Nichtraucher-Unterstützer
Kurz lässt Rauchverbot kippen

Bald-Kanzler sprach sich immer wieder für Nichtraucherschutz aus - und fällt nun um

Der Sturm der Entrüstung folgte unmittelbar und heftig als gestern bekannt wurde, dass unter der neuen türkis-blauen Regierung das absolute Rauchverbot in der Gastronomie wieder gekippt wird. Gesundheitsexperten und Mediziner zeigten sich entsetzt, eine Petition gegen die Raucherpläne erhielt schon über 30.000 Unterschriften. Zudem geriet Bald-Kanzler Sebastian Kurz ins Kreuzfeuer der Kritik: Er sprach sich in der Vergangenheit immer wieder für Nichtraucher-Schutz aus.

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Proteste und Petition - Nichtraucher-Unterstützer
Kurz lässt Rauchverbot kippen

Die „Don’t Smoke“-Kampagne, vom ehemaligen News-Aufdeckerjournalisten Kurt Kuch mitinitiiert, fand 2014 unzählige Unterstützer; unter anderem auch Bald-Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz. Er schrieb damals: „Die Gesundheit ist das Wertvollste – und für jede und jeden wichtig, um das Leben so führen zu können, wie man es will. Die Kampagne „DON’T SMOKE” leistet hier einen wesentlichen Beitrag für die Bewusstseinsbildung für einen möglichst gesunden Lebensstil in Österreich. Als Nichtraucher unterstütze ich die Kampagne sehr gerne.“

»"Werden an Entscheidung klar festhalten" «

Und auch im September erklärte der deklarierte Nichtraucher im Wahlkampf wörtlich: „Nach jahrelangen Diskussionen und Zwischenlösungen hat sich die Bundesregierung im Jahr 2015 mit dem generellen Rauchverbot in Lokalen auf eine Lösung geeinigt. Um die Betroffenen nun nicht wieder zu verunsichern, werden wir an dieser Entscheidung, die mit drei Jahren Vorlaufzeit im Mai 2018 in Kraft tritt, klar festhalten.“

Sebsatian Kurz Don't Smoke
© Screenshot dontsmoke.at

Das "Berliner Modell"

Nun fiel Kurz im Zuge der Regierungsverhandlungen mit der FPÖ um und gab den freiheitlichen Forderungen gegen ein absolutes Rauchverbot in der Gastronomie nach. Man einigte sich auf eine Raucherregelung nach „Berliner Modell“, wonach Gäste wie gehabt in abgetrennten Räumen auch weiter Zigaretten konsumieren dürfen. Nur das Rauchverbot für Jugendliche wurde von 16 auf 18 Jahre angehoben und Unter-18-Jährige dürfen auch nicht in diesen Raucherbereich. Ebenso soll es ein Rauchverbot in Autos geben, in denen Kinder und Jugendliche mitfahren.

Experten liefen Sturm

Dagegen liefen in kürzester Zeit sämtliche Experten Sturm, wie etwa der Ärztekammer-Präsident Szekeres. "Es ist nachgewiesen, dass nach generellen Rauchverboten in der Gastronomie zum Beispiel die Häufigkeit von Herzinfarkten zurückgegangen ist. Wir Ärzte müssen unsere Patienten und auch die Nichtraucher schützen“, sagte er.

"Wenn man von einem 'Berliner Modell' spricht - in Deutschland sind die Maßnahmen gegen den Tabakkonsum ja genauso schlecht wie in Österreich. Wie will man denn das alles kontrollieren? Wie will man kontrollieren, ob in einem Auto geraucht wird, in dem auch Kinder sind? Das ist eine Augenauswischerei. Ich verstehe das nicht", sagte der Wiener Lungenkrebsspezialist Robert Pirker (MedUni Wien/AKH).

Kippen wird "nachweislich Menschenleben kosten"

Der Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) hat vor möglichen Konsequenzen gewarnt: Das Kippen der bereits 2015 beschlossenen Novelle werde nachweislich Menschenleben und viel Geld kosten, hieß es in einer Aussendung. "Und man verzichtet ganz bewusst auf die sogenannten 'Quick-wins'", sagte ÖGP-Generalsekretär Bernd Lamprecht: "Denn Daten aus Irland und Italien zeigen eindeutig, dass es durch ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie bei Aktiv- wie bei Passivrauchern zu einer raschen Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen bis hin zum Herzinfarkt kommt."

Rendi-Wagner: "Schwarz-Blau ist Gesundheit der Menschen nichts wert"

Scharfe Kritik kam auch von Seiten der SPÖ: "Das Kippen des totalen Rauchverbots in der Gastronomie ist ein enormer gesundheitspolitischer Rückschritt", befand die scheidende Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner. "Ich bin vom Zick-Zack-Kurs der ÖVP enttäuscht, sie macht ein Gesetz rückgängig, das sie selbst mitbeschlossen hat."

"Damit zeigt Schwarz-Blau, dass ihnen die Gesundheit der Menschen nichts wert ist", meinte Rendi-Wagner in einer Aussendung. 13.000 Österreicher sterben laut Gesundheitsministerium jährlich an den Folgen des Tabakkonsums. "ÖVP und FPÖ entziehen sich mit der neuen Regelung jeder faktenbasierten Gesundheitspolitik", warf die Ministerin der künftigen Regierung vor. Die meisten europäischen Länder hätten bereits vor Jahren Rauchverbote eingeführt und verzeichneten einen positiven Trend, hätten doch Herzinfarkte, Atemwegserkrankungen und Frühgeburten signifikant abgenommen.

Auch NEOS-Chef Matthias Strolz reagierte umgehend via Twitter:

Sima erwägt Klage

Die Wiener Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) erwägte umgehend eine Klage gegen das geplante Gesetz: "Wir werden versuchen, das rechtlich auszuhebeln", sagte sie zur "Presse" (Dienstag-Ausgabe). Das ab Mai 2018 vorgesehen Rauchverbot dürfe wegen der Rechtssicherheit für Gastronomen und der Gesundheit von Gästen und Personal nicht gekippt werden.

Petition fand großen Anklang

Und auch in der Bevölkerung herrscht vielfach Unverständnis und Ärger über diese Rückschritte. Sofort wurde eine Online-Petition gegen die Aufhebung des Nichtrauchergesetzes ins Leben gerufen und bis dato über 30.000 Mal unterschrieben. Gestartet wurde sie von der Österreichischen Krebshilfe und der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie mit folgender Begründung: "Das generelle Rauchverbot in der Gastronomie zählt in Europa mittlerweile zum Standard, dem Österreich noch immer hinterher hinkt. Mit einer Aufhebung der 2015 beschlossenen Novelle des Tabakgesetzes geht Österreich weiterhin als „Europas Aschenbecher“ keinen neuen Weg. Es ist völliger Irrsinn, die endlich begonnene Trendwende jetzt plötzlich wieder umzukehren und nachhaltig zu vernichten."

Die Abstimmung hat keinen offiziellen Charakter, im Gegensatz zu einer parlamentarischen Bürgerinitiative. Es findet keine Identitätsüberprüfung statt, eine anonyme, mehrmalige Unterstützung ist möglich, zur Teilnahme reicht eine E-Mail-Adresse. Petitionen, die das openPetition-Quorum von 18.000 Unterstützungsbekundungen - im Fall der Rauchverbotspetition bereits überschritten - erreicht haben, werden aber zumindest an die gewählten Vertreter des zuständigen Parlaments mit der Bitte um eine Stellungnahme weitergeleitet, wie es auf openPetition heißt.