Spitzentöne
Er spielte sich das Herz aus dem Leib
Heinz Sichrovsky über den verstorbenen Heribert Sasse
Am Beispiel des großen Schauspielers und Theaterdirektors Heribert Sasse, der am 19. November seinem dritten Herzinfarkt erlegen ist, lässt sich viel erklären: vor allem die verheerende Allianz aus Branchenmafia und Parteipolitik. Ich habe Sasse vor einem halben Leben in einem Gemeindebau kennengelernt. Er sprach dort Goethes "Werther" mit einer Vortragskunst, die mich, den Nachwuchsredakteur der "Arbeiterzeitung", umwarf. Wenig später übernahm er das kleine Berliner Renaissancetheater und wurde dann, im Gefolge ansprechender Resultate, sensationellerweise ans Schillertheater berufen, das höchstdotierte Haus des Sprachraums. Ich sollte ihm als Dramaturg folgen, doch das Engagement scheiterte zum Glück: Ein Intendanten-und Kritikerklüngel sabotierte ihn ab dem Tag seiner Ernennung; nach fünf Jahren übergab er das Haus in finanziell stabilen Umständen an ein mafiakonformeres Kollektiv. Drei Jahre später war das Schillertheater leer gespielt und wurde geschlossen. Als Sasse nach Wien zurückkehrte, sollte er nach dem Willen des ÖVP-Staatssekretärs Morak die Josefstadt leiten. Dagegen opponierte die Wiener SPÖ, und Hans Gratzer rieb sich in einer einjährigen Katastrophendirektion auf. Sasse aber wurde der große Schauspieler des Hauses. Das Publikum hat ihn geliebt, denn er hat sich das Herz aus dem Leib gespielt.