BVT: SPÖ droht
mit U-Ausschuss

Die SPÖ hat am Freitag eine Sondersitzung des Nationalrats zur BVT-Affäre angekündigt. Der Generalsekretär des Justizministeriums hat indes bestätigt, dass es bei den Ermittlungen um den Verdacht des Amtsmissbrauchs geht.

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Verfassungsschutz - BVT: SPÖ droht
mit U-Ausschuss

Parteichef Christian Kern kritisierte, "dass hier eine offensichtlich wohlbegründete Ermittlung der Staatsanwaltschaft genutzt wird, um den politisch gewünschten Umbau der Sicherheitskräfte zu betreiben". Er will daher mit den anderen Oppositionsparteien Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) ins Parlament zitieren.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die die Ermittlungen in der Causa führt, nahm Kern zwar in Schutz: Er gehe davon aus, dass die Staatsanwaltschaft gewohnt sorgsam vorgehe und die nötigen richterlichen Genehmigungen für die Hausdurchsuchung beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) eingeholt habe.

Scharfe Kritik übte der SPÖ-Chef aber daran, dass die Hausdurchsuchung durch die von einem FPÖ-Politiker geführte Einheit zur Bekämpfung der Straßenkriminalität durchgeführt wurde und nicht etwa vom Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung oder von der Cobra; und dass dabei auch Daten der Abteilung für Extremismusbekämpfung beschlagnahmt wurden.

Kickl werde Gelegenheit haben, Klarheit zu schaffen

"Offensichtlich haben hier der FPÖ nahestehende Kräfte im Innenministerium die Gelegenheit am Schopf gepackt und Tatsachen geschaffen - weit über den ursprünglichen Ermittlungsinhalt hinaus", sagte Kern. Er vermutet hinter den Ermittlungen einen internen Kampf im BVT und möglicherweise auch eine Auseinandersetzung zwischen ÖVP und FPÖ. Das Vertrauen in den Sicherheitsapparat und in die Geheimdienste werde dadurch "massiv erschüttert".

Dass Kickl bei der Sondersitzung keine Fragen beantworten kann, weil die Staatsanwaltschaft die Causa als Verschlussakt führt, befürchtet Kern nicht. Es gehe auch um Themen, die öffentlich diskutiert werden können. Unter anderem kritisierte Kern auch das geplante "Überwachungspaket" der Regierung und die jüngst bekannt gewordenen Vorwürfe gegen das Innenministerium, scheinselbstständige Mitarbeiter für Telefonüberwachungen eingesetzt zu haben, sowie die Vorwürfe gegen die Telekom Austria, Kundendaten unbefugt zu speichern.

Kickl werde jedenfalls Gelegenheit haben, Klarheit zu schaffen. Sollte das nicht gelingen, werde man weitere Schritte überlegen: "Da steht naturgemäß auch ein Untersuchungsausschuss im Raum." Beantragt werden soll die Sondersitzung laut SPÖ voraussichtlich noch am Freitag - sie müsste dann binnen acht Werktagen stattfinden.

Liste Pilz will bei Sondersitzung Antworten auf 50 Fragen

Die Liste Pilz hat am Freitag ihre Unterstützung für eine Sondersitzung des Nationalrats zur BVT-Affäre erklärt. Als Wunschtermin nannte Klubobmann Peter Kolba den 20. März. Dabei will die Liste anhand von 50 Fragen an Innenminister Kickl und Justizminister Moser Hintergründe für die Ermittlungen im BVT erfahren.

Kolba sprach davon, dass sich rund um die Affäre ein "ungeheurer Skandal anbahnt". "Verstörend" sei alleine schon, dass die Hausdurchsuchung im BVT und in Wohnungen von hohen Beamten des Verfassungsschutzes von schwerbewaffneten Polizisten der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität durchgeführt wurde, die von einem freiheitlichen Gemeindepolitiker geleitet wird. Dies sei, als würde man "Park-Sheriffs zu einem Bankraub rufen".

Die starke Bewaffnung könne laut der sicherheitspolitischen Sprecherin der Liste Pilz, Alma Zadic, zudem nur darauf schließen lassen, dass sich der Einsatz gegen gefährliche "Mafia ähnliche" Strukturen gerichtet hat. "Warum wurde dann aber nicht die Cobra hinzugezogen?", fragte Zadic. Die Sprecherin vermutete, dass "die FPÖ ihre Finger im Spiel hat".

Rätsel um Extremismus-Datei

Zudem soll bei der Hausdurchsuchung auch die Festplatte der Leiterin der Referatsleiterin für Extremismus im BVT mitgenommen worden sein, auf der sich auch alle Ermittlungen im rechtsextremistischen Milieu befinden. Hier seien laut der Liste Pilz, die sich ihrerseits wiederum auf Berichte des "Standard" und des "Profil" bezog, unter anderem Kontakte von FPÖ-Politikern zu Mitgliedern der "Identitären Bewegung" verzeichnet.

Auch die Namen von Informanten seien auf der Festplatte abgespeichert gewesen. Auf diese Daten konnte Zadic zufolge nur eine kleine Gruppe von hohen Beamten in BVT zugreifen. Zudem wurde jeder Zugriff registriert. Falls die Festplatte nun - wie kolportiert wurde - kopiert wurde, würden diese Sicherungsmaßnahmen nicht länger gelten. "Wer hat jetzt Zugriff?", wollte Zadic wissen.

Die Liste will diese und andere Fragen bei der Sondersitzung erörtern. Sie sieht dabei nicht nur Innen- und Justizminister, sondern auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in der Verantwortung. Kurz habe Kolba zufolge letztlich zugelassen, dass die FPÖ die Verantwortung sowohl für Polizei und damit die Geheimdienste sowie für das Bundesheer trägt.

Extremismus-Datei nicht beschlagnahmt

Der Generalsekretär des Justizministeriums, Christian Pilnacek, hat am Freitag dementiert, dass bei der Hausdurchsuchung im BVT Unterlagen über Extremismus-Ermittlungen des Verfassungsschutzes beschlagnahmt wurden. Außerdem habe das Innenministerium auf die beschlagnahmten Daten keinen Zugriff, sondern nur die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

Massive öffentliche Kritik gab es zuletzt auch daran, dass die Hausdurchsuchung beim BVT durch die Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) begleitet wurde, die unter Führung eines FP-Funktionärs steht. Laut Pilnacek wurde die Entscheidung dazu von Staatsanwaltschaft und Innenministerium gemeinsam getroffen. Und auf die beschlagnahmten Unterlagen habe das (ebenfalls FP-geführte) Innenministerium keinen Zugriff.

Durchgeführt wurde die Hausdurchsuchung aber durch die Staatsanwaltschaft und deren IT-Experten, betonte Pilnacek: "Die Sicherstellung wurde von diesen Experten durchgeführt, nicht von den Polizeikräften." Und: "Die Daten befinden sich allesamt in einem besonders gesicherten Raum der WKStA. Zutritt zu diesem Raum hat nur die fallführende Staatsanwältin und der zuständige IT-Experte."

Verdacht des Amtsmissbrauchs

Bestätigt hat Pilnacek, dass es bei den Ermittlungen um den Verdacht des Amtsmissbrauchs geht. Einer der Vorwürfe lautet demnach, dass der Verfassungsschutz Ermittlungsdaten nicht gelöscht bzw. nachträglich aufbewahrt hat. Die Vorwürfe gehen demnach sowohl auf das medial bekannte Konvolut von anonymen Anzeigen zurück als auch auf eine Anzeige des Innenministeriums.

Das Innenministerium habe bestimmte Verdachtsmomente an die WKStA herangetragen, sagte Pilnacek. Das Ministerium habe als Dienstbehörde eine gesetzliche Anzeigeverpflichtung und habe daher selbst Anzeige erstatten müssen.

Das Justizministerium wurde über die Hausdurchsuchung beim BVT erst nachträglich informiert, wie Pilnacek sagte - und zwar durchaus zu Recht. Denn seit 2016 müsse die Staatsanwaltschaft nicht mehr einzelne Ermittlungsschritte im Vorhinein genehmigen lassen, sondern nur im Nachhinein über "bedeutende Verfahrensschritte" berichten.

Pilnacek betonte, dass bei allen Hausdurchsuchungen in dieser Causa ein Staatsanwalt oder eine Staatsanwältin anwesend gewesen sei. Die rechtliche Gesamtverantwortung für das Verfahren liege bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Die Hausdurchsuchung sei durch ein Gericht bewilligt worden, insofern habe das Gericht den Verdacht bestätigt. Den Betroffenen stehe es aber nun frei, Hausdurchsuchung und Sicherstellungen beim Oberlandesgericht anzufechten.

"Keinerlei Falldaten sichergestellt"

Im Büro der Leiterin des Extremismusreferats wurden laut Pilnacek "keinerlei Falldaten sichergestellt". Er bestätigte zwar, dass Unterlagen beschlagnahmt wurden. Allerdings habe es sich dabei um private Unterlagen gehandelt - und zwar wegen eines Naheverhältnisses der Referatsleiterin zu einem der Beschuldigten. Angesichts der Medienberichte über beschlagnahmte Falldaten wollte Generalsekretär des Justizministeriums aber auch nicht ausschließen, dass sich in einem der als privat gekennzeichneten Ordner möglicherweise auch Falldaten befunden haben könnten.

Beschlagnahmt wurden laut Pilnacek Unterlagen im Ausmaß von 19,1 Gigabyte. Der Zeitpunkt der Hausdurchsuchung wurde seinen Angaben zufolge kurzfristig festgelegt, weil die Staatsanwaltschaft nach der Befragung von Zeugen rasch handeln wollte. Die EGS sei mit der Sicherung der Hausdurchsuchung betraut worden, weil die Staatsanwaltschaft wollte, "dass Polizeikräfte tätig werden, die in keinster Weise, auch nicht durch Mitarbeiter, in den Verdachtsfall involviert sind". Nach derzeitigem Wissensstand sei das eine gemeinsame Entscheidung der Staatsanwaltschaft mit den zuständigen Dienststellen im Innenministerium gewesen.

Van der Bellen findet Vorgänge "irritierend"

Bundespräsident Alexander Van der Bellen erwartet sich in der BVT-Affäre von den zuständigen Stellen "eine rasche und vollständige Aufklärung". In einer Stellungnahme meinte das Staatsoberhaupt, die Vorgänge rund um das Bundesamt seien "höchst ungewöhnlich und irritierend".

Bundeskanzler Kurz hat sich Freitagnachmittag zu den Vorgängen rund um das BVT geäußert. In einer sehr knapp gehaltenen schriftlichen Stellungnahme forderte er "volle Aufklärung und Transparenz aller beteiligten Ministerien" und verwies auf den von Justizminister Josef Moser (ÖVP) angekündigten umfassenden Bericht.

Grüne fordern Aufklärung von Wiener Polizei

Die Wiener Grünen fordern nach den Hausdurchsuchungen im BVT Aufklärung - und zwar von der Wiener Polizei, da diese für die operative Umsetzung verantwortlich gewesen sei, wie es in einer Aussendung von Sicherheitssprecherin Birgit Hebein am Freitag hieß. Sie hat einen offenen Brief an Polizeipräsident Gerhard Pürstl verfasst.

Die Vorwürfe gegen Führungskräfte und Mitarbeiter im Verfassungsschutz seien verstörend, befand Hebein. Sie würden sich gegen jene polizeiliche Einrichtung richten, die im Krisenfall das Funktionieren der Demokratie schützen solle: "Aber auch die Ermittlungen selbst sind Anlass für höchste Beunruhigung. Sehen wir uns mit einem blauen Putsch in der Polizei konfrontiert? Oder versucht ein schwarzes Netzwerk in der Polizei ihre Machenschaften zu vertuschen? Das Innenministerium und die Justiz haben bisher wenig zur Aufklärung dieser fundamentalen Vertrauenskrise beigetragen", kritisierte Hebein.

Der Brief an Pürstl beinhaltet insgesamt 20 Fragen. Hebein möchte etwa wissen, welche Dienststellen der Landespolizeidirektion Wien mit der Causa beauftragt wurden und welche den Einsatz der "Einsatzgruppe gegen Straßenkriminalität" angeordnet habe. Auch die Gründe für den Einsatz dieser Spezialisten werden erfragt. Zudem erkundigt sie sich, warum Schutzwesten und Sturmhauben getragen worden sind. Auch ob Festplatten oder Datenbanken kopiert wurden, möchte die Grün-Politikerin wissen.

Kickl stellt Gridling als BVT-Chef infrage

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) stellt in der aktuellen Affäre des BVT dessen Leiter Peter Gridling infrage. Angesichts der im Raum stehenden Vorwürfe könne er "ja nicht so tun, als ob das nichts wäre", argumentierte Kickl. Eine Entscheidung will er in der ersten Hälfte der kommenden Woche treffen.

Derzeit ist Gridling - auf eigenen Wunsch, wie es heißt - auf Urlaub. Sein Vertrag läuft in wenigen Wochen aus. Auch der Generalsekretär im Innenministerium, Peter Goldgruber, ist der Meinung, zum jetzigen Zeitpunkt wäre es "nicht vertretbar ohne weiteres" diese Bestellung zu verlängern. Gegen drei Beamte des BVT laufen derzeit dienstrechtliche Maßnahmen, erklärte Goldgruber.

Kickl verteidigt umstrittenen Hausdurchsuchungen

Kickl verteidigte vor Journalisten die umstrittenen Hausdurchsuchungen bei BVT-Beamten. Das Verfahren führe die Korruptionsstaatsanwaltschaft, dementsprechend seien auch die Hausdurchsuchungen im wesentlichen von fünf Staatsanwälten durchgeführt worden. Die Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) habe die Durchsuchungen lediglich gesichert. Die Entscheidung, welche Einheit einen Einsatz durchführe, erfolge im Hinblick auf den größtmöglichen Ermittlungserfolg.

Das sichergestellte Material befinde sich in den Händen der Staatsanwaltschaft und werde von dieser ausgewertet, betonte Kickl. Dass "irgendwelche Polizisten" auf sensible Daten zugegriffen hätten, sei "schlicht und ergreifend falsch", betonte Kickl. "Dieser Einsatz ist absolut lupenrein durchgeführt worden." Auch Goldgruber bezeichnete es als "frei erfunden", dass eine Festplatte mit Daten über Extremismus-Ermittlungen sichergestellt worden sei. "Ich weiß nicht, woher diese Geschichten stammen."

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