Thronwechsel in Belgien

Am Sonntag übergibt König Albert Zepter an Sohn Philippe - Fernsehen überträgt live

Wenn Belgiens künftiger König Philippe am 21. Juli das Zepter von seinem Vater Albert II. übernimmt, erbt er ein Amt mit vorrangig repräsentativer Funktion. Dennoch ist in keiner Monarchie Europas die vom Königshaus verkörperte Einheit des Staates von so essenzieller Bedeutung für das Überlebens des Landes. Dies zeigte sich zuletzt nach den Parlamentswahlen 2010, als das Land ganze 541 Tage ohne Regierung blieb, weil sich Flamen im Norden und Wallonen im Süden nicht einigen konnten. Albert II. wurde nicht müde, zwischen den Landesteilen zu vermitteln und war eineinhalb Jahre lang das Symbol eines geeinten Belgiens.

von Die belgischen Royals © Bild: APA/EPA/Julien Warnand

Die Wurzeln des "communautair conflict" oder "conflict communautaire" (ndl., fr. "Gemeinschaftskonflikt") genannten Sprachen- und Kulturstreites zwischen dem südlichen und dem nördlichen Landesteil gehen bis auf die "belgische Revolution" 1830 zurück. Heute leben Wallonen und Flamen in einem de facto geteilten Staat mit separaten Sprachen (Französisch und Niederländisch), Medien, politischen Parteien und Institutionen. Sowohl die flämische als auch die wallonische Region - sowie zu einem großen Teil auch die deutsche Gemeinschaft im Südosten des Landes - verfügen über weitgehende Autonomie im Bildungs-, Infrastruktur-, Wirtschafts-, Arbeits-, Landwirtschafts- und Kulturbereich.

Wurzeln des belgischen Konflikts

Um die Wurzeln des Konflikts zu verstehen, hilft ein Blick auf die Gründungsgeschichte des Staates Belgien. Mehr als hundert Jahre lang dominierte die französische Sprache und Bevölkerung das Leben im Königreich: die Unabhängigkeit von Holland war vor allem von der französischsprachigen Mittel- und Oberschicht betrieben worden, der Reichtum konzentrierte sich lange im stark industrialisierten Süden mit seiner Eisenerzeugung und bis 1873 war Französisch alleinige Amtssprache. Flandern wiederum galt als Armenhaus des Landes, Bauern, Tagelöhner und Textilarbeiter stellten dort einen Großteil der Bevölkerung.

Wie weit die Teilung des Landes bereits fortgeschritten ist, zeigt sich auch daran, dass es seit den 1970er-Jahren keine bundesweit agierenden Parteien mehr gibt. Die drei großen belgischen Parteien - Sozialdemokraten, Christlichsoziale sowie Liberale - spalteten sich damals in einen flämischen und einen wallonischen Flügel. Nicht zuletzt deshalb gestalteten sich die Koalitionsverhandlungen nach den Wahlen 2010 schwierig: Auch wenn eigentlich nur drei Parteien an der Regierung beteiligt sind, musste de facto mit sechs Parteien verhandelt werden. Weshalb in Belgien auch stets von einer "Sechserkoalition" gesprochen wird.

Außen vor blieb dabei die stärkste Partei des Landes, die offen separatistische Nieuw-Vlaamse Alliantie (Neue Flämische Allianz, N-VA). Dieser ist das belgische Königshaus als eines der letzten starken Symbole des geeinten Belgiens ein Dorn im Auge. Vor dem Hintergrund einer weiterhin steigenden Zustimmung für die N-VA, werden die kommenden Parlamentswahlen im Mai 2014 wohl zur ersten Bewährungsprobe für König Philipp. Auf dem Spiel steht dabei auch die Zukunft des Königshauses. Denn mit dem Ende des geeinten Belgiens wäre auch das Ende des Königshauses und damit der Monarchie verbunden.

ORF überträgt Zepterübergabe live

Wer die Feierlichkeiten nicht verpassen will, dem bietet ORF 2 am Sonntag ab 10.30 Uhr die Gelegenheit, das Event live zu verfolgen. Moderiert wird die Übertragung von Adelsexpertin Lisbeth Bischoff sowie "Zeit im Bild"-Redakteur Jürgen Pettinger, die u.a. Eduard Habsburg, Historiker Karl Vocelka, Bestsellerautor Georg Markus oder Schauspieler Serge Falck als Gäste im Studio begrüßen. Die wichtigsten Szenen werden zudem um 22.00 Uhr in einer Zusammenfassung wiederholt.

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