Heinz-Christian Strache: Wie
der Ex-Chef die Blauen spaltet

Nach außen hin wird zum Wahlkampfstart die blaue Einheit beschworen. Kein Blatt Papier passe zwischen Herbert Kickl und ihn, betonte der designierte FPÖ-Chef Norbert Hofer schon bei der Präsentation der druckfrischen Wahlplakate, die alternierend die Konterfeis von Hofer und Kickl zieren. Doch hinter den Kulissen schwelt schon ein veritabler Richtungsstreit. Kernfrage: Was tun mit Heinz-Christian Strache, dem gefallenen Superstar der Partei?

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Politik - Heinz-Christian Strache: Wie
der Ex-Chef die Blauen spaltet

Granden wie Hofer oder der oberösterreichische Landeschef Manfred Haimbuchner erklärten mehr oder weniger deutlich, dass Strache in der Politik mittelfristig nichts mehr verloren habe. Die finanzstarke Wiener FP-Fraktion hält in unverbrüchlicher Treue zum alten Chef. Und Straches langjähriges Mastermind Kickl, dessen Verhältnis zu Hofer eher als pragmatisch denn als herzlich beschrieben wird -in welche Richtung er nach der Wahl tendiert, ist nicht abschätzbar

Andreas Mölzer, der langjährige Chefideologe der Freiheitlichen, warf den Seinen in einem aufsehenerregenden Gastkommentar in der "Kleinen Zeitung" Dilettantismus und Doppelmoral bei ihren Postenbesetzungen vor und sorgte dadurch für zusätzliche interne Verunsicherung. Nun sagt er in News: "Es wäre politisch unklug, sich von Strache zu trennen." Kurzum: Das dritte Lager steht wieder einmal vor einer echten Zerreißprobe.

Heinz-Christian Strache: Wie Hofer seine Hoffnung zerstörte

Noch am 6. April, rund fünf Wochen vor der Veröffentlichung des Ibiza-Clips, beschwor Heinz-Christian Strache am Parteitag der oberösterreichischen FPÖ die Einheit der "freiheitlichen Familie" - und sich selbst als deren unumschränkten Patron: "Meine Partei schütze ich wie ein Vater!", rief er den Delegierten zu und erntete tosenden Applaus. Und: "Mein Herz gehört der Freiheitlichen Partei!" Doch nun geht die Familie auf Distanz, und das kränkt den Vater. Denn: Die Zukunftswünsche, die ihm die neue Nomenklatura zukommen lässt, haben nicht den Charakter von "Wir kämpfen für dich!", sondern eher von "Baba und fall net!" Und das kränkt den Vater doppelt.

Die Serben-Connection. "Ich bin sehr froh, dass er sich ein wirtschaftliches Standbein schafft, und wünsche ihm alles Gute." - das ist Norbert Hofers Reaktion auf Straches mittlerweile relativierte Ankündigung, im September einen neuen Job in der Privatwirtschaft antreten zu wollen. Ein mittelprächtiger Job in der Immobilienbranche wäre es gewesen. "Ja warum denn bitte nicht?", fragt sich einer von Straches langjährigen Förderern und Wegbegleitern halblaut. "Gerade in Regionen wie Russland oder Serbien hat er noch immer einen guten Namen, den sollte er nützen." Ein Vorschlag, der vor dem Hintergrund des Ibiza-Videos fast schon zynisch anmutet und Straches Verhältnis zur eigenen Partei nicht verbessern wird, denn: Gegenüber der vermeintlichen Oligarchennichte hatte Strache das EU-Mitglied Kroatien noch als "Scheiße" bezeichnet, im Gegenzug dafür aber den mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrecher Željko Ražnatović als "geilen Typen". Ja, in Serbien, da sei er "ganz beliebt"

Weniger allerdings in westeuropäischen Konzernzentralen: "Es ist höchst unwahrscheinlich, dass man ihm bei Uniqa oder Raiffeisen einen Topjob anbieten wird, wie das bei ausgeschiedenen Politikern anderer Parteien üblich ist", befindet Andreas Mölzer, einer der freiheitlichen Chefideologen. Er, Mölzer, habe Strache daher dazu geraten, das EU-Mandat, das ihm aufgrund seiner 40.000 Vorzugsstimmen zugestanden wäre, anzunehmen.

Der Vollblutpolitiker. "Ich bin und bleibe Vollblutpolitiker", versicherte Strache bereits Ende Mai, und das gilt bis heute. Auch wenn seine Agenda nach dem Verlust seiner Facebook-Seite derzeit in der Begleitung seiner wahlkämpfenden Gattin Philippa (Besuch bei einem steirischen Bio-Schweinebauern, Stippvisite beim FP-Abgeordneten Zanger in Großlobming) besteht. Doch zum Wohle der Seinen, so Strache, habe er den lukrativen Job in Brüssel ausgeschlagen. "Es geht mir darum, was für die Partei und dieses Land das Beste ist." Denn: "Wir sind eine Familie, in guten wie in schwierigen Zeiten halten wir zusammen." Familie? Nun hat Nachfolger Hofer Straches baldiges Comeback kategorisch ausgeschlossen.

"Strache hat es sich nicht verdient, fallengelassen zu werden. Das ist psychologisch eine immens schwierige Situation, gerade wenn man so lange Berufspolitiker war", sagt Mölzer. Irgendwie scheint die Betonung dennoch auf "war" zu liegen. Doch das sieht Strache ganz anders.

Norbert Hofer: Warum Strache für ihn zum Problem wird

Seine Worte ließen wenig Spielraum für Interpretationen: Norbert Hofer, der designierte FPÖ-Chef, erklärte im ORF-Sommergespräch klipp und klar, dass Strache erst nach der rechtlichen Klärung sämtlicher Vorwürfe, von Ibiza bis Novomatic, in der FPÖ wieder eine Funktion bekleiden könne -doch das wird Jahre dauern. "Ich habe sehr konkrete Vorstellungen, was die Zukunft und den Stellenwert der FPÖ als staatstragende Partei in diesem Land betrifft", sagt Hofer und spricht kryptisch von "personellen Weichenstellungen":"Ich werde keine Kompromisse eingehen."

Norbert Hofer will wieder regieren, und zwar mit der Kurz-VP. Und dabei kann er den Mann, der im hautengen Strandleiberl die halbe Republik verscherbeln und die "Kronen Zeitung" übernehmen wollte, partout nicht brauchen. Doch Andreas Mölzer warnt: "Bis zu den Wahlen wurde ohnedies Stillschweigen vereinbart, aber auch danach wäre es politisch unklug, sich von Strache zu trennen, denn seine Fans sind sein großer Trumpf."

14 Jahre sei die Parteipropaganda wie vorher auf Jörg Haider einzig und allein auf Strache zugeschnitten gewesen, da sei ein Personenkult entstanden, der natürlich Spuren hinterlassen habe -und zudem sei das moralische Entsetzen über die feuchtfröhliche Nacht von Ibiza bei der Kernwählerschaft kaum bis nicht vorhanden. Im Gegenteil.

Machtfaktor Basis. Einer repräsentativen Market-Umfrage zufolge würden nicht weniger als 69 Prozent der FP-Anhänger eine Rückkehr Straches in die Spitzenpolitik begrüßen. Und auch wenn Strache bis zu den Wahlen verbale Zurückhaltung gelobte - spätestens nach dem Urnengang könnte er mit der blauen Basis im Rücken die Regierungsambitionen Hofers durch knallharte Oppositionsrhetorik crashen. Denn da ist nicht nur Straches ausgeprägter Wille zum Polit-Comeback, sondern auch tief sitzende persönliche Enttäuschung über seinen einstigen Vertrauten und Günstling Hofer.

Rückblende ins Jahr 2005. Jörg Haider gründete das BZÖ, seine engen Vertrauten laufen fast samt und sonders von Blau zu Orange über. Doch Hofer, damals Landesparteisekretär im Burgenland, bleibt. Und siehe da: Bereits einen Tag nach Hofers Bekenntnis zur Partei macht ihn Strache auf Bundesebene zu seinem Stellvertreter. Jahre hindurch trifft Strache kaum eine Entscheidung ohne den loyalen Burgenländer (und Kickl). Und als Strache daran scheitert, den ehemaligen Rechnungshofpräsidenten Josef Moser zur Kandidatur für die Bundespräsidentschaft zu überreden, macht er kurzerhand Hofer zum Anwärter auf das höchste Amt im Staate - und zwar sogar gegen den Rat seines Masterminds Herbert Kickl. Hofer wird von so vielen Menschen gewählt wie kein anderer FPÖ-Politiker vor ihm und wird so vom braven Soldaten (und dritten Nationalratspräsidenten) im Dienste Straches zum selbstständigen Machtfaktor.

"Ich habe diese Aufgabe nicht übernommen, weil sie leicht ist", sagt Norbert Hofer nun hinsichtlich seines Einzugs in die blaue Chefetage. "Es ist vielmehr eine Aufgabe, die ich zu meistern gedenke." Und zwar ohne den alten Meister.

Herbert Kickl: Warum er in der Zwickmühle steckt

So wie Heinz-Christian Strache vor den Trümmern seines politischen Lebenswerkes namens FPÖ steht, steht auch Herbert Kickl vor den Trümmern seines politischen Lebenswerkes: Es heißt Heinz-Christian Strache. Wie der jüngsten Strache-Biografie zu entnehmen ist, war es Kickl, der Strache -noch unter Haiders FP-Regentschaft -um ein Treffen in einem Wiener Bierlokal bat, um gemeinsam auszubaldowern, wie Strache unter seiner Regie die Partei übernehmen könne.

Nun steckt Kickl, neben dem konzilianten Hofer der blaue Spitzenmann fürs Grobe, in der Zwickmühle: Einerseits, so erzählen FP-Insider, habe den Asketen und Ausdauersportler Kickl die gefilmte Sauferei auf der Baleareninsel "beinahe körperlich" angewidert -andererseits ist aber auch sein Verhältnis zu Hofer keineswegs so ungetrübt, wie es im Zuge des beginnenden Wahlkampfs nach außen hin suggeriert wird. Kickl habe seinen künftigen Chef Hofer bereits seit Jahren als unliebsamen Konkurrenten um die Gunst des einstigen Chefs Strache empfunden, heißt es in gehobenen Parteikreisen. Zunächst habe er, Kickl, sich intern gegen eine Nominierung Hofers als eigenen FP-Präsidentschaftskandidat ausgesprochen, dann, nach der Wahl 2017, auch lange gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ (mit einem Regierungskoordinator Hofer) opponiert. Auch Minister wollte Kickl dem Vernehmen nach zunächst gar nicht werden. Kurzum: Hofer steht ganz klar für Koalition, Kickl nach wie vor und trotz anderslautender Plakattexte ("Koalition für unsere Heimat") für messerscharfe Opposition. Sollte die FPÖ nach der Wahl nicht in der Regierung landen, so würde Kickl wohl die Parteiführung übernehmen.

Pakt des Misstrauens. Ein unrealistisches Szenario? Keineswegs. Denn für Parteiinsider wie Andreas Mölzer ist die Fortführung der türkis-blauen Koalition alles andere als ausgemachte Sache. "Eine weitere Zusammenarbeit wäre nicht von wechselseitiger Liebe geprägt, es wäre wohl eine Koalition des Misstrauens, nicht mehr als ein reines Arbeitsverhältnis."

Und: Wenn Kickl die FPÖ in die Opposition führt, dann wäre die Tür für ein Strache-Comeback bei den Wien-Wahlen wohl zumindest einen Spalt breit geöffnet. Wenn Hofer unter Kurz mitregiert und die FPÖ als staatstragende Kraft positioniert, wäre das wohl so gut wie ausgeschlossen.

© imago images / SKATA

Philippa Strache: Wie sie ihre Rolle anlegt

Einen kleinen Vorgeschmack auf die künftige Rolle Philippa Straches, die für die Freiheitlichen in den Nationalrat einziehen wird, liefert ihr Schlagabtausch mit dem niederösterreichischen FP-Landesrat Gottfried Waldhäusl.

Waldhäusl, der bekannt dafür ist, dass er sagt, was er sich denkt, manchmal sogar so direkt, dass das Wort vor dem Gedanken steht - dieser Waldhäusl äußerte dieser Tage in einem Interview in Bezug auf Heinz-Christian Straches Comeback-Pläne: "Wie verzweifelt muss ein Mensch sein, wenn er vor dem Scherbenhaufen seines Lebenswerks steht und dennoch jeden zweiten Tag barfuß in die Scherben tritt."

Worauf Philippa Strache auf Facebook (über ihren Account, nicht über den von der Partei überwachten ihres Mannes) antwortete: "Stark! Bei einem Parteikollegen nachzutreten, wenn dieser die schlimmste Phase seines Lebens durchlebt." Und weiter: "Das einzige Mal als Heinz-Christian Strache vor einem Scherbenhaufen gestanden ist, war 2005, als er die Partei mit Schulden und bei rund 3 %übernommen hat." Dann verweist sie noch auf die offenen Verfahren gegen Waldhäusl - und darauf, dass ihr Mann trotz der Ermittlungen niemals nachgetreten habe

Keine Tiefwurzlerin. Aber was wird Philippa Strache nun -parlamentarischer Racheengel für ihren Mann oder ganz normale Abgeordnete mit Fachbereich Tierschutz unter Parteichef Hofer?"Klar, dass sie sich mit ihrem Mann austauschen und er so Einfluss nehmen wird", sagt Andreas Mölzer. Aus ideologischem Blickwinkel fällt ihm zur Frau des Ex-Vizekanzlers nicht allzu viel ein: "Ganz sicher ist sie tüchtig und klug, aber keine freiheitliche Tiefwurzlerin."

Fakt ist: Bis unmittelbar vor Ibiza konnte es sich Philippa Strache nicht vorstellen, eine Karriere als Polit-Profi einzuschlagen, war mit ihrer Rolle als ehrenamtlicher Tierschutzbeauftragter vollauf zufrieden. Demnächst ist sie es, die den Politfaktor Strache verkörpert.

© News/Michael Mazohl

Manfred Haimbuchner: Wie er das Momentum nutzen könnte

Und wenn die Freiheitlichen nach den Turbulenzen und Eigendynamiken der kommenden Wochen und Monate ein neues Gesicht an der Spitze brauchen sollten? Mit Manfred Haimbucher, dem Chef der FPÖ Oberösterreich und stellvertretenden Landeshauptmann, verfügen die Blauen über eine echte Personalreserve. "Er hat auf jeden Fall Zukunftspotenzial, ist sehr pragmatisch und somit ein Mann für alle Jahreszeiten", sagt Andreas Mölzer. Zudem verfüge er, nicht zuletzt dank seines Vaters Lambert Haimbucher, der beinahe ein Vierteljahrhundert Bürgermeister von Steinhaus war, über echten freiheitlichen Stallgeruch.

Klare Absage. Mit den Ereignissen der jüngsten Vergangenheit hat Haimbucher nichts am Hut -kaum wer in der Partei geht so schroff auf Distanz zu Strache wie er: "Es ist das Recht jedes Bürgers, über seine Zukunft zu philosophieren." Gedanken sind frei, aber Strache nicht mehr freiheitlich: Für den smarten Juristen ist klar, dass Strache "keine Funktion in der FPÖ mehr einnehmen" dürfe.

© News/Herrgott

Dominik Nepp: Wie er Strache die Treue hält

Und auch wenn er formal derzeit nur ein "einfaches Parteimitglied" ist: Dank des Wiener Vizebürgermeisters Dominik Nepp geht Heinz-Christian Strache nach wie vor in der hohen Politik ein und aus. Nepp hat ihm in den Räumlichkeiten der Stadt-Blauen ein Büro eingerichtet, in dem er ungestört und mit Zugriff auf die technischen Infrastrukturen der Partei seine Nachforschungen über die verschwörerischen Hintergründe des Ibiza-Videos betreiben kann. Demnächst soll Nepp als Spitzenkandidat für die Wien-Wahlen im kommenden Jahr abgesegnet werden. "Er ist ein guter Mann mit einem vergleichsweise noch geringen Bekanntheitsgrad", befindet Andreas Mölzer. "In Sachen Volksnähe wird er noch etwas zulegen müssen."

Die starke Lobby. Vergleichsweise geringer Bekanntheitsgrad? Aber im Vergleich zu wem? Immerhin hat Strache anklingen lassen, dass er erwäge, bei den Wahlen in der Hauptstadt als Spitzenkandidat in den Ring zu steigen. Und da der gefallene Superstar in den Reihen der finanzstarken und daher auch bundesweit einflussreichen Wiener Landesorganisation noch immer eine starke, treue Lobby hat, scheint das, Hofers kategorischem Nein zum Trotz, durchaus nicht abwegig. Und auch wenn Nepp gebetsmühlenartig beteuert, als Spitzenkandidat zur Verfügung zu stehen, wenn die Partei es wünsche, hält er es nicht für ausgeschlossen, dass statt ihm auch Strache kandidiert.

"Nach einer kompletten Reinwaschung ist ein Comeback Straches sowohl in Wien als auch im Bund möglich", sagt er - so offen sagt das in Wahlkampfzeiten in der ersten Reihe der FPÖ keiner. Zumal Nepp seinen alten Mentor nach wie vor als "persönlichen Freund" und "politisches Vorbild" tituliert. Auch auf die Frage, ob er Strache in politisch heiklen Situationen um Rat fragen würde, antwortet er unverblümt: "Es wäre ungeschickt, nicht auf seine Erfahrung zurückzugreifen." Was ihn und Strache eine, sei "dieser Drang, den Menschen zu helfen". Gegenseitige Hilfe nicht ausgeschlossen.

Derzeit ist Nepp Diener zweier Herren: Formal untersteht er der Bundespartei und Hofer, real beweist er seine Loyalität gegenüber Strache beinahe tagtäglich aufs Neue. Und auch über Kickl will Wiens wichtigster Blauer nichts kommen lassen. Den hält er -in Opposition zu Hofers potenziellem Koalitionspartner Sebastian Kurz -für durchaus "ministrabel".

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News (35/2019) erschienen!