Sebastian Kurz -
Ganz der Alte

VP-Chef Sebastian Kurz stellt sich erstmals der parteiinternen Wiederwahl

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Politik - Sebastian Kurz -
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Key Take Aways dieses Artikels
  • Sebastian Kurz stellt sich am 28.08.2021 erstmals der Wiederwahl als ÖVP-Obmann
  • Kurz verfolgt eine restriktive Asyl- und Flüchtlingspolitik
  • Der Kanzler muss sich Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft stellen
  • Privat: Kurz wird zum ersten Mal Vater

Sebastian Kurz stellt sich am Samstag erstmals der Wiederwahl als ÖVP-Obmann. Ein Ergebnis deutlich über 90 Prozent dürfte Formsache sein, doch der Zauber des Anfangs ist verflogen. Dauerfeuer der Opposition und Ermittlungen der Justiz haben das Erfolgsimage des jüngsten Kanzlers der Zweiten Republik angekratzt. Die eigene Partei bleibt zwar zufrieden, die Euphorie ist jedoch gewichen.

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An sich ist der Weg des ab Freitag 35-Jährigen eine Erfolgsgeschichte aus dem politischen Bilderbuch. Aus der eigenen Jugendorganisation kommend wurde der von Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger protegierte Wiener mit gerne betonten Wurzeln in Niederösterreich Integrationsstaatssekretär, Außenminister, ÖVP-Obmann und Regierungschef und das teils deutlich vor, teils knapp über 30.

Verdient hat sich das der einst wie heute stets smarte Kurz mit einem straffen Karriereplan, einem treuen Team um sich und einer die Bevölkerung umarmenden Attitüde, die vor allem anfangs von großen Teilen dieser wohlwollend angenommen wurde. Dazu kommt des Kanzlers Gespür für Stimmungen. Kurz nahm etwa die Flüchtlingskrise auf, um sich als sympathischerer Grenzensicherer der Stimmen der FPÖ-Wähler anzunehmen - vermutlich sein strategisch wertvollster Erfolg.

Bis heute weicht der VP-Chef keinen Millimeter von dieser Linie ab, unbewegt von Widerstand aus welcher Richtung immer. Dabei hatte Kurz als Integrationsstaatssekretär noch eher den liberalen Flügel der Partei bedient, Integrationsbotschafter benannt und von Kopftuchverboten nichts wissen wollen. Eine Flüchtlingskrise später ließ er sich dann doch lieber als Schließer der Balkan-Route feiern.

Kurz wirkt inhaltlich flexibel

Ansonsten wirkt Kurz inhaltlich flexibel, übergroße Visionen scheinen ihn nicht zu plagen, kaum ein Thema scheint ihm besonderes Anliegen zu sein. So wechselte er z.B. in Sachen Corona fließend vom strengen Lockdown-Verordner zum generösen Masken-Abnehmer. Ein Interview diesen Sommer, als er mit Verzicht verbundenen Klimaschutz in Richtung Steinzeit-Politik schob, ließ den Kanzler freilich eher alt aussehen. Sozialpolitisch ist der VP-Chef bemüht, keine allzu großen Flanken offen zu lassen, SPÖ und FPÖ auch hier keinen Platz zu lassen.

Diese beiden Parteien kämpfen indes besonders verbissen gegen den Kanzler an, kein Wunder, ließ er sie doch jeweils kühl in Koalitionen über die Klinge springen mit nachfolgenden eigenen Wahl-Erfolgen. Auch die NEOS, an die Kurz das liberale VP-Wählerpotenzial mangels Masse mehr oder weniger freiwillig abgegeben hat, haben sich der Demontage des Regierungschefs angeschlossen, wiewohl sie Kurz' Lieblingspartner für die Zukunft sein dürften.

Ermittlungen

Derzeit versucht er es mit dem besten aus zwei Welten mit den Grünen, keine gerade einfache Aufgabe für beide Seiten. Auch wenn es dem VP-Chef durchaus gelang, dem neuen Partner das Regieren schmackhaft zu machen, ist der Alltag voller Hindernisse. Im Ringen um den Klimaschutz hat Kurz auch die von ihm stets umgarnte eigene Partei im Nacken, sei es die Wirtschaft, die keine überbordenden Auflagen will, seien es die Länder, die ihre Straßenprojekte umgesetzt wissen wollen.

Als wäre das für ihn nicht schon mühsam genug, muss sich der Kanzler Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, mit der er sich seit längerem Scharmützel liefert, stellen. Ein Strafverfahren droht, weil er im U-Ausschuss seine Rolle bei der Bestellung des vormaligen ÖBAG-Chefs Thomas Schmid zu klein geredet haben, sprich die Unwahrheit gesagt haben soll. Auch wenn es vor Gericht gehen sollte, will der Kanzler bleiben. Dann läge es in der Hand der Grünen, ob Kurz ein zweites Mal vom Parlament aus dem Amt gekickt wird. Beim ersten Mal in Folge der Ibiza-Krise war er ja nur wenige Monate später triumphal ins Kanzleramt zurückgekehrt.

Fotos mit Baby? Mangelware

Zumindest privat werden dem Kanzler die kommenden Monate Freudiges bescheren. Seine langjährige Lebensgefährtin ist erstmals schwanger. Fotos mit Baby dürften allerdings Mangelware bleiben. Kurz bevorzugt prestigereiche Bilder aus der politischen Welt, etwa an der Seite von Donald Trump, Privates bleibt meist privat. Freilich kann es auch die Arbeitslosigkeit des Vaters oder die Pflegebedürftigkeit der Großmutter in seinen Kommunikationskanal schaffen, wenn es gilt, Komplexeres lebensnah zu machen.

Fix ist, die Partei wird ihm in St. Pölten am Samstag ein gutes, vermutlich sogar sehr gutes Ergebnis bescheren. Auch die Länder profitieren vom Kanzlerbonus im Bund, Kritik wird weiter nur hinter vorgehaltener Hand geübt, etwa wegen der heftigen Attacken des Kurz-Umfelds an der Justiz. Damit bleibt für den Kanzler, der die stolze ÖVP dereinst sogar von Schwarz auf Türkis umfärben durfte, zumindest in der eigenen Partei fürs erste alles beim alten, der Spielraum für Fehler ist aber wohl ein wenig kleiner geworden.

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