Zadic kontert Kurz: Sieht
"keine roten Netzwerke"

Ein Thema der mehr als zweistündigen "Aussprache" zur Justiz Montag im Kanzleramt war auch der Versuch parteipolitischer Einflussnahme. Die Standesvertreter verwehrten sich gegen Einflussnahme und politischen Druck und versicherten, dass Justiz und Staatsanwälte unabhängig arbeiten. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) sieht sich mit dem Kanzler Sebastian Kurz einig, dass jeder Versuch der Einflussnahme abzulehnen sei.

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Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) brachte neuerlich den am Wochenende von der ÖVP in Umlauf gebrachten SPÖ-Aktenvermerk aus dem Jahr 1997 aufs Tapet. Sie sah sich durch Aussagen von Ex-SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim bestätigt, dass die SPÖ hier eine "Strategie" verfolgt habe - und appellierte, dass Parteizentralen keinen Einfluss auf die Karriereplanung von Richtern oder Staatsanwälten nehmen dürften.

Cornelia Koller, die Präsidentin der Staatsanwälte-Vereinigung, fand es durchaus gut, dass vergangenen Woche breit über eine mögliche Einflussnahme diskutiert worden sei. Sie erinnerte, dass Angriffe auf die Integrität der Staatsanwälte der Grund für das Treffen im Kanzleramt waren.

Kurz wollte "nur Missstände ansprechen"

Angesprochen auf seine Attacke auf die WKStA, meinte Kurz, "keine Institution sollte sakrosankt sein" - und versicherte, er habe nur Missstände wie die oft lange Verfahrensdauer und "Leaks" in den Ermittlungen ansprechen wollen. Zur Frage, wer Ermittlungsdetails an die Öffentlichkeit spielt, ließ er mit dem Hinweis aufhorchen, ihm hätten zwei "hochrangige" Journalisten im Gespräch erzählt, dass dies durchaus auch seitens der Staatsanwälte geschehe.

Zadic wiederum hat "keine Indizien", dass Aktendetails von den Staatsanwälten herausgespielt worden seien. Sie sieht in der Digitalisierung eine taugliche Maßnahme, um solche Veröffentlichungen zu verhindern - und freute sich, dass der Kanzler das nötige Geld zugesagt hat, um schon länger überlegte Reformen anzugehen und damit sowohl die Korruptionsbekämpfung als auch die Unabhängigkeit der Staatsanwälte zu stärken.

FPÖ und Neos kündigen Anzeige an

Nach der Aussage von Bundeskanzler Kurz, Journalisten hätten ihm mitgeteilt, sie hätten Informationen seitens der Staatsanwaltschaft erhalten; kündigten die Oppositionsparteien FPÖ und Neos Anzeigen an. " Wer sich vor die Presse hinstellt und erklärt, gegen Leaks aus dem Bereich der Staatsanwaltschaft vorgehen zu wollen, der muss auch den ersten Schritt setzen, wenn er über entsprechende Informationen verfügt", so FPÖ-Klubchef Herbert Kickl in einer Aussendung am Montag.
" Nachdem Kurz diesen mutmaßlichen Amtsmissbrauch nach eigenen Angaben bisher vertuscht und nicht zur Anzeige gebracht hat, wird das die FPÖ übernehmen", so Kickl.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger kündigt via Twitter an: "Wir werden eine Anzeige wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs gegen Unbekannt einbringen. Als Zeuge Bundeskanzler Sebastian Kurz. Wenn er öffentlich sagt, dass ihm Medienvertreter erzählt haben, dass sie Infos aus der StA erhalten, dann darf das nicht vertraulich bleiben."

Kurz würde "natürlich" unter Wahrheitspflicht aussagen

In der Justizdebatte hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Montag betont, dass er "natürlich unter Wahrheitspflicht aussagen" würde. Im Interview mit "Puls 24" reagierte Kurz damit auf die von FPÖ und NEOS angekündigten Anzeigen wegen Amtsmissbrauch gegen Unbekannte, die den Bundeskanzler als Zeugen laden wollen, weil er erklärt hatte, zwei Journalisten hätten ihm erzählt, Akten von Staatsanwälten bekommen zu haben.

Wenn er als Zeuge einvernommen werde, dann werde er wie jeder andere auch unter Wahrheitspflicht aussagen, betonte Kurz. Er geht aber davon aus, dass es nicht dazu kommen werde, "weil es zu unspezifisch ist". Außerdem hält es der Bundeskanzler für "nicht sinnvoll", einen Journalisten zu outen, "nur weil er besonders mutig war und sich in den Dienst der Sache gestellt und mir das gesagt hat".

Mehr Geld für Justiz

Mit der zugesagten Aufstockung der Mittel - und damit mehr Supportpersonal, mehr Staatsanwälten und schnellerer Datenauswertung - werde es auch möglich sein, die Verfahren zu beschleunigen. Zur Stärkung des Rechtsschutzes - Kurz und Edtstadler verwiesen hier auf die telefonisch vom Journalrichter genehmigten BVT-Hausdurchsuchungen - denkt sie an eine Aufwertung des Haft- und Rechtsschutzrichters etwa durch einen Dreier-Senat.

Die Staatsanwälte seien "die letzten, die ein Interesse daran haben", wenn Details von Ermittlungen öffentlich bekannt werden, würden sie damit doch an ihrer Arbeit gehindert, trat Koller den "Leak"-Vorwürfen entgegen. Sie begrüße es, wenn der Weg von Akten nachvollziehbarer wird, ließe sich damit doch der "Generalverdacht" gegen ihre Kollegen entkräften.

Zur Beschleunigung der Verfahren will Koller auch bei den Berichtspflichten angesetzt haben. Man sollte sie so weit wie möglich zurücknehmen. Die Vermeidung unnötiger Berichtspflichten ermögliche Staatsanwälten, unabhängig zu arbeiten, merkte die Justizministerin an.

Wirtschaftsagenden nicht herauslösen

Kein Thema in der Unterredung war laut Edtstadler die - vergangene Woche mitdiskutierte - Frage der Kompetenzen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Laut Regierungsprogramm werde dies die Justizministerin evaluieren. Zadic sieht die Sache klar gestellt: Die geplante Präzisierung der Zuständigkeit bedeute nicht, dass die Wirtschaftsagenden herausgelöst werden. Da sie einen sehr großen Teil der Tätigkeit der WKStA ausmachen, käme dies einem "kompletten Umbau" gleich, und darauf habe man sich nicht geeinigt.

Die Unterredung dauerte mehr als zwei Stunden, danach traten Edtstadler, Koller und Christian Haider (Chef der GÖD-Bundessektion Richter und Staatsanwälte), Zadic und schließlich Kurz getrennt vor die Journalisten. Alle drei Regierungsvertreter berichteten von einem "guten Gespräch".

Sieht "keine roten Netzwerke"

Zuvor betonte Zadic, keine von der ÖVP ins Spiel gebrachten roten Netzwerke in ihrem Ministerium zu sehen. "Dem Justizministerium liegen keinerlei Hinweise vor, die ein politisches Agieren einer Staatsanwaltschaft nahelegen würden", heißt es in der im Internet veröffentlichten Stellungnahme. Es stehe außer Frage, dass die Staatsanwaltschaften objektiv und unabhängig ermitteln.

»Das Papier ist aus dem letzten Jahrtausend«

Das von der ÖVP zitierte, 23 Jahre alte Sitzungsprotokoll, in der SPÖ-Justizpolitiker darüber sprachen, Parteigenossen zum Weg in den Richterdienst zu motivieren, wollte Zadic vor dem Treffen im Kanzleramt nicht überbewerten: "Das Papier ist aus dem letzten Jahrtausend."