Sicht richtig, dass die NEOS Kurz gestützt haben?
Für mich ist die Haltung der NEOS-Fraktion sehr nachvollziehbar. Ich glaube, dass es richtig war klare Bedingungen zu stellen mit einem 8-Punkte-Katalog, und zu sagen, wenn sich nichts bewegt, dann werden wir später das Misstrauen aussprechen. Jetzt unmittelbar führt es doch zu groben Verwerfungen. Es ist nicht ideal, finde ich.

Was denken Sie, wer könnte jetzt ÜbergangskanzlerIn werden? Hätten Sie Ideen?
Ich glaube, dass der Bundespräsident hier eine gute Hand hat und eine sehr gesetzte Variante auswählen wird. Er wird jemand suchen, der das gut verwalten wird.

Konkrete Ideen haben Sie aber keine?
Ich will niemanden empfehlen, das ist nicht meine Rolle.

»Jetzt muss sich eine neue Normalität herausbilden«

Ihre Prognose: Wie wird es weitergehen, wie wird es im Herbst aussehen?
Österreich wächst insgesamt in eine neue Phase. Ich habe das zum 100-jährigen Jubiläum der Republik in einem Essay für die „Zeit“ beschrieben, dass die gut sieben Jahrzehnte rot-schwarzes Machtkartell vorbei sind. Jetzt muss sich eine neue Normalität herausbilden und die wird sein, dass sich über die Jahre wechselnde Mehrheiten bilden, so wie es in westlichen Demokratien üblich ist. Österreich war da bislang nämlich der Ausnahmefall. Wenn man so will, ist das der Weg hin zu einer Normalisierung, die im Übergang etwas holprig und mit Verwerfungen daher kommt.

Aber das muss man alles lernen. So wie wir gerade Minderheitsregierung gelernt haben und dass das Amt des Bundespräsidenten doch sinnvoll ist. Das erkennt man erst in Zeiten der Bedrängnis. Es ist also halb so schlimm, aber natürlich ein täglicher "Krimi", quasi wie eine Daily Soap.

»[Zu Kurz:] Ich wundere mich immer wieder, womit er bei der Bevölkerung durchkommt.«

Sie haben Sebastian Kurz einst in Rhetorik gecoacht. Hat man da, als ehemaliger Trainer, immer noch ein Auge darauf?
Auf die Rhetorik nicht, aber wir sind uns ja immer wieder mal begegnet und natürlich schaue ich interessiert hin, wie er das macht. Er macht es handwerklich grandios. Inhaltlich bin ich mit so einigem nicht einverstanden und ich wundere mich immer wieder, womit er bei der Bevölkerung durchkommt. Aber mit handwerklicher Brillanz und Schwiegersohn-Lächeln ist offensichtlich vieles möglich.

Er schlägt sich also gut?
Ich sehe ihn als politisches Phänomen sehr durchwachsen. Aber er ist ein beeindruckendes Spektakel.

»Meine parteipolitische Karriere ist Geschichte und da gibt es keine Sehnsucht zurück. «

Werden Sie vonseiten der NEOS noch oft um Rat oder Ihre Meinung gefragt?
Es gibt natürlich Begegnungen ab und an. Ich bin aber auch mit einzelnen Personen aller anderen Parteien in Kontakt. Wenn man einmal mit Haut und Haar in der Branche war, dann kann man dieses Gebäude nicht mehr verlassen. Mit einem Teil deines Herzens und deines Wesens bleibst du drinnen, aber meine parteipolitische Karriere ist Geschichte und da gibt es keine Sehnsucht zurück.

Wie oft wird Ihnen diese Frage, nach einer möglichen Sehnsucht zur Rückkehr in die Politik, gestellt?
Oft. Und in den letzten Tagen sehr oft.

© Ricardo Herrgott Matthias Strolz spürt keine Sehnsucht zurück zur Politik. Rücktritt war "ein wichtiger Schritt" für die Familie

Was vermissen Sie gar nicht an der Politik?
Die unglaubliche zeitliche Beanspruchung. Als Parteichef und Klubchef in einem bist du einfach mindestens 70 Stunden pro Woche im Radl und rotierst quer durch das Land und zurück. Es war für die Familie wichtig, dass ich diesen Schritt gesetzt habe. Sagen wir so: NEOS hat mich immer weniger gebraucht, weil die Bewegung immer reifer wurde und in der Familie wurde es wichtiger, dass ich mit mehr zeitlicher Präsenz einrücke. Da habe ich auch ein Stück weit ein Konto erschöpft gehabt. Ich bin ein großer Familienmensch und es tut allen gut, dass ich jetzt mehr da bin. Auch mir!

Am 4. Juni stehen Sie aber wieder in der Öffentlichkeit mit der ersten Folge Ihrer Puls4-Show „Strolz trifft…“. Wie kam es dazu?
Ich war im Gespräch mit dem Puls4-Chef Markus Breitenecker und so kamen wir auf die Idee, gemeinsam etwas anzupacken. In weiterer Folge sind wir bei diesem Format „Strolz trifft…“ gelandet, das als Experiment, als Pilot, am 4. Juni ausgestrahlt wird. Wir haben bewusst gesagt, wir schauen, dass wir schnell ins Außen kommen, klar mit Fokus auch auf Qualität - und wir lernen unterwegs.

Das heißt, bis auf die Pilotfolge gibt es noch keine weiteren?
Genau. Ob es eine Fortsetzung gibt, das entscheiden wir später.

In dieser ersten Folge trifft Matthias Strolz auf Nonnen. Wie kam es dazu?
Die Idee des Formats ist, dass ich Lebenswelten in Österreich erforschen will. Ich will begreifen, ich will verstehen. Und zwar Lebenswelten, zu denen wir sonst keinen Zugang haben, aber zu denen in der breiten Bevölkerung jede Menge Fantasien und Vermutungen da sind. So hatten wir mehrere Varianten am Tisch wie etwa Strolz trifft… Ex-Junkie, Milliardärin, Kanalschieber, Mistkübler, letzten Punk in Wien, Zehnfach-Mutter, Staatsverweigerer, schlagenden Burschenschafter und so weiter.

» Zuvor habe ich gedacht: Alter Schwede, wenn irgendwann eine meiner drei Töchter kommt und sagt „Ich werde Klosterschwester“, dann verfalle ich in Schnappatmung.“«

Nun sind es aber die Nonnen geworden. Was haben Sie von dieser Begegnung mitnehmen können?
Es war super spannend. Ich habe mich 48 Stunden lang einer Klosterschwester auf die Fersen geheftet und dabei vieles gelernt über die Art und Weise wie so ein Klosterleben funktioniert. Auch tiefe Einblicke in den Alltag dieses Ordens und die Denke der Menschen hinter Klostermauern habe ich bekommen. Für mich ist es nicht mehr so abstrus wie zuvor. Zuvor habe ich gedacht: Alter Schwede, wenn irgendwann eine meiner drei Töchter kommt und sagt „Ich werde Klosterschwester“, dann verfalle ich in Schnappatmung.“

Wieso das?
Einfach weil: Why the hell wird man Nonne? Aber dennoch gibt es sie, also irgendwas muss dieser Beruf ja haben. Und was er hat, habe ich besser verstanden. Das Klosterleben ist immer noch reichlich eigen, aber nun nachvollziehbarer für mich. Wenn dein Herz dich dahin zieht, halte ich es für einen stimmigen Beruf. ein Fall von Berufung.

Wenn also jetzt eine Ihrer Töchter Klosterschwester werden möchte, wäre die Schnappatmung nicht mehr ganz so wild?
Ich würde sagen: Hey, überleg dir das ganz genau. Ist es der Ruf deines Herzens? Denn diesem sollen sie folgen, dann haben sie große Chancen, ein glückliches Leben zu haben.

Die anderen genannten Möglichkeiten, der Ex-Junkie, die Milliardärin oder der letzte Punk Wiens könnten also noch kommen, sollten die Nonnen erfolgreich sein?
Möglich. Aber wie gesagt, es ist noch nichts entschieden.

»Natürlich sind Politikerinnen und Politiker eine mögliche Option, wir sind hier noch nicht entschlossen.«

Können Sie sich vorstellen, auch politische Milieus in dieser Sendung aufzugreifen?
Kann ich mir auch, aber ich habe noch eine Resthemmung. Ein Journalist hat mir vorgeschlagen, ich möge doch den Herrn Strache erforschen, der hätte jetzt Zeit - wobei das wissen wir ja noch nicht, ob er nicht beschäftigt ist im Europaparlament. Natürlich sind Politikerinnen und Politiker eine mögliche Option, wir sind hier noch nicht entschlossen.

Sie wollen mit der Sendung „die Blasen aufstechen, in der wir alle leben, Verständnis schaffen in einer Welt der Spaltung.“ Glauben Sie, lassen sich diese verhärteten Fronten irgendwann irgendwie wieder aufweichen?
Ich hoffe es! Ich habe im Moment eher die gegenteilige Befürchtung, dass dieses Blasenphänomen noch weiter zunehmen wird durch die Digitalisierung und die Algorithmen. Wir müssen Acht geben, denn das wäre eine Gefahr für unsere Gesellschaft. Weil damit auch das wechselseitige Verständnis vollkommen abhanden kommt und Menschen anfälliger werden für Verhetzung, wechselseitige Verachtung oder Aggression; für all die Dinge, die wir an manchen Ecken schon sehen.

Die Blasen werden auch zur Polarisierung genutzt und dann wird es gefährlich. Weil Politik ist der Ort, an dem wir uns ausmachen, wie wir miteinander leben. Um das auszumachen, brauchen wir aber ein Mindestmaß an Verständnis füreinander und das bekommen wir nur, wenn wir uns einander zeigen, Interesse füreinander haben und uns einander zumuten. Es braucht Mut und Entschlossenheit, auch wenn das mitunter sehr anstrengend ist.

»Die zwei Tage im Kloster…alter Schwede«

So wie Ihre zwei Tage im Kloster?
Die zwei Tage im Kloster…alter Schwede, ich war paniert nach zwei Tagen und ich bin an und für sich ein Arbeitspferd. Aber 48 Stunden lang volle Kanne eintauchen in eine fremde Welt, und das mit Akribie und Empathie, sich völlig hinzugeben und begreifen zu wollen und sich dabei auch selbst zu öffnen, ist anstrengend. Aber ich war der erste Mann im Zimmer von Schwester Barbara und da kommt man nicht per Anhalter hin. Das ist ein Ausdruck von Vertrauen und das musste ich mir erarbeiten.

Wenn nun aber die Nonnen, die Pilotfolge, nicht ganz so erfolgreich ist, wie geht es dann weiter?
Dann machen wir etwas anderes, dann haben wir zwei oder drei andere Ideen in der Pipeline. Da bin ich flexibel und schicksalsergeben. Was kommt, das kommt.

Was hält die Zukunft sonst für Sie bereit?
In den letzten Monaten war ich mit beruflichen Neuerfindungen beschäftigt und da kommt jetzt eines nach dem anderen ins Leben bzw. an die Öffentlichkeit. Sichtbar sind eben der Puls4-Pilot und mein Buch, das im September kommt. Aber auch einige andere Projekte werden in den kommenden Wochen das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Dazu kann ich aber noch nicht sagen.

Info: "Strolz trifft Nonne", 4. Juni, 21.50 Uhr - 23.10 Uhr, auf Puls4