Was ist #ZeroCovid?

Eine Initiative fordert den totalen Lockdown, um die Pandemie zu beenden. Ist das realistisch?

Die Regierung lockert ab nächster Woche die Corona-Maßnahmen etwas, die Menschen sind dieser schon müde. Für die InitiatorInnen der Initiative #ZeroCovid ist dies aber wohl der komplett falsche Weg, denn sie fordern einen ultimativen Lockdown - bis die Ansteckungen bei Null sind. Was steckt dahinter - und wie realistisch wäre ein solches Szenario?

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Pandemie - Was ist #ZeroCovid?

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Was ist #ZeroCovid?

#ZeroCovid ist eine Initiative, die sich nicht mit der Minimierung der Corona-Neuinfektionen auf eine Sieben-Tages-Inzidenz von 100, 50 oder noch weniger zufrieden gibt, sondern einen extremen Shutdown fordert, bis die Zahl der Neuansteckungen tatsächlich null beträgt. Die bisherigen Maßnahmen, die Pandemie zu kontrollieren, hält die Initiative für gescheitert.

Wer fordert das?

Die deutsch-österreichisch-schweizerische Initiative beruht zwar auf einer Strategie namens "ContainCovid", die von einer Gruppe europäischer WissenschaftlerInnen erstellt und im Dezember in "The Lancet" veröffentlicht wurde, stammt aber eher aus dem linken Spektrum. Zu den Initiatoren zählen ÄrztInnen, Pflegekräfte, JournalistInnen, AutorInnen, KünstlerInnen, LehrerInnen oder KlimakativistInnen.

Was sind die genauen Forderungen?

  • Kontakte auf ein Minimum beschränken - auch am Arbeitsplatz. Alle nicht-lebensrelevanten Bereiche der Wirtschaft sollen für eine Zeit stillgelegt werden
  • Damit niemand "zurückbleibt", soll es Rettungspakete geben, allerdings nicht für die Wirtschaft, sondern "für Menschen"
  • Die Löhne im Gesundheits- und Pflegebereich sollen erhöht werden
  • Patente auf Impfstoffe sollen abgeschafft werden, um nicht wenigen hohe Profite zu ermöglichen, sondern für alle Menschen überall zur Verfügung zu stehen
  • Um das alles finanzieren zu können, sollen Steuern auf hohe Vermögen, Unternehmensgewinne und Finanztransaktionen eingehoben werden (europaweit)

Was sagen ExpertInnen/WissenschaftlerInnen zu diesen Forderungen?

Viele Expertinnen und Experten sprechen sich zwar ebenfalls für einen scharfen, wirksamen Lockdown aus, um so die Neuansteckungen gegen Null zu drücken, so meinte auch Christian Drosten im "Spiegel", es sei erstrebenswert, "auf die Null zumindest zu zielen", oder der österreichische Gesundheitsökonom Thomas Czyprionka im "Falter", dass man nach drei Wochen sehr harten Lockdowns "ganz anders dastehen" würde, "dann wären die Infektionsketten durchbrochen". Doch die Forderungen von #ZeroCovid gehen den meisten ExpertInnen zu weit, denn die Initiatoren verbinden diese mit einem gesellschaftlichen Umbau (Enteignung der Pharmaunternehmen, Reichensteuer), den etwa die "taz" als "halbtotalitäre Fantasie" bezeichnet. Auch der Innsbrucker Infektiologe und Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin, Günter Weiss, bezeichnet die Idee als "realitätsfernes Wunschdenken", das nur von "Theoretikern" stammen könne.

Wie realistisch ist eine Umsetzung der #ZeroCovid-Strategie?

Nicht sehr. Zwar haben bislang über 90.000 Menschen die Initiative unterschrieben und auch sonst stünden viele Menschen wohl einem harten, dafür kurzen Lockdown statt des ständigen Auf- und Zusperrens aufgeschlossen gegenüber, doch die konkreten Forderungen in Kombination mit dem einhergehenden gesellschaftlichen Umbau sind in ihrer Umsetzung unrealistisch. Und auch "nur" die Verschärfung der Corona-Maßnahmen und des Shutdowns rücken aufgrund der vielen negativen psychischen oder wirtschaftlichen Folgen sowie auch des gesellschaftlichen Drucks (tausende Menschen, die auf die Straße gehen - in den Niederlanden kam es sogar zu gravierenden Ausschreitungen) eher in die Ferne als näher. Vielmehr geht es derzeit in die andere Richtung, die Richtung einer vorsichtigen Öffnung.

Ist #ZeroCovid dasselbe wie "No Covid"?

Nein. Unter dem Titel "No Covid" fordern ForscherInnen aus Medizin und Wirtschaft einen europaweiten Plan, aber nicht mehr Verbote. Vielmehr geht es um einen "klügeren und effizienteren" Lockdown und eine koordinierte Vorgehensweise in ganz Europa. Dabei sollen etwa Grenzen nicht geschlossen werden, sondern Reisende konsequenter getestet. Auch sehen die ForscherInnen etwa Kontakte in immer gleichen Blasen weniger problematisch als ständig wechselnde Kontakte. Bedingungen für Home Office und Online-Unterricht sollen verbessert werden und an Arbeitsplätzen und Schulen mehr getestet. Im Grunde geht es um mehr Kontrolle des Virusgeschehens, um im Gegenzug wieder mehr Freiheiten zu ermöglichen. Die #ZeroCovid-Strategie lehnen die ForscherInnen des "No Covid"-Gedankens wegen der wirtschaftlichen Folgen strikt ab.