Reaktionen auf
Moscheenschließung

Die Türkei kritisiert die von der österreichischen Bundesregierung am Freitag verkündete Moscheenschließung und Ausweisung von Imamen heftig.

von
"Rassistisch" - Reaktionen auf
Moscheenschließung

Die Maßnahme sei ein Ausdruck "der islamophoben, rassistischen und diskriminierenden Welle, die durch dieses Land geht", schrieb Präsidentensprecher Ibrahim Kalin auf Twitter.

Es sei ein versuchter "Angriff auf muslimische Gemeinden", um "politisches Kleingeld daraus zu schlagen", schrieb der Sprecher von Recep Tayyip Erdogan weiter. Die "ideologisch aufgeladenen" Praktiken der Regierung stünden im Widerspruch zu den grundlegenden Rechtsnormen, sozialer Integrationspolitik, Minderheitenrechten und der "Ethik des Zusammenlebens". Anstrengungen, "Islamophobie zu etwas Normalem zu machen", müssten ebenso wie Rassismus "in jedem Zusammenhang" zurückgewiesen werden.

Politikwissenschafter sieht populistische Vorgangsweise

Politikwissenschafter Thomas Schmidinger hält die Vorgangsweise der Bundesregierung und beim Schließen der Moscheen für populistisch. Dass die Bekanntgabe ausgerechnet zum Zeitpunkt der Türkei-Auslandswahl erfolgt, spiele Präsident Recep Tayyip Erdogan in die Hände, erklärte Schmidinger am Freitag im Gespräch mit der APA. Gegnern des Regimes in der Türkei sei damit nicht geholfen.

Schmidinger erklärte, er sei kein besonderer Freund des Islamgesetzes und von Verboten. Wenn man aber Gesetze beschließt und diese ernst nimmt, müssen sie auch eingehalten werden. "Ich bin nicht sonderlich überrascht, dass das Gesetz was die Auslandsfinanzierung betrifft, nicht eingehalten wird. Ich verstehe es, dass man dann durchgreift." Es sei aber fraglich, ob das irgendetwas zum Positiven verändert. Viel eher werde sich dadurch die ATIB noch mehr an den Rand gedrängt fühlen und versuchen, die Imame mit legalen Umgehungsstrukturen zu finanzieren. Schmidinger glaubt nicht, dass die ATIB nun weniger von der Türkei gesteuert werde. Die Finanzierung aus dem Ausland laufe über eine Gehaltsüberweisung des Amts für religiöse Angelegenheiten (Diyanet), von dort gebe es regelmäßige Überweisungen, war aus dem Kultusamt zu erfahren.

Bildung statt Verbote

Unter anderem wurde dem Moschee-Verein "Nizam-i Alem" in Wien-Favoriten der Betrieb untersagt, da diese Moschee in Verdacht steht, unter Einfluss der als extremistisch und faschistisch eingestuften türkischen "Grauen Wölfe" zu stehen. Dazu erklärte Schmidinger, dass diese von einer "definitiv rechtsextremen Partei" betrieben werde, die sich von den "Grauen Wölfen" abgespalten habe, da ihnen diese "zu gemäßigt" seien: "Das ist eine gefährliche Bewegung." Der Politikwissenschafter ist aber skeptisch, inwiefern eine Verbotspolitik die Haltung der Betroffenen ändern kann. Österreich habe "aus gutem Grund einen Gesinnungsparagrafen" betreffend Nationalsozialismus. Was andere Formen von Rechtsextremismus und autoritäre Einstellungen betrifft, hält er es für sinnvoller, diesen anders zu begegnen als mit einem Verbot. Denn damit würde diese Gruppierungen eher in den Untergrund gedrängt, vermutet Schmidinger.

Passend dazu: Das sind die "Grauen Wölfe" in Österreich

Sinnvoller wäre aus seiner Sicht, dem türkischen Rechtsextremismus im Bereich der Bildung gegenzusteuern. Schmidinger fürchtet, dass die Aktion im Kontext mit den türkischen Wahlen "Wasser auf den Mühlen der Rechten ist". In der Türkei werde man wohl sagen: "Die bösen Türkeihasser verbieten jetzt schon Moscheen in Europa." Daher sei der Zeitpunkt besonders unglücklich gewählt. Der Politikwissenschafter geht eher davon aus, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit dem Zeitpunkt ein "populistisches Signal" an die Österreicher senden möchte. "Den Gegnern des autoritären Regimes in der Türkei ist damit sicher nicht geholfen."

In Österreich leben rund 100.000 wahlberechtigte türkische Staatsbürger. Sie können ihre Stimme an den drei Generalkonsulaten in Wien, Salzburg und Bregenz abgeben. Die Wahllokale sind bis zum 19. Juni geöffnet

SPÖ und NEOS grundsätzlich positiv, Grüne sehen Wahlhilfe

Die Opposition steht der von der Regierung verfügten Schließung von sieben Moscheen grundsätzlich positiv gegenüber. Aber die Grünen warfen der VP-FP-Koalition vor, Wahlhilfe für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu betreiben - ist doch seit gestern die Stimmabgabe dafür in den türkischen Konsulaten möglich. Für die SPÖ ist es "die erste gescheite Maßnahme dieser Regierung".

"Der Zeitpunkt dieser Entscheidung ist nicht zufällig gewählt worden", mutmaßt Michel Reimon, Co-Delegationsleiter der Grünen im Europaparlament, in einer Aussendung. Zwar könne es richtig sein, islamistische Moscheen zu schließen, wenn man Islamismus schwächen will. Aber Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gehe es wohl um einen "starken türkischen Präsidenten als Feindbild für seine Anti-Islam-Kampagne".

Grundsätzlich "die erste gescheite Maßnahme dieser Bundesregierung" sind die Maßnahmen für SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher. Den Zeitpunkt habe Schwarz-Blau aber "wie immer bewusst marketingtechnisch gewählt" - um von für die Bevölkerung nachteiligen Maßnahmen wie 12-Stunden-Arbeitstag oder Einführung der CETA-Schiedsgerichte abzulenken. Und "bewusst gelogen" habe Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), wenn er behaupte, dass die SPÖ nichts unternommen habe. SPÖ-Staatssekretärin Muna Duzdar habe die Vorkommnisse schon am 1. Oktober 2017 an das damalige ÖVP-Innenministerium gemeldet.

"Liberale Demokratien müssen sich gegen ihre Gegner wehren - und dazu zählt auch der politische Islam", stellte NEOS-Wien-Landessprecherin Beate Meinl-Reisinger fest. Die NEOS wollen sich - nach der Causa BVT - jedoch "genau anschauen", ob Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) diesmal rechtsstaatlich einwandfrei gehandelt hat.

Liste Pilz drängt auf mehr Maßnahmen gegen Radikalisierung

Die Schließung von radikaler Einrichtungen und Moscheen sei zwar ein erster Schritt. Aber die Regierung müsse das Problem der Radikalisierung an den Wurzeln anpacken - und mehr Geld für Integrationsmaßnahmen samt Aus- und Weiterbildung zur Verfügung stellen, um der Perspektivenlosigkeit Jugendlicher entgegenzusteuern, stellte Alma Zadic, Menschenrechtssprecherin der Liste Pilz, in einer Aussendung fest.

Salvini: "Nein zum religiösen Extremismus"

Der italienische Innenminister und Vizepremier Matteo Salvini begrüßt die von der österreichischen Bundesregierung am Freitag verkündete Moscheenschließung und Ausweisung von Imamen. "Ich glaube an Religionsfreiheit, nicht an religiösen Extremismus. Wer den Glauben nutzt, um die Sicherheit eines Landes zu gefährden, muss ausgewiesen werden", twitterte Salvini.

Der Chef der rechten Lega, Koalitionspartner der Fünf-Sterne-Bewegung in der neuen Regierung um Premier Giuseppe Conte, kündigte ein Treffen mit Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) kommende Woche an. "Ich hoffe, den österreichischen Amtskollegen schon kommende Woche zu treffen, um über eine Aktionslinie zu beraten", so Salvini. Wann und wo das Treffen stattfinden wird, gab Salvini nicht bekannt.

Anti-österreichische Stimmung in der Türkei angeheizt

Die Entscheidung der österreichischen Bundesregierung, Imame der türkischen Religionsgemeinschaft ATIB auszuweisen, hat in der Türkei auf Twitter zu heftigen Reaktionen geführt. Ibrahim Kalin, Sprecher von Präsident Recep Tayyip Erdogan schrieb im Kurznachrichtendienst von einer "islamophoben, rassistischen und diskriminierenden Welle, die durch dieses Land geht".

Unter seinen 1,25 Mio. Followern führte das zu harschen anti-österreichischen Reaktionen. Nur auf Twitter verurteilen reiche wohl nicht, schreiben einige, es müsse konkrete Gegenmaßnahmen geben. "Man sollte den Botschafter ausweisen", schreiben mehrere Follower, "nutzen wir die Gelegenheit und schließen die Kirchen und weisen die Priester aus" ein anderer. Mehrere Forderungen kommen, Österreicher oder zumindest österreichische Priester, "sollte es solche geben" des Landes zu verweisen. Mehrere Forderungen nach Öffnung der inzwischen zum Museum umgewandelten ursprünglichen Kirche Hagia Sophia (Ayasofya) zum islamischen Gebet sind dabei. Mehrfach kommt der Vergleich mit nationalsozialistischem Verhalten. "Ibrahim Kalin, geh hin nach Wien wie Süleyman der Prächtige und schütze das Recht der Gläubigen", schreibt einer. Grundsätzlich sei dies die Einstellung "der Kreuzritter".

Kritiklos kommt Kalin auf Twitter aber nicht davon. Mancher Follower beschwert sich über fehlende Menschenrechte in der Türkei und den Entzug der Pässe einiger, der Zusammenarbeit mit dem Prediger Gülen Verdächtigter. Er wird von seinen Followern auch darauf hingewiesen, dass die Türkei die Zahl der religiösen Schulen (Imam Hatip) deutlich erhöht habe‏. Und auch der Hinweis, dass die österreichische Entscheidung nun wohl der AKP von Erdogan bei der am 24. Juni anstehenden Wahl helfen werde, fehlt nicht.

Die türkischen Medien blieben in ihren Internetausgaben in ihren Berichten über die österreichische Entscheidung zunächst in der Regel recht sachlich. Einzelne kritische Bewertungen blieben aber nicht aus. "Eine skandalöse Entscheidung in Österreich. Sie schließen die Moscheen" titelte etwa die Zeitung Hürriyet. "Der als 'Wunderkind' gefeierte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat sein hässliches Gesicht gezeigt", schreibt die Zeitung "Askam".

Kommentare

Mailyn P.

Die schlechteste Massnahme für Österreich wäre wenn R. Erdogan all seine Anhänger in die Türkei zurück holen würde. Die dadurch ausgelöste Wirtschaftskrise aus Mangel an hochqualifizierten Fachkräften wäre ein schwerer Schlag für Österreich.
Allerdings wären dann die Sozialkassen in Kürze wieder so randvoll, dass man gar nicht weiss, was man mit dem vielen Geld anfangen soll.

Sollen sich um ihren Mist kümmern und wegräumen!! Davon haben sie Berge!! Türkei gehört ohnehin nicht zu Europa, daher soll man uns in Ruhe lassen!!

Seite 1 von 1