Grüne gehen leer aus

Werner Kogler und Co. rennen für Van der Bellen. Es ist eine Pflichtübung, die ihrer Partei nichts bringt. Sie müssen sich vielmehr auf schwierige Zeiten gefasst machen

von Politische Analyse - Grüne gehen leer aus © Bild: Privat

ANALYSE

Die Grünen stehen mitten im Wahlkampf. Eine Verteilaktion da, ein Infostand dort. Alle Bemühungen sind auf eine Wiederwahl von Bundespräsident Alexander Van der Bellen ausgerichtet. Der 78-Jährige hat die Mitgliedschaft bei der Partei zwar ruhend gestellt, sich für ihn zu engagieren, ist jedoch Pflicht für sie: Er ist ihr Ex-Chef, und er spricht sich für Dinge aus, die ihn zumindest von den rechten Mitbewerbern unterscheiden und die ihnen wichtig sind - Klimaschutz und die liberale Demokratie etwa. Das kann ihnen nicht egal sein.

Ein Wahlerfolg Van der Bellens würde Werner Kogler, Freundinnen und Freunden natürlich auch Genugtuung bereiten. Dass das Staatsoberhaupt ursprünglich aus ihren Reihen kommt, hat was. Allein: Darüber hinaus bringt es ihnen nichts. Schon seit 2017 wissen sie das: Ein Jahr, nachdem er es mit fast 54 Prozent ins Amt geschafft hatte, flogen sie mit weniger als vier Prozent aus dem Nationalrat. Und überhaupt: Vor sechs Jahren war Van der Bellen zunächst wirklich ihr Kandidat. Diesmal bekennen sich gleich auch andere zu ihm, von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bis Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), vom Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) bis zum burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ). Nur wenn es ums Zahlen geht, sind sie, die Grünen, wieder allein. Eineinhalb Millionen Euro haben sie bisher für den Wahlkampf gespendet, andere Parteien keinen Cent.

Blasmusik und Heimatliebe

Am Ende des Tages bleibt ihnen bemerkenswert wenig von Van der Bellen. Aus zwei Gründen: Erstens muss er, um auf eine Mehrheit kommen zu können, die breite Mitte der Gesellschaft umwerben, die auch ein bisschen türkis, rot, pink und zum Teil alles andere als urban ist. Daher zeigt er sich gerne mit Kaunertaler Blasmusikkapelle und betont Heimatliebe. Das sind Signale an eine Zielgruppe, die weit über die grüne hinausgeht. Zweitens: Mehr noch ist Van der Bellen als Bundespräsident gefordert, sich mit den politischen Verhältnissen zu arrangieren. 2017 sah er sich gezwungen, eine türkis-blaue Koalition mit Herbert Kickl (FPÖ) als Innenminister zu akzeptieren. Das tat den Grünen weh, sein Spielraum war und ist jedoch begrenzt. Er hat auch nicht dafür gesorgt, dass sie heute mitregieren dürfen. Den Weg dazu bereitete Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor bald drei Jahren, als er ihnen die Zusammenarbeit anbot.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen auf Wahlkampftour
© APA/HELMUT FOHRINGER Viele Parteien unterstützen Van der Bellen, aber nur die Grünen zahlen für seinen Wahlkampf. In ihre Zukunft sind die eineinhalb Millionen Euro nicht investiert

Eine Wiederwahl von Alexander Van der Bellen hätte nun auch keinen Einfluss auf ihr weiteres Schicksal. Sie müssen sich vielmehr auf schwierigere Zeiten gefasst machen: Von ihm wird bei kommenden Urnengängen nichts auf sie abfärben. Schon in Tirol haben sie zuletzt schmerzliche Verluste erlitten, sind erstmals seit 1999 auf weniger als zehn Prozent gefallen - und das auch noch aus einer Koalition unter Führung der ÖVP heraus, wie sie sie im Bund noch haben.

ZAHL

Eineinhalb Millionen Armutsgefährdete

2 64.752 Frauen, Männer und Kinder sind im vergangenen Jahr in die Mindestsicherung gefallen, die in den meisten Bundesländern wieder Sozialhilfe heißt. Die Entwicklung wirkt erfreulich: Damit hat sich ein Rückgang fortgesetzt. 2018 hatte es sich noch um mehr als 310.000 gehandelt.

Gibt es also weniger Armut in Österreich? Man muss vorsichtig sein: Die Zahl der Armuts-oder Ausgrenzungsgefährdeten ist seit 2018 nicht gesunken, sondern sogar leicht gestiegen. Im vergangenen Jahr belief sie sich auf mehr als eineinhalb Millionen. Das ist ein Sechstel der Bevölkerung.

Grafik: Armutsgefährdete und Sozialhilfebezieher in Österreich
© News

Dass es weniger Sozialhilfebezieher gibt, bedeutet allenfalls, dass es weniger Menschen in größter Not gibt. Bezugsvoraussetzung in Wien beispielsweise ist, dass praktisch kein Vermögen (mehr) vorhanden ist und das Einkommen bei Alleinstehenden unter 1.000 Euro liegt. Die günstige Wirtschaftslage und die wachsende Nachfrage nach Arbeitskräften haben es zuletzt vielen ermöglicht, darüber hinauszukommen. Häufig bedeutet das aber noch nicht einmal ansatzweise Wohlstand: Bleibt das Einkommen niedriger als 1.370 Euro, ist von Armutsgefährdung die Rede. Ist es schwer bis unmöglich, einmal pro Jahr auf Urlaub zu fahren, regelmäßig die Miete zu bezahlen oder die Wohnung warmzuhalten, spricht man von Ausgrenzungsgefährdung. In Summe ergibt das die eineinhalb Millionen Betroffenen, für die die Teuerung nun eine extreme Bedrohung darstellt.

Krise darf nicht lange dauern

Die Bundesregierung setzt unzählige Hebel in Bewegung, um dagegenzuhalten - von der Strompreisbremse über den erhöhten Klimabonus bis zur Indexierung von Sozialleistungen. Durch einen solchen Zugang hat sie schon einmal Schlimmeres verhindert, nämlich in der Coronakrise. Dieses "Koste es, was es wolle" ist sich ausgegangen, weil diese Krise von kurzer Dauer war. Darauf wird es jetzt wieder ankommen.

BERICHT

Inseratenwillkür fortgesetzt

Bei Regierungsinseraten zeichnet sich eine Rückkehr zur Normalität ab. Das bedeutet, dass sich das Volumen jenem vor Corona annähert und die Vergabe willkürlich bleibt. Im ersten Halbjahr haben das Bundeskanzleramt und sämtliche Ministerien insgesamt 13,19 Millionen Euro aufgewendet, um die Menschen in Österreich auf dem Laufenden zu halten. Genauer: Diese Summe haben sie gemeldet. Im Vergleichszeitraum 2021 handelte es sich um 24,63 Millionen, also beinahe doppelt so viel. Zurückzuführen war das auf Informationstätigkeiten zur Pandemie. 2020 waren es von Jänner bis Juni 21,75, im Jahr davor 12,58 Millionen Euro.

Wenig nachvollziehbar

In der Regel bleibt offen, nach welchen Kriterien und mit welchem Ziel mit Steuergeld inseriert wird. Der Medienwissenschaftler Andy Kaltenbrunner ist in Untersuchungen unter dem Titel "Scheinbar transparent" zum Schluss gekommen, dass vielfach wohl parteipolitische Motive und persönliche Befindlichkeiten von Politikern entscheidend seien. Sogar ein Ministerratsvortrag von Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) enthält die Feststellung, dass die Sache "zum überwiegenden Teil wenig nachvollziehbar" ist.

Die angekündigte Korrektur lässt jedoch auf sich warten: Die Auswertung zum ersten Halbjahr 2022 zeigt, dass jedes Ressort inseriert, wie und wo es ihm gefällt. Beim Klimaschutzministerium von Leonore Gewessler (Grüne) machte beispielsweise der Anteil, der auf die Boulevardzeitungen "Krone", "Heute" und "Österreich - oe24" entfällt, fünf Prozent aus, beim Innenministerium von Gerhard Karner (ÖVP) hingegen ganze 71 Prozent.

Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at