Spitzentöne
Ein Klang lebt
dynastisch weiter
Spielte der kürzlich verstorbene Ernst Ottensamer in der Oper seinen ersten Ton, schaute jeder Kundige in den Graben
Der oft beschworene "Wiener Klang", der die Philharmoniker aus allen anderen Orchestern hervorhebt, hat nicht in erster Linie mit den Streichern zu tun: Alte, kostbare Violinen klingen weltweit gleich, eher sind es interpretatorische Finessen, die den Ruf der Wiener Streicher ausmachen. Der "Wiener Klang" kommt vielmehr von den Bläsern: Sie spielen zum Teil Instrumententypen, die kaum anderswo im Gebrauch sind. Das betrifft die Hörner und Oboen und, im hohen Maß, die Klarinetten. Dieses von Mozart geliebte, der menschlichen Stimme so nahe Instrument wird von philharmonischen Solisten über Generationen in legendärer Qualität gespielt, und einer ihrer größten war Ernst Ottensamer, der in der Vorwoche, 61 Jahre alt, einem Herzinfarkt erlegen ist. Spielte er in der Oper seinen ersten Ton, schaute jeder Kundige in den Graben: Da war eine Stimme von solch betörender, eigenartiger Gesanglichkeit, dass sie auch aus einem Hundert-Mann-Orchester hervorleuchtete, ohne den Strom des großen Ganzen zu verlassen. Zuletzt musste man zweimal hinsehen: Auch sein Sohn Daniel ist philharmonischer Soloklarinettist, und sein anderer Sohn, Andreas, übt das Amt bei den Berliner Philharmonikern aus. Das bei den Philharmonikern oft gepflogene dynastische Prinzip mit der Weitergabe unbezahlbarer Berufsgeheimnisse ist hier zu seltener Vollendung gelangt. Im Verlust zeigt sich das Segensreiche dieses Prinzips.