SPÖ bleibt übrig

Wer auch immer die Partei künftig führt: Eine längere Oppositionszeit wartet, es fehlen Partner für eine Rückkehr in die Regierung.

von Politische Analyse - SPÖ bleibt übrig © Bild: Privat

ANALYSE

Sollte jemand bezweifelt haben, dass SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner Markteingriffe zur Inflationsbekämpfung wichtig sind, weiß er es jetzt: Sie hat angekündigt, dass ihre Partei ohne einen solchen Eingriff nichts mehr zustimmt, was auf parlamentarischer Ebene einer Zweidrittelmehrheit bedarf. Keinen Maßnahmen fürs Klima oder gegen Korruption. Damit hat sie unterstrichen, dass sie bereit ist, Kanzlerinnenträume platzen zu lassen.

Neos und Grüne sind empört. Unter diesen Umständen ist etwa die Abschaffung des Amtsgeheimnisses gefährdet, die ihnen ein Anliegen ist. Von den Türkisen hat sich Rendi-Wagner wiederum weiter entfernt, indem sie ihnen empfahl, über Zweidrittelmaterien mit Freiheitlichen zu verhandeln - mit diesen würden sie ohnehin "gute Erfahrungen" machen.

Der Punkt ist: Mit dieser Strategie bleibt die SPÖ übrig. Anstatt sich um Optionen für eine Rückkehr in die Regierung zu bemühen, verbaut sie sich die wenigen, die auch nur entfernt möglich sein könnten. Rendi-Wagner würde am ehesten für eine "Große Koalition", also Rot-Türkis, stehen. Die ÖVP tendiert aber eben zu Blau-Türkis. Sie verliert die meisten Wähler an Freiheitliche und hofft, das durch eine gemeinsame Politik mit diesen stoppen zu können. Insofern wirkt Rendi-Wagners Aussage bezüglich der "guten Erfahrungen" auch ein bisschen resignativ. Botschaft: Zu einer "Großen Koalition" kommt es sowieso nicht.

Ganz egal, wie die Mitgliederbefragung über den Vorsitz in der SPÖ ausgeht, es wird in jedem Fall schwer für die Partei, in die Regierung zurückzukehren. Rendi-Wagners Mitbewerber, der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler, würden zwar eine Ampel mit Neos und Grünen bevorzugen, eine solche ist aber unwahrscheinlich. Und zwar nicht nur aufgrund der fehlenden Aussicht auf eine Mehrheit dafür: Grüne stehen eher Doskozil distanziert gegenüber, der "Law and Order" verkörpert, die wirtschaftsliberalen Neos eher dem überzeugten Linken Andreas Babler.

Rendi-Wagner hat wie ihre beiden Herausforderer verabsäumt, eine Politik zu entwerfen, die angestrebten Koalitionsvarianten gerecht wird. Eine solche wäre umso wichtiger, als sie eine Zusammenarbeit mit Herbert Kickl ausschließen, dessen FPÖ aber dabei ist, stärkste Partei zu werden. Da müssten sich Sozialdemokraten erst recht überlegen, wie sie die ÖVP von Türkis-Blau abbringen könnten.

Oder wie sie Neos und Grüne trotz aller Gegensätze für ein Bündnis gewinnen und eine Wählermehrheit dafür erreichen könnten. Der letzte SPÖ-Chef, der sich diesbezüglichen engagiert hat, war Christian Kern. Dessen "Plan A" war zum Beispiel an junge Selbstständige gerichtet. Sie gehören auch zu den Zielgruppen von Pinken und Grünen. Allein: Gereicht hat es nicht. Gekommen ist nach der Wahl, die 2017 folgte, Türkis-Blau.

ZAHL

Stimmung im Keller

Die Teuerung ist das größte Problem, das die Menschen in Österreich sehen. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) werden das nicht ändern, wenn sie immer wieder betonen, dass die Kaufkraft hoch geblieben sei, ja steige. Im Gegenteil, sie riskieren eher sogar, Unverständnis und Empörung zu befeuern. Derlei kommt nicht an bei den Leuten. Entscheidend ist, was diese wahrnehmen. Und das sind nun einmal steigende Preise. Diese bleiben eher hängen als Einmalzahlungen und sonstige Hilfen.

Ganz besonders in Haushalten, in denen das verfügbare Einkommen klein ist. Teurer geworden sind vor allem Energie, Wohnen und Lebensmittel. Laut Konsumerhebung der Statistik Austria entfielen beim untersten Zehntel der Haushalte bereits 2019/2020 zwei Drittel der Gesamtausgaben auf diese drei Bereiche. Hier brennt sich jede Rechnung ganz anders ein ins Bewusstsein als beim obersten Zehntel der Haushalte, bei dem der Anteil nur ein Viertel ausmacht.

Schlimmer: Sehr viele Menschen sind pessimistisch. Sie haben nicht nur das Gefühl, sich immer weniger leisten zu können, sondern gehen davon aus, dass das noch ärger wird. Fast ein Drittel der Österreicher gehen davon aus, dass sich das Haushaltseinkommen in den kommenden zwölf Monaten verschlechtern wird. Mehr als drei Viertel befürchten außerdem, dass sich die Wirtschaftslage eintrüben wird. Das hat Statistik Austria im Rahmen einer Erhebung zu Krisenfolgen festgestellt und Anfang Mai veröffentlicht.

Spricht gegen Neuwahl

Für Karl Nehammer und Werner Kogler bedeutet das nicht zuletzt auch, dass sie eine Nationalratswahl vor dem regulären Termin im Herbst 2024 vermeiden sollten. Bei einer solchen Stimmung müssten sie sich als Regierende darauf einstellen, mit ihren Parteien abzustürzen. Das kann im Laufe der Zeit eher nur besser werden - sofern die Teuerung nachlässt.

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BERICHT

Wlazny mischt noch immer mit

Seit der Bundespräsidenten-Wahl vor mehr als einem halben Jahr ist kaum noch etwas zu hören von Dominik Wlazny. Damals erreichte er acht Prozent. Ob er mit seiner Bierpartei bei der nächsten Nationalratswahl antritt, lässt er offen. Er hat Zeit: In Umfragen lag sie zuletzt noch immer bei vier Prozent, obwohl sie unsichtbar ist in der Bundespolitik.

Ähnlich verhält es sich bei den Kommunisten. In Graz sind sie durch Bürgermeisterin Elke Kahr, in Salzburg durch das Phänomen Kay-Michael Dankl präsent. Er bescherte ihr bei der Landtagswahl jüngst 11,7 Prozent. Österreichweit hingegen ist die KPÖ weder durch ein personelles noch durch ein inhaltliches Angebot wahrnehmbar. Doch bei einer Nationalratswahl könnte sie derzeit mit sechs, sieben Prozent rechnen.

Wie ist das möglich? Es gibt ein erhebliches Vakuum. Beziehungsweise eine enorme Unzufriedenheit über bestehende Parteien und Politiker. Wlazny und Dankl haben durch ihre Authentizität und Glaubwürdigkeit als Person davon profitiert. Erhebungen zufolge haben sie vor allem Menschen angesprochen, die über die Politik verärgert sind und ihr attestieren, kein Verständnis für Alltagssorgen zu haben. Im Unterschied zu Freiheitlichen, die so ebenfalls zu Erfolgen kommen, haben sie eher bei Mitte-Links gepunktet.

Sie sind die großen Unberechenbaren, die die Mehrheitsverhältnisse aufmischen könnten: Sollten sie es in den Nationalrat schaffen, wären heute nur diese Zweiparteienkoalitionen möglich: Blau-Türkis oder Blau-Rot. Rot-Türkis würde sich nicht ausgehen, und eine rot-pink-grüne Ampel noch weniger.

Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at