Kampfbegriff "Häuslbauer"

Der SPÖ-Chef Andreas Babler hält die Debatte um Vermögens- und Erbschaftssteuern am Köcheln. Sein neues Modell soll Wohneigentum - die "Häuslbauer" - weniger belasten, Millionäre aber umso stärker. Das Eigenheim als sozialdemokratisches Politikum

von Kampfbegriff "Häuslbauer" © Bild: Getty Images

"Wer jetzt noch dagegen ist, macht Politik für die Superreichsten", sagte SPÖ-Parteichef Andreas Babler am 6. September, als er den SPÖ-Gremien ein überarbeitetes Modell für die Vermögens- und Erbschaftssteuern präsentierte. Das war nötig geworden, nachdem innerparteiliche Bedenken im Bezug auf Eigenheime aufgekommen waren. Babler ist nicht müde, eines zu betonen: "Wir sind die Partei der Häuslbauer."

Nach einem ersten Vorstoß Ende August wollte Babler jetzt Nägel mit Köpfen machen. Das "Häusl" - das bewohnte Eigenheim - soll nach dem aktuellen SPÖ-Konzept bis zum Wert von 1,5 Millionen Euro von Vermögens- und Erbschaftssteuer verschont bleiben. Dafür sollen "Superreiche" mehr zahlen als bisher geplant. Die jährlich anfallende "Millionärssteuer" sieht für ein Vermögen von einer bis zehn Millionen Euro einen Steuersatz von 0,5 Prozent vor. Zwischen zehn und 50 Millionen wird ein Prozent fällig, ab 50 Millionen werden zwei Prozent veranschlagt. Auch bei der Erbschaftssteuer soll ein stark progressiver Steuersatz zur Anwendung kommen. Ab einer Million ist ein Steuersatz von 25 Prozent vorgesehen, ab fünf Millionen werden 30 Prozent, ab zehn Millionen 35 Prozent fällig. Ab einem Erbe im Wert von 50 Millionen soll der Staat ganze 50 Prozent abschöpfen dürfen.

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Freibetrag von 2,5 Millionen

Zusätzlich wurde für das restliche, nach Abzug des Eigenheims verbleibende Vermögen ein Freibetrag von einer Million Euro festgeschrieben. Im Maximalfall soll somit ein Besitz von 2,5 Millionen Euro steuerfrei bleiben. Der jeweilige Steuersatz soll nicht auf die ganze Erbschaft, sondern nur auf den Anteil des Vermögens in entsprechender Bandbreite angewandt werden. Auch ein Streichen der bis dato für jede geerbte Immobilie fällige Grunderwerbssteuer von 3,5 Prozent steht am Plan. Deren Ausbleiben will die SPÖ durch die neuen Steuern ersetzen: Von der Vermögenssteuer verspricht man sich fünf Milliarden Euro pro Jahr, von der Erbschaftssteuer 500 bis 800 Millionen.

Verwandt mit dem "kleinen Mann"

Dass der Begriff des "Häuslbauers" jetzt in aller Munde ist, ist laut dem Kommunikationsexperten Thomas Hofer kein Zufall. "Der 'Häuslbauer' ist eine Variation des wohlbekannten 'kleinen Mannes'", sagt der Politikberater. "Er - oder sie, Frauen sind natürlich mitgemeint - ist der fleißige, leistungsbereite Bürger, der sein Geld mühsam zusammenspart, um sich ein Eigenheim aufzubauen." Der Ausdruck "Häusl", der auf den ruralen Bereich zutreffe, sei hier etwas einschränkend - auch die Eigentumswohnung in der Stadt sei natürlich mitgemeint. "Für die SPÖ ist der Ausdruck wichtig, weil sie keinesfalls den Eindruck erwecken will, es ginge um eine breite Mittelstandssteuer", sagt Hofer. "Das Narrativ ist: Wir meinen nach dem Prinzip 'Eat the Rich' nur die Superreichen."

»Das Narrativ der SPÖ: Wir meinen nach dem Prinzip 'Eat the Rich' nur die 'Superrreichen'«

Thomas Hofer, Experte und Berater für politische Kommunikation

"Häusl" durchschnittlich billiger

Die SPÖ bemüht sich, diese Abgrenzung durch klare Zahlen zu benennen. Laut den Sozialdemokraten seien mit der "Luxusgrenze" von 1,5 Millionen rund 98 Prozent aller Eigenheime nicht von dem neuen Steuerkonzept betroffen. Eine Erhebung des Immobilienmaklers Re/Max auf Basis der Grundbuchdaten belegt, dass die SPÖ ihr "Luxuslimit" weit über den Wert des durchschnittlichen Eigenheimes gelegt hat. Im Jahr 2022 war ein österreichisches Einfamilienhaus im Mittel 352.000 Euro wert. Die Befürchtung, dass durchschnittliche Hausbesitzer zur Kasse gebeten werden, ließ vor allem in Tirol die Wogen hochgehen. Dort sind die Preise explodiert: laut Re/Max lag der mittlere Wert einer Tiroler Immobilie im Jahr 2022 bei rund 766.000 Euro. Mit mittleren Preisen von 796.153 Euro ist Wien das teuerste Bundesland.

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Angebot an obere Mittelschicht

"Seit Andreas Babler Parteichef ist, macht die SPÖ verstärkt für 'unsere Leut' Politik", sagt Thomas Hofer. Das passiere laut dem Politikberater im Stil von "Wir da unten gegen die da oben" und sei als diskursiver Populismus zu bezeichnen. "Dieses Wir versucht die SPÖ jetzt auszudehnen. Auch der 'Häuslbauer' am Land, der klassischerweise nicht so SPÖ-affin ist wie Menschen im urbanen Bereich ist, soll angesprochen oder jedenfalls nicht verschreckt werden."

In diesem Sinne sei der 'Häuslbauer' auch als rhetorisches Mittel zu verstehen, als Versuch, in der Mittelschicht zu reüssieren. "Die untere Mittelschicht, die Kernklientel der SPÖ, fühlt sich von diesem Begriff eher nicht angesprochen. Man versucht, sich auch darüber hinaus zu etablieren und den 'Häuslbauer' im Kampf 'Wir da unten gegen die da oben' auf der richtigen Seite zu verorten."

Der "Häuslbauer" sei nicht der erste politische Kampfbegriff, der gekapert und umdefiniert wurde, um in neuen Wählerteichen zu fischen. Ein prominentes Beispiel: die FPÖ-Zuspitzung des 'kleinen Mannes' unter Jörg Haider, als die freiheitliche Partei begann, auch im städtischen Bereich der SPÖ-Klientel zu wildern. Haiders kleiner Mann sei nicht zwingend die arme Arbeiterklasse, der Mindestsicherungsbezieher gewesen -er habe schlichtweg den 'fleißigen kleinen Bürger' repräsentiert und anti-elitäre Ressentiments geschürt. "Schon bei der Gemeinderatswahl im Jahr 1996 ist es der FPÖ so gelungen, bis in den klassisch roten Gemeindebau vorzudringen", sagt Thomas Hofer.

Kritik aus Wirtschaft und Politik

Ursprünglicher Aufhänger der Erbschaftsdebatte war ein Todesfall. Als Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz vergangenen Herbst verstarb, hinterließ er ein Vermögen, das von "Forbes" auf 24,7 Milliarden Euro geschätzt wurde. Sein Sohn und Alleinerbe Mark Mateschitz ist jetzt der reichste Mann Österreichs. "Hätte Mark Mateschitz Erbschaftssteuer bezahlt, hätte das dem Staat mehrere Milliarden bringen können", ließ Babler daraufhin verlauten.

Statt einem "Akt der Gerechtigkeit" wittert die politische Gegenseite eine "rote Neiddebatte". ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker fordert "Entlastungen, bevor wir über weitere Belastungen der Bürger sprechen". Laut Franz Schellhorn, dem Leiter der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda Austria, brauche das "Höchststeuerland" Österreich keine neuen Steuern, stattdessen müsse Vermögensaufbau gefördert werden. WKO und Industriellenvereinigung übten heftige Kritik an der potenziellen "Schnüffelsteuer".

Schlacht der Narrative

"Es ist eine Spin-Schlacht, hier tobt ein Kampf um die gefühlte Betroffenheit durch den SPÖ-Vorstoß", subsummiert der Politikberater Thomas Hofer. In den letzten Tagen habe die SPÖ gezielt versucht, sich politisch zu impfen. "Die nach hinten losgegangene Mateschitz-Zuspitzung hatte die klare Absicht, zu verhindern, dass sich zu viele Menschen von den Vermögens- und Erbschaftssteuer bedroht fühlen." Schon in der ersten Kommunikation der SPÖ habe man betont, dass 98 Prozent nicht betroffen sein werden. "Das suggeriert: Wir meinen nur die Mateschitzs und Swarovskis dieses Landes. Keinesfalls den fleißigen 'Häuslbauer'."

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 37/2023 erschienen.