Warum Trump gerade
jetzt mit Krieg zündelt

Mit der gezielten Tötung eines iranischen Top-Generals hat US-Präsident Donald Trump den schwelenden Konflikt mit Teheran erst zum Kochen gebracht, um sich anschließend um Deeskalation zu bemühen. Eine Bemühung, die als Verschnaufpause und nicht als Schlusspunkt bewertet werden sollte. Das Zündeln mit Krieg bleibt eine gefährliche Taktik in der Wahlkampfstrategie eines angeschlagenen Präsidenten.

von Kollisionskurs - Warum Trump gerade
jetzt mit Krieg zündelt © Bild: Getty Images

Auch wenn Trump versichert, die USA wollten damit keinen Krieg anzetteln: Trumps Befehl hat eine Eskalationsspirale angestoßen, die nur schwer zu stoppen sein dürfte. Einige Experten sprechen schon vom riskantesten Manöver amerikanischer Nahost-Politik seit dem Einmarsch im Irak 2003.

Nach dem Angriff auf den iranischen General Qassem Soleimani durch US-Kräfte könnte es jederzeit zu einer Welle der Gewalt kommen: Teheran könnte als Vergeltung US-Soldaten oder amerikanische Staatsbürger töten. Trump wäre unter Zugzwang, noch härter zurückzuschlagen. Zum Auftakt des US-Wahljahres könnte Trump eigentlich nichts weniger gebrauchen als einen Krieg mit Nachrichten über gefallene Soldaten und steigende Ölpreise. Die Amerikaner sind nach den traumatischen Erfahrungen im Irak und Afghanistan kriegsmüde - nicht umsonst verspricht Trump am laufenden Band, die "endlosen Kriege" zu beenden und die Soldaten nach Hause zu bringen.

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Warum also riskiert Trump ausgerechnet jetzt eine militärische Konfrontation mit dem Iran? Einen Höhepunkt in einem Konflikt, der 2018 seit der einseitigen Aufkündigung des internationalen Atomabkommens mit dem Iran durch die USA zu immer neuen Spannungen geführt hat?

Mehr als eine Antwort auf Provokationen

Nach Trumps Darstellung arbeitete der nun getötete General Qassem Soleimani an "finsteren" Anschlagsplänen auf US-Ziele. Entschlossene Maßnahmen wie die Tötung des Generals seien immer mit einem Risiko verbunden, sagt Trumps Nationaler Sicherheitsberater Robert O'Brien. Das Risiko sei aber noch größer, wenn keine entschlossenen Maßnahmen ergriffen würden. Ein hoher Regierungsmitarbeiter im US-Außenministerium formuliert es so: "Wir sprechen mit einer Sprache, die das Regime versteht."

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Hinter der Tötung von Soleimani, vor der Trumps Vorgänger George W. Bush und Barack Obama zurückgeschreckt sein sollen, dürfte aber noch mehr stecken. Trump sah sich im Iran-Konflikt von manchen Republikanern mit der Kritik konfrontiert, zu nachsichtig zu sein. Iranische Provokationen in der Straße von Hormuz blieben unbeantwortet, nach dem Abschuss einer US-Drohne sagte Trump im vergangenen Jahr einen Gegenschlag nach eigener Darstellung in letzter Minute ab. Selbst ein groß angelegter Angriff auf Ölanlagen in Saudi-Arabien im September blieb in militärischer Hinsicht ungesühnt, Trumps Regierung verlegte aber nochmals mehr Soldaten in den Nahen Osten.

Die fortlaufende Verschärfung von US-Sanktionen gegen Teheran hat bisher vor allem dazu geführt, dass die Spannungen zwischen den beiden Ländern immer weiter eskalierten. Manche Experten sehen die immer aggressivere Haltung des Iran sogar als Ergebnis von Trumps Politik. Der Iran habe wegen der durch die Sanktionen ausgelösten Wirtschaftskrise mit dem Rücken zur Wand gestanden und deshalb damit begonnen, um sich zu schlagen - so die Logik.

Geschicktes Ablenkungsmanöver

Mit der Tötung Soleimanis hat Trump ein unmissverständliches Zeichen gesendet - und kann sich wenige Monate nach der Tötung des Anführers der Terrormiliz Islamischer Staat, Abu Bakr al-Bagdhadi, nun auch mit entschlossenem Handeln gegen den Iran brüsten. "Unter meiner Führung ist Amerikas Politik gegenüber Terroristen eindeutig", die Amerikanern Schaden zufügen wollten, sagt Trump. "Wir werden euch ausfindig machen, wir werden euch auslöschen", droht er. "Die Welt wird ein sichererer Ort ohne diese Monster sein."

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Die dramatische Zuspitzung des Iran-Konflikts hat, so zynisch es klingen mag, für den US-Präsidenten noch einen positiven Nebeneffekt: Sie lenkt von der innenpolitischen Gemengelage ab, die Trump in der Heimat erheblich unter Druck setzt. Als dritter Präsident in der Geschichte der USA muss er sich einem Amtsenthebungsverfahren im Senat stellen. An das Impeachment ist dieser Tage nicht zu denken. Auch der festgefahrene Atomstreit mit Nordkorea, der zum Jahreswechsel wieder für Schlagzeilen sorgte, ist in den Hintergrund gerückt.

Der Schlag gegen den Iran treibt in Washington unterdessen einen weiteren Keil zwischen die politischen Lager: Angesichts der ungewissen Konsequenzen des Militärschlags zweifeln die Demokraten an, ob das Vorgehen von Trump als Oberbefehlshaber der Streitkräfte verhältnismäßig war. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, gefordert, Trump müsse den Kongress beteiligen, bevor er militärisch gegen den Iran vorgehe. Dem Vorwurf einiger, das Vorgehen im Irak sei nicht rechtmäßig gewesen, widerspricht das US-Außenministerium.

Atomabkommen vor dem Zerbröseln

Der Luftangriff verschärft die Sicherheitslage in der Region nicht nur wegen einer angedrohten Racheaktion des Iran, der im Nahen Osten zahlreiche Möglichkeiten hat, zurückzuschlagen. Er könnte auch die nuklearen Ambitionen des Landes anstacheln: Infolge der einseitigen Aufkündigung des Abkommens durch Trump hatte Teheran zuletzt langsam damit begonnen, sein Atomprogramm wieder hochzufahren.

Das Atomabkommen - mit dem ein Wettrüsten im Nahen Osten und mögliche US-Militäraktionen dagegen verhindert werden sollten - sei damit wohl endgültig hinfällig, schrieb am Freitag etwa Iran-Experte Ali Vaez der Denkfabrik International Crisis Group. Jetzt dürfte die Führung in Teheran den Weg zur Atombombe beschleunigen wollen, um eine effektive Abschreckung vor weitergehenden US-Angriffen zu haben. Das Abkommen von 2015 sollte verhindern, dass der Iran Atomwaffen entwickelt.

Endgültiger Abzug nicht ausgeschlossen

Die jüngste Eskalation und die Verletzung der irakischen Souveränität bergen ein weiteres Risiko: dass der Irak die rund 5.000 US-Soldaten aus dem Land verweisen wird. Das wiederum würde wohl auch einen Abzug aus dem benachbarten Syrien notwendig machen, warnt der Experte William Wechsler von der Denkfabrik Atlantic Council. "Die mögliche Kombination eines US-Abzugs nach dem Zünden eines Streichholzes, das die Region wieder in Flammen aufgehen lässt, würde die langfristigen US-Interessen untergraben", schreibt Wechsler.

Selbst wenn die US-Soldaten den Irak verlassen müssten: Einen Ausweg für die Truppen aus der gesamten Region vor dem Ende seiner Präsidentschaft - sei es in einem Jahr oder in fünf Jahren - dürfte sich Trump mit seinem Vorgehen verbaut haben, mutmaßen Beobachter. Ob seine Wähler und Verbündeten den Kurs gutheißen, wird wohl davon abhängen, wie sehr die Lage eskaliert.

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