Politikerspesen: Eine
Frage der Kontrolle

Heinz-Christian Strache läuft für die Wien-Wahl und für den Nachweis seines Hauptwohnsitzes wieder auf Hochtouren. Auf Hochtouren laufen aber auch Ermittlungen gegen ihn, die sich mit den Spesenvorwürfen in seiner Zeit als FPÖ-Chef und Vizekanzler befassen. In Anbetracht dieser Vorwürfe stellt sich auch die Frage, ob Regelungsbedarf im österreichischen Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz sowie im Parteienförderungsgesetz bestehen könnte.

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Frage der Kontrolle © Bild: iStockPhoto.comYuri_Arcurs

In den letzten Wochen und Monaten sind immer wieder kuriose Spesenvorwürfe gegen Heinz-Christian Strache aufgetaucht. Von einem monatlichen Mietkostenzuschuss für sein Haus in der Höhe von 2.500 Euro war da die Rede. Aber auch von Taxi-Rechnungen, Kosten für eine Geburtstagsfeier oder sogar Rechnungen für Handyspiele und Medikamente. Der ehemalige Chef der FPÖ dementiert, es gilt die Unschuldsvermutung. Dennoch fragt man sich zwangsläufig, wie viel Politikern in Österreich theoretisch alles durchgehen könnte.

Zusatzeinkommen sind legitim

Für Politikwissenschaftler und Juristen Hubert Sickinger gilt es in der aktuellen Debatte zwischen vorhandenen Defiziten und einer Regelungswut sinnvoll abzuwägen. "Natürlich sollte es seitens der Bundesgesetzgebung genauere Regelungen im Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz geben. Wenn ein Regierungsmitglied oder ein Abgeordneter dem Zuverdienst-Verbot unterliegt, und der Unvereinbarkeitsausschuss ein Nebeneinkommen nicht ausdrücklich genehmigt hat, sollte es entsprechende Strafsanktionen geben."

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Auf der anderen Seite könne man einer Partei nicht vorschreiben, wie viel sie ihren Obleuten und Funktionären - auch zusätzlich zu einem öffentlichen Einkommen - bezahlt. "Da sehe ich keinen Regelungsbedarf, das ist Sache der Partei", so Sickinger. Im Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz ist auch klar geregelt, dass Zusatzeinkommen grundsätzlich zulässig sind, sofern sie dem zuständigen Vertretungskörper gemeldet und sie genehmigt werden.

Tatsächlich hat von den 183 Abgeordneten im Parlament nur rund ein Viertel (43 Abgeordnete) keine Nebeneinkünfte angegeben. Dass es keine gesetzliche Obergrenze für Nebeneinkünfte und nur eine letzte nach oben offene Kategorie im Gesetzestext gibt, könnte man durchaus kritisieren. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass bei einer Einführung von Kategorien jenseits der monatlichen 10.000 Euro zurzeit (Stand: Juli 2020) ohnehin nur zwölf Mandatare betroffen wären.

Spesen in der Grauzone politischer Willensbildung

Gehen Nebeneinkünfte von der Partei an den Politiker oder werden Spesen von ihm an die Partei verrechnet, gilt es, dass das Geld zweckgebunden für die "Mitwirkung an der politischen Willensbildung" beiträgt und kein eigennütziges Interesse einzelner Personen dahintersteckt. Mit dieser vagen Formulierung begibt man sich im Parteien-Förderungsgesetz in eine Grauzone.

Dennoch seien beispielsweise private Partys in der Spesenabrechnung schwer zu rechtfertigen. "Es gibt schon Veranstaltungen, die hauptsächlich in den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit der Partei fallen können", räumt Sickinger ein. "Wenn Sie Finanzbeamte oder Experten im Steuerrecht fragen, werden sie bei der Geburtstagsparty eines Politikers aber ein überwiegend privates Interesse feststellen. Genauso würde man wohl auch derartige Spesenabrechnungen einschätzen müssen", ergänzt der Politikwissenschaftler. Eine stärkere Bindung öffentlicher Förderungen an Verwendungszwecke wäre für Sickinger dennoch nicht zielführend.

Wenig Kontrolle, verlorenes Geld

Was aber passiert, wenn sich herausstellen sollte, dass Geld von einer Partei verwendet wird, um einem Politiker ein nach dem Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz gesetzwidriges Zusatzeinkommen zu verschaffen? Zwar ist es nicht erlaubt, das Geld aus der Parteienförderung für einen Zweck auszugeben, der rechtlich nicht zulässig ist. Tritt dieser Fall jedoch ein, war das Geld bisher offenbar verloren: "Dass die Partei das Geld dem Land oder dem Bund zurückzahlt, ist laut Gesetz nicht vorgesehen", so Sickinger. "Man kann eine derartige Rückzahlungspflicht zwar durch Interpretation in die Parteienförderungsgesetze hineinlesen, bisher hat es meines Wissens nach aber noch nie eine derartige Rückzahlungsforderung des Bundes oder eines Landes gegeben."

Dass prinzipiell die einzige Kontrolle darin besteht, dass die Parteien einen Rechenschaftsbericht abzugeben haben, sei jedenfalls definitiv zu wenig. Experten fordern schon lange, dass bei konkretem Verdacht auf missbräuchliche Verwendung von Parteienförderungsmitteln eine Instanz von außen auf die Parteifinanzen schauen muss. "Die Kontrollbestimmungen haben verbessert zu werden, aber auch allfällige Sanktionsmechanismen. Werden zum Beispiel Gelder aus der Parteiförderung zweckwidrig ausgegeben, dann sind sie natürlich zurückzubezahlen. Da sehe ich schon erweiterten Handlungsbedarf", fasst Sickinger zusammen.

Österreich, Land der Korruption?

Dass diesbezüglich Defizite in Österreich vorhanden sind, bescheinigt auch der Jahresbericht der Staatengruppe gegen Korruption (GRECO). Daraus ging Anfang Juni hervor, dass Österreich den überwiegenden Teil ihrer Empfehlungen bezüglich Abgeordneten, Richtern und Staatsanwälten noch immer nicht umgesetzt hat.

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Von den insgesamt 20 Empfehlungen wurde nur eine (!) voll umgesetzt und fünf zum Teil, womit man sich dadurch im Ländervergleich auf einem Niveau mit der Türkei befinde. Das heißt im Umkehrschluss auch, dass der Anteil nicht umgesetzter Empfehlungen bei satten 70 Prozent liegt.

Sickinger bleibt immerhin zuversichtlich, dass das zumindest für die Abgeordneten im Land Konsequenzen haben und schon im Herbst über neue Regelungen diskutiert werden könnte. "Die erste Evaluierungsrunde hat ergeben, dass Österreich nicht „compliant“ ist, also so gut wie nichts erfüllt hat. Eine zweite Runde ist für Herbst zu erwarten und sie wird den Druck weiter erhöhen, weil die Runde das dasselbe ergeben wird wie die erste", so der Politikwissenschaftler. Regelungsbedarf wäre also durchaus angebracht.