Daniel Jung: "An der Schule wäre ich versauert"

Daniel Jung betreibt einen Mathekanal auf YouTube. Was er von der Schule der Zukunft erwartet, wo die Grenzen des digitalen Lernens sind und warum er nie Lehrer wurde.

von Mathe-Erklärer - Daniel Jung: "An der Schule wäre ich versauert" © Bild: beigestellt/Daniel Jung
Daniel Jung, 38, ist in Remscheid, Deutschland geboren. Sein Lehramtsstudium brach er ab. Mit seinem YouTube-Kanal „Mathe by Daniel Jung“ erreicht er Millionen von Zuschauern. Zudem betreibt er die Plattform mathefragen.de auf der sich Schüler gegenseitig bei mathematischen Aufgaben unterstützen können, und bietet Onlinekurse an. Im März diesen Jahres ist sein sein Buch Let’s rock Education – Was Schule heute lernen muss erschienen.

Daniel Jung hat schon immer gerne anderen geholfen – „besonders in Mathe“. Diese Fähigkeit zahlt sich aus. Jung betreibt einen Youtube-Kanal, auf dem er seit 2011 Erklärvideos für Mathe zur Verfügung stellt. Sein Kanal „Mathe by Daniel Jung“ hat mehr als 600.000 Abonnenten, seine Videos werden mehr als 200 Millionen Mal angesehen.

Zudem ist er Unternehmer und Autor des Buchs „Let’s rock Education – Was Schule heute lernen muss“*.

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News: Herr Jung, Ihnen macht Mathe Spaß. Das geht nicht jedem so. Vielen Schülerinnen und Schülern bereitet das Fach Bauchschmerzen. Woran liegt das?
Daniel Jung:
Die Mathematik ist ein großes, spannendes Feld. Das kommt aber im Unterricht oftmals gar nicht rüber. Hier wird basierend auf alten Methoden unterrichtet, aus einer Zeit als es noch keine Computertechnologie gab. Wenn ich also etwas nicht richtig ausgerechnet habe, habe ich einen Fehler gemacht und bin gescheitert. Daher rührt wohl die Angst.

Warum muss ich Mathe denn eigentlich überhaupt lernen?
Mathematik durchdringt unser komplettes Leben – die Wirtschaft, die Natur, den Alltag. Es ist die Lehre von Strukturen und Mustern. Und grade in einer Zeit der Digitalisierung, in der wir Wandel schneller wahrnehmen, ist es wichtig, solche Muster und Strukturen zu erkennen. Das lehrt die Mathematik und das kann eigentlich total Spaß machen (lacht)

Studien belegen, dass das Interesse an Mathematik im Laufe der Schulkarriere abnimmt. Woran liegt das?
Im Kindergarten, in der Volksschule, da spielt man noch mehr in der Mathematik. Später heißt es dann ‚Seitenlänge ist a, a ist überall gleich, der Umfang ist 4xa‘. Das sind reine Formeln, Beschreibungen, das ist doch total langweilig. So erlebt man Mathe nicht.
Heute können wir ein Quadrat doch auch mit kleinen Robotern fahren lassen und dann erfahren, wie dieser abbiegen muss. Das ist erlebbare Mathematik.

Sie haben das Buch „Let’s rock Education – Was Schule heute lernen muss“ geschrieben. Was muss Schule denn lernen? Wo sind die größten Baustellen?
Die größte Baustelle ist wohl der fehlende Mut neue Dinge auszuprobieren. Die Kids rennen aus der Schule und sind in den Sozialen Netzwerken unterwegs. Dort müssen Schulen sie auch abholen.

»Schülern muss viel mehr vermittelt werden, wie man digital kommuniziert und lernt«

Wie könnte das aussehen?
Schulen und Unis könnten mit Menschen zusammenarbeiten, die auf Youtube aktiv sind. Sie könnten in den Unterricht eingeladen werden oder wie wäre es damit, wenn Lehrer selbst Videos produzieren?
Zudem muss auch der Lehrkörper permanent fortgebildet werden. Die Lehrer brauchen mehr Raum, um Video-Tutorials und Online-Plattformen in ihrem Unterricht einzusetzen. Und den Schülern muss viel mehr vermittelt werden, wie man digital kommuniziert und lernt.

Ist der Wille seitens der Politik hier Veränderungen in Angriff zu nehmen da?
Wenn man in die Presse guckt ist der Wille immer da. Aber der Wille alleine reicht nicht, wenn man es nicht umsetzt. Wir müssen radikal neu ansetzen und dafür braucht es neben dem Willen auch Mut.

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Wohin geht denn die Ausbildung? Werden wir uns auf Spezialgebiete fokussieren müssen oder sollten wir nicht wieder eine ganzheitliche, klassische Bildung anstreben?
Natürlich braucht es die Basis wie Lesen, Schreiben, Rechnen. Aber können wir neben der klassischen Lektüre von Texten nicht auch überlegen, ob es sinnvoll wäre, wenn Schüler die Programmiersprache lesen könnten? Die Welt um uns herum besteht aus Einsen und Nullen. Das muss ich verstehen, darüber muss ich diskutieren, debattieren können…

Wir müssen klüger werden als die Maschinen, die wir erschaffen…
Exakt. Wir müssen das erlernen, was Algorithmen nicht greifen können.

© beigestellt/Daniel Jung Simple und zugänglich erklärt Daniel Jung auch komplexe Matheaufgaben

Wie sähe das in der Schule aus?
Wie kann man das Fach Philosophie mit Mathematik und Biologie verbinden? Vielleicht durch ein Gemeinschaftsprojekt: Ethik in der Genanalyse. Wo geht’s hin, wenn wir klonen können? Was müssen wir für Entscheidungen treffen? Darüber muss man diskutieren können, dafür braucht es Wissen.

Jetzt gehen wir von einer Idealvorstellung aus. Plattformen funktionieren, jeder weiß, wie was zu bedienen ist; wo stößt digitales Lernen an seine Grenzen?
Am Ende bleibt der Mensch ein Mensch und der möchte vor Ort in einer Gemeinschaft zusammen Erfolge feiern. Der Schulterklopfer vor Ort ist, bei aller Technologie, immer noch der, der mir das Gefühl gibt „Das hast du gut gemacht“. Zudem werden die Diskussionen zwischen Lehrkörpern und Schülern, so intuitiv Plattformen auch sein können, bleiben. Das gemeinsame Lösungen entwickeln ist essentiell. Die klassische Druckbetankung durch Frontalunterricht ist hingegen überholt und nicht mehr nötig.

Sie haben ihr Lehramtsstudium abgebrochen. Warum?
Ich kann mir sehr gut Dinge alleine beibringen, habe mir schon früh Netzwerke aufgebaut und auch sehr früh bereits gegründet. Für mich war dann schnell klar, dass das das Unternehmerleben der richtige Weg ist.

»Wenn ich jetzt an einer Schule wäre, würde ich pro Jahr 200 Schüler erreichen, so erreiche ich pro Tag 200.000 Schüler«

Aber hätte es nicht grade so einen engagierten und begeisterungsfähigen Menschen wie sie als Lehrer gebraucht?
Viele sagen, es wäre so schön, wenn du in der Schule wärst. Ich entgegne dann - Ich konnte so wesentlich mehr anstoßen und erreichen. Wenn ich jetzt an einer Schule wäre, würde ich pro Jahr 200 Schüler erreichen, so erreiche ich pro Tag 200.000 Schüler. Ich als Querdenker, Umsetzer, Tester wäre glaube ich in der Schule versauert.

Das spricht aber nicht wirklich für das System. Wenn Menschen wie Sie sich dafür nicht begeistern können…
Absolut. Und daher müssen wir uns die Frage stellen, wer baut die Schule der Zukunft? Aktuell sind das Techkonzerne. Amazon-Chef Jeff Bezos hat Pilotschulen errichtet mit einer tollen Ausstattung und Infrastruktur. Über kurz oder lang wird das auch hier stattfinden. Aber wollen wir das oder bauen wir die Schule der Zukunft selbst? Dafür braucht es aber den Mut Schule radikal neu zu denken.

Wie wird Schule in 50 Jahren aussehen?
50 Jahre?! (lacht) . Das ist eine lange Zeit. Die führenden und klügsten Köpfe aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) sagen, dass wir bereits Jahr 2050 eine generelle KI erreicht haben. Da werden dann die Dinge so durchdrehen, dass du deinen Avatar neben sitzen hast (lacht).
Rechnen wir mal mit zehn Jahren. Durch die Möglichkeiten, die uns bis 2030 gegeben werden, von wem auch immer, wird Schule individueller sein, sie wird mehr intrinsische Motivation hervorbringen, sie wird ein hybrid – eine Kombination aus analog und digital.
Aber alleine schon in den nächsten fünf Jahren wird es eine massive Transformationen geben, auch durch die Initialzündung Corona.

Was macht eigentlich den Erfolg Ihrer Videos aus?
Das kann man nicht an einer Sache alleine festmachen. Das ist ein Mix aus vielen Faktoren:

  • Komplexe Sachen komplett einfach erklären
  • Kurze Einheiten. Meine Videos sind im Schnitt 5 Minuten lang
  • Die Bandbreite. Ich erkläre wie man 1+1 rechnet, bereite aber auch auf das Mathestudium vor
  • Die Videos sind sortiert in Themenplaylists
  • Ich veröffentliche dort, wo alle Videos schauen - auf YouTube
  • Zudem glaube ich auch, dass ich auch noch ganz passabel aussehe (lacht)

Hätten Sie mit dem Erfolg gerechnet?
Natürlich hoffst du immer darauf, dass etwas Positives dabei herumkommt, wenn du was in Angriff nimmst; aber das Soziale Netzwerke diese Art von Power erreichen, hätte wohl kaum jemand im Jahr 2010 gedacht.
Ich glaube, wenn man mit Passion bei einer Sache dabei ist, wird sich das in irgendeiner Form immer auszahlen.

Hatten Sie eigentlich so etwas wie ein "Hassfach" zu Schulzeiten?
Ja (lacht). Aber das war auch dem System geschuldet...Das war Geschichte in der 13. Klasse. Wir mussten Geschichte als Zusatzkurs nehmen. Das waren dann 30 Schüler, die kein Bock auf das Fach hatten, ein Lehrer der kein Bock auf das Fach hatte und 30 Grad im Sommer.

Corona hat uns gezeigt, wie schnell wir auf digitales Lernen angewiesen sind. Schulen hatten zu, Eltern haben Ersatzlehrer geben müssen. Welche Erfahrungen haben Sie mit der Pandemie gemacht?
Die Antwort auf diese Frage lesen Sie im aktuellen News Nr. 25/20

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Komplexe Sachen komplett einfach erklären

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