Sozialversicherung:
Das bringt die Reform

5 Fragen und Antworten zur geplanten Umstrukturierung

Ein Schwerpunkt der schwarz-blauen Koalition bis zum Sommer ist die Reform der Sozialversicherung. Was diese beinhaltet und welche Folgen die geplante Umstrukturierung für Patienten haben könnte.

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Sparen - Sozialversicherung:
Das bringt die Reform

Zuletzt hatte die Regierung in Bezug auf die Reform der Sozialversicherung Tempo gemacht. Kanzler Sebastian Kurz verkündete, dass ein entsprechender Gesetzesvorschlag in der ersten Mai-Hälfte vorliegen soll.

1. Welche zentralen Punkte beinhaltet die Reform?

Erstens soll es künftig maximal fünf Kassen statt der bisher 21 Sozialversicherungsträger geben, durchaus auch weniger, wie es von Seiten der Koalitionspartner heißt. Im Visier der Regierung stehen dabei auch diverse Privilegien und das Vermögen der Sozialversicherungen. Laut Unterlagen sollen von den Sozialversicherungen rund 1,3 Milliarden Euro an Beitragsgeldern an der Börse in Aktien oder Wertpapieren angelegt und über die Jahre ein Reinvermögen von rund 6 Milliarden Euro angehäuft, statt Beiträge zu senken. Mehr als 1.000 Funktionäre seien in den verschiedenen Sozialversicherungsträgern im Einsatz. Darüber hinaus verfügten die Sozialversicherungen über einen Fuhrpark von über 160 Dienstwagen. Einer der Direktoren lasse sich sogar täglich von Graz nach Wien chauffieren

Zweitens soll die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) 500 Millionen Euro einsparen, andernfalls wird sie aufgelöst.

Drittens wackelt mit der Reform das Prinzip der Selbstverwaltung der österreichischen Sozialversicherung: Eigentlich dem Staat obliegende Aufgaben sind damit an die unmittelbar Betroffenen delegiert. Das heißt aber nicht, dass ein Versicherter in seiner Kasse direkt mitreden kann. Das übernimmt für ihn die Arbeiter- oder Wirtschaftskammer, in der er Pflichtmitglied ist. Die Regierung will hier nun stärker eingreifen.

2. Wie genau soll die Zusammenlegung aussehen?

Wie genau die Zusammenlegung der Sozialversicherungen aussehen und welche fünf Träger es geben soll, lässt das Arbeitsprogramm (ab Seite 114) offen. Klar ist aber, dass es eine "Österreichische Krankenkasse" geben soll, in der die neun Gebietskrankenkassen aufgehen. In weiterer Folge soll ein österreichweiter Ärztegesamtvertrag mit der Möglichkeit von regionalen Zu- und Abschlägen verhandelt werden. Die bestehenden Gesamtverträge bleiben bis 2020 aufrecht. Dass die Bauern- und die Selbstständigen-Versicherungen SV und SVA ebenfalls zusammengelegt werden sollen, wurde von Regierungsseite schon klar gemacht.

3. Was sagen Kritiker zur geplanten Umstellung?

Reduktion der Kassen und Selbstverwaltung:

Die Ärztevertretung begrüße grundsätzlich eine sinnvolle Weiterentwicklung des Sozialversicherungssystems, wie Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer in einer Aussendung mitteilte. Allerdings dürfe es aus Ärztesicht nicht dazu kommen, dass dabei die solidarische Finanzierung, die soziale Medizin und die Selbstverwaltung der Krankenkassen in Frage gestellt oder sogar abgeschafft werden. "Weiterentwickeln und Verbessern ja, Zerschlagen nein", sagte Steinhart.

Auch die Obleute der Sozialversicherungsträger appellieren an die Bundesregierung, sie bei geplanten Veränderungen miteinzubeziehen. Eine entsprechende Resolution wurde am Montag einstimmig beschlossen. Die Kassenvertreter geben sich darin selbstbewusst. "Gäbe es die Sozialversicherung nicht, man müsste sie erfinden", heißt es in dem Papier wörtlich. Derzeit wähle die Regierung eine Vorgehensweise, bei der eine umfassende Änderung in der Organisation und Finanzierung der gesamten Sozialversicherung geplant werde, ohne die betroffenen Entscheidungsträger systematisch einzubinden, lautete die Kritik.

AUVA:

Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres verwies im Zuge der Debatte darauf, dass die geforderten 500 Millionen Euro an Einsparungen fast 40 Prozent des gesamten AUVA-Budgets ausmachen. Und das wiederum gehe nur mit einer Schließung von Spitälern und Reha-Einrichtungen. Laut Gesundheits- und Sozialministerium muss die AUVA ein Reformkonzept vorlegen, "das es ermöglicht, bereits bis Ende des Jahres einen ersten finanziellen Erfolg nachweisen zu können." Bis jetzt sei dies noch nicht geschehen.

4. Wie argumentiert die Regierung?

Dass es Widerstand gibt, ist Kurz bewusst. Den Grund dafür sieht er bei Funktionären, deren Posten es bei einer Reduktion der Kassen nicht mehr geben werde. Ob die Regierung sich auch in den Gremien der Sozialversicherung aktiver einbringen wird, blieb offen. Die Selbstverwaltung an sich sehe er positiv, erklärte der Kanzler. Es werde aber eine Neuaufstellung der Gremien im Zug der Reform stattfinden.

Einmal mehr dementiert wurden von Vizekanzler Heinz-Christian Strache Befürchtungen, dass es zu einer Auflösung von Unfallkrankenhäusern und Reha-Zentren kommen könnte.

5. Welche Folgen könnte die Reform für Versicherte haben?

Es stellt sich die Frage, ob und was sich durch die Zusammenlegung der Krankenkassen und die mögliche Auflösung der AUVA für Patienten beziehungsweise Versicherte ändern könnte:

Zumindest Kritiker befürchten aufgrund der Einsparungen, die Schließung von AUVA-Spitälern und eine Versorgungsverschlechterung für Patienten. Die Regierung dementiert das. Auch bei der Zusammenlegung der Krankenkassen warnt die Ärztevertretung: Damit den unterschiedlichen regionalen Versorgungssituationen und -bedürfnissen ausreichend Rechnung getragen werden könne, müssten "die Budget- und Beitragshoheit der regionalen Kasse, die Vertragshoheit samt den Honorarverhandlungen der regionalen Kasse mit der regionalen Ärztekammer, sowie die Planungshoheit samt kassenärztlichem Stellenplan in den Bundesländern verbleiben", wie der Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer mitteilte. Nur so könne eine effiziente und patientennahe Gesundheitsversorgung auch in Zukunft sichergestellt werden. Zentralismus, der regionale Gegebenheiten ignoriert, könne laut Steinhart keine Lösung sein.

Auf der anderen Seite stehen die Versprechungen der Regierung: Durch eine ebenfalls geplante einheitliche Abgabenstelle für die Einhebung aller lohnabhängigen Abgaben anstelle der Krankenkassen, sollen finanzielle Mittel freiwerden. Diese sollen den Menschen wiederum in Form eines "Gesundheitsbonus" zugutekommen.

Im Verwaltungsrat soll die Anzahl der Mitglieder in den Gremien nach der Stärke der Beitragszahler geregelt werden: Das könnte eine stärkere Repräsentanz der Dienstgebervertreter zur Folge haben.

Patienten könnten sich aufgrund der geplanten Zusammenlegung der neun Länderkassen auf eine Österreichische Krankenkasse (ÖKK) auf einheitlichere Leistungen freuen. Doch ob damit nur eine zusätzliche Verwaltungsebene geschaffen wird und die Gebietskrankenkassen weiterhin existieren, bleibt abzuwarten.