Regierung lädt Sozialpartner
zu Sozialversicherungsgipfel ein

Die schwarz-blaue Regierung lud erstmals die vier Sozialpartner-Präsidenten zu einem Gipfel ein. Thema des Gesprächs waren die weiteren Schritte zur Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger von derzeit 21 auf künftig fünf. Auch der Kampf gegen die Zwei-Klassen-Medizin sollte thematisiert werden.

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An dem "Sozialversicherungs-Gipfel" nahmen von Regierungsseite Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) teil. Die Sozialpartner waren mit ihren Präsidenten Renate Anderl (Arbeiterkammer), Wolfgang Katzian (ÖGB), Harald Mahrer (Wirtschaftskammer) und Josef Moosbrugger (Landwirtschaftskammer) vertreten. Eingeladen war auch der Vorsitzende des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, Alexander Biach.

Wichtiger Schritt zur Verschlankung des Systems

Die Regierungsspitze ist sich einig, dass mit der Zusammenlegung der Sozialversicherungen ein wichtiger Schritt zur Verschlankung des Systems gesetzt wird. "Wir setzen nun das um, was seit Jahrzehnten gefordert, aber nie realisiert wurde. Das System wird transparenter und schlanker. Gleichzeitig bekommen endlich auch alle innerhalb der Kassen die gleiche Leistung bei gleichen Beiträgen", erklärten Kurz und Strache in einer schriftlichen Stellungnahme.

»Gangbetten, lange Wartezeiten auf Operationen und überfüllte Ambulanzen wollen wir nicht weiter so hinnehmen«

Für Kurz ist die Sozialversicherungsreform "notwendig, weil es immer mehr zu einer Schieflage im Gesundheitssystem kommt. Die Bundesregierung will der immer stärker werdenden Zwei-Klassen-Medizin ein Ende setzen", kündigte der Bundeskanzler an. "Gangbetten, lange Wartezeiten auf Operationen und überfüllte Ambulanzen sind in unserem Gesundheitssystem inakzeptabel und wollen wir nicht weiter so hinnehmen", erklärte Kurz.

Mehr Wahlärzte, weniger Kassenärzte

Lösen möchte die Bundesregierung auch das Problem der zunehmenden Anzahl an Wahlärzten und den damit verbundenen Mehrkosten für Patienten. So habe alleine in Wien in den vergangenen vier Jahren die Zahl der Wahlärzte um 350 zugenommen und im gleichen Zeitraum die Zahl der Kassenärzte um 100 abgenommen.

Zum Thema Wartezeiten verweist die Regierung darauf, dass Patienten auf Operationen bis zu einem Jahr warten müssen, im Otto-Wagner-Spital in Wien habe 2016 beispielsweise die Wartezeit auf eine Hüft-OP durchschnittlich 212 Tage betragen. Als Beispiel für überfüllte Ambulanzen wird angeführt, dass es etwa im Donauspital im Februar 2016 zwei Ärzte für 450 kranke Kinder gegeben habe. Und zum Thema Betrug wird ins Treffen geführt, dass in den letzten drei Jahren Berichten zufolge österreichweit 600.000 E-Cards verschwunden seien.

Strache hält Reform für "unumgänglich"

Strache hält deshalb eine Reform der Sozialversicherungen für "unumgänglich, wenn unser Gesundheitssystem auch in Zukunft hervorragende Leistungen für die Menschen bieten soll. Ansonsten steht unserem Land eine Zwei-Klassen-Medizin bevor, und das kann niemand wollen. Würdelose Gangbetten und inakzeptable Wartezeiten wie heute üblich, dürfen nicht hingenommen werden, sondern müssen bekämpft werden."

Im Vorfeld des als Sozialversicherungsgipfel titulierten Gesprächs im Bundeskanzleramt hatte es viel Kritik an der mangelnden Einbindung der Sozialpartner bei der Kassenreform gegeben. Nach dem etwas mehr als einstündigem Gespräch war die Stimmung dann gelöster. Ein gemeinsames Auftreten aller Beteiligten gab es zwar nicht, immerhin fanden die Medienstatements aber nacheinander im selben Raum statt.

Gesprächspartner zeigten sich zufrieden

Zunächst waren es Katzian und Anderl, die die Zufriedenheit der roten Sozialpartner zum Ausdruck brachten. Katzian sprach von einem konstruktiven Gespräch, es sei umfassende Information zugesichert worden: "Ob der Dialog etwas Dauerhaftes wird, kann ich, kann die Frau Präsidentin Ihnen nicht sagen." Anderl sah das ähnlich. "Wir gehen davon aus, dass alles so eingehalten wird, wie es heute vereinbart wurde", meinte sie jedenfalls. Sonstige Vereinbarungen seien noch nicht getroffen worden.

Den zweiten Auftritt absolvierte Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer gemeinsam mit Biach, jedoch ohne Moosbrugger, der an dem Treffen ebenfalls teilgenommen hatte. Auch hier wurde Zufriedenheit ausgestrahlt. "Ich möchte mich bei der Regierung bedanken, dass dieser so wichtige Prozess nun gemeinsam gegangen wird", betonte Biach, der sich zuletzt mit Kritik am Vorgehen der Regierung nicht zurückgehalten hatte.

Dialog soll Anfang September fortgesetzt werden

Zuletzt traten Kanzler Kurz und Vizekanzler Strache auf, flankiert von Wöginger und Hartinger-Klein. Die beiden letzteren sollen Anfang September den Dialog mit den Sozialpartnern fortsetzen, gab Kurz bekannt. Er betonte, dass man zur Einbindung bereit sei, dass eine Nicht-Einigung der Sozialpartner die Reform - anders als in der Vergangenheit - aber nicht verhindern werde: "Die Umsetzung soll und wird jetzt auch Realität werden." Dass das Treffen erst jetzt stattfinde, begründete er mit dem Wechsel der Köpfe an der Spitze der verschiedenen Organisationen.

Strache versprach, dass man die Überlegungen der Sozialpartner einfließen lassen wolle, bevor das Gesetz zur Sozialversicherungsreform in Begutachtung gegen werde. Es seien viele Baustellen im Gesundheitswesen offen, die oft zugedeckt würden. Strache sprach hier erneut von langen Operationswartezeiten, Gangbetten und generell zu wenig Kosteneffizienz.

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