Heinz-Christian Strache:
Er ist wieder da

Den alten Kameraden erklärte Heinz-Christian Strache nun endgültig den Krieg. Aus purer Rache oder auch politischem Kalkül? Und: Wer steckt hinter seinem Comeback?

von Parteipolitik - Heinz-Christian Strache:
Er ist wieder da © Bild: News/Herrgott

Mit Politik im erwartbaren Sinne hat das Ganze nur noch peripher zu tun. Und auch wenn das Ambiente festlich und die Stimmung im Publikum gelöst ist - das hier ist der Auftakt zu einem erbitterten Rosenkrieg. "Die beste Rache ist dein Kreuz bei H.-C. Strache", steht auf Buttons, die man im Saal verteilt hatte, ehe der geschasste FP-Chef zum ersten Mal seine neue Bühne entert.

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An die 1.000 Fans und Unterstützer sind am Donnerstag der Vorwoche trotz gefrierenden Nebels in die Wiener Sofiensäle gepilgert, um die minutiös geplante Comeback-Show des Heinz-Christian Strache mitzuverfolgen. Auf vier TV-Kanälen wird live übertragen, 65 Medienleute sind akkreditiert: Er ist wieder da! Und eigentlich wirkt er so, als wäre er gar nie weg gewesen. Nur dass diesmal nicht die "Altparteien" ihr Fett abbekommen, sondern die moralisch devastierte "Funktionärspartei" FPÖ.

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Der Pate der Bierzelte

Norbert Hofer und dessen Bestreben, die Blauen wieder in die Regierung zu bringen? "Der rutscht auf Knien daher, bitte, bitte, bitte, bitte, nehmt mich wieder, das ist ja wie bei ,Wer will mich?' von Edith Klinger!" Manfred Haimbuchner? "Der hängt in Oberösterreich am Rockzipfel von Landechef Stelzer!" Ja und Herbert Kickl? "Viel zu radikal und zugespitzt."

"Haaaazzeeee, Haaaazzeeee!" - der Saal ist nun aufgehaaazt, das Auditorium tobt, die Sofiensäle werden zum Bierzelt, Strache geht grinsend ab, unterschreibt im Akkord Autogrammkarten, posiert huldvoll für Selfies. Und entschwindet wenig später mit der Familie in den Skiurlaub. Gerade einmal drei Tage und ein pannonisches FPÖ-Wahldebakel später dann per Facebook der Schlussakkord aus dem Schnee: "Unter Norbert Hofer und Co. nimmt die FPÖ Kurs Richtung Irrelevanz und verliert, was ich einst dazugewinnen konnte. Was geht zuerst aus, die Wähler oder die Ausreden?" - "Reue, Einsicht, Fehlanzeige, im Gegenteil. Psychiater oder Exorzist, weniger hilft da nicht mehr", twittert Tirols FP-Chef Markus Abzwerger. Und in der Tat stellt sich nach Straches Frontalangriff auf die alten Kameraden die Frage: Ist das, was hier in aller Öffentlichkeit abgeht, reine, ungefilterte Rache, oder steckt da auch so etwas wie machtpolitische Strategie dahinter?

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"Beides", ist der Politikberater Thomas Hofer überzeugt. Einerseits sei der Rachegedanke in Kombination mit Verschwörungstheorien bei Strache dauerpräsent. "Andererseits hat er die Burgenland-Wahl als Auftakt zu einem FPÖ-Seuchenjahr ausgemacht. Er weiß natürlich um die ungeklärte Führungsfrage bei den Blauen - und attackiert jetzt ganz gezielt." Zudem erwartet der Experte eine Art Binnenmigration im dritten Lager: In den nächsten Wochen und Monaten, so Thomas Hofer, würden wohl noch mehrere FPÖ-Mandatare, die in Anbetracht zu erwartender Stimmenverluste um ihren Job bangen, zum alten Chef überlaufen.

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"Wiederauferstehung", nennt das der millionenschwere Unternehmer und Strache-Intimus Harald Fischl, der in den Sofiensälen in der ersten Reihe direkt neben dem Star des Abends sitzt, völlig ironiefrei. "Profilierungsprogramm", nennt es Gernot Rumpold, der Manager und Zeremonienmeister der frisch gegründeten Partei DAÖ (Die Allianz für Österreich), der das Comeback des gefallenen Populisten inszenierte.

Der neue Inner Circle

Dass aus DAÖ rechtzeitig vor der Wien-Wahl im Oktober die "Liste Strache" und der Namensgeber zum Spitzenkandidaten im Match gegen Blau wird, gilt intern längst als paktiert. Bereits am Aschermittwoch tritt Mister Ibiza erneut als "Gastredner" auf, diesmal ist seine Show gegen die traditionelle Aschermittwochrede der FPÖ-Chefs kampfprogrammiert.

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Bis Ende März will man die 2.800 amtlich beglaubigten Unterstützungsunterschriften beisammen haben, die für ein DAÖ-Antreten in der Hauptstadt nötig sind. Zusammengetragen sollen sie auf sogenannten "Bürgerstammtischen" werden, wo Parteigründer Karl Baron und seine bisher übergelaufenen Mitstreiter die Marke Strache bewerben wollen.

Aber wer ist der vergleichsweise winzige Personenkreis, der hinter dem Comeback des gefallenen Populisten steht? Wer sind die Männer denen er jetzt voll vertraut? Hier die maßgeblichen Protagonisten -und ihre ganz persönlichen Motive.

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1. Gernot Rumpold

Es war in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre, als Gernot Rumpold als Bundesgeschäftsführer der FPÖ am Zenit seines parteipolitischen Einflusses stand -damals war Strache gerade einmal Bezirksrat. Erst zu Beginn des neuen Jahrtausends machten die beiden zum ersten Mal gemeinsame Sache: und zwar als sogenannte "Care Partners".

Strache, damals auch noch Zahntechniker, wollte eine Abwanderung heimischer Patienten nach Ungarn verhindern -und präsentierte gemeinsam mit Rumpold ein Modell für unbüokratische Sofortkredite zur Zahnfinanzierung: "Sie lachen, wir zahlen", lautete der von Rumpold erdachte Slogan. Doch am Ende lachte keiner, das Projekt floppte. Strache nahm dennoch den Karrierelift nach oben, Rumpold den ins Erdgeschoß. Die Telekom-Austria-Affäre brachte den umtriebigen Werber Rumpold zu Fall, er schlitterte in den Privatkonkurs und wurde zu elf Monaten unbedingter Haft verurteilt, die er mit Fußfessel in -relativer -Freiheit verbringen durfte. "Ich fand in Graz in der Wohnung meiner Ex-Frau Erika Unterschlupf und hackelte, um die Kosten für die Fußfesseln bezahlen zu können, am Bau." Er bekenne sich zu seiner Schuld, sagt er heute, und eigentlich hätte er das schon viel früher tun sollen. "Demut", das sei, was er in dieser Zeit gelernt habe -und auch, wie man sich als Ausgestoßener fühle. "Auch wenn es bei Strache, anders als bei mir, nur eine b'soffene G'schicht war -ich kann in etwa nachvollziehen, wie er sich heute fühlt."

Nach einem Intermezzo im fernen Zypern wieder zurück in Österreich, versuchte Rumpold im Vorjahr, erneut als Consulter bei den Freiheitlichen anzudocken: "Kickl hat mir signalisiert, dass sich schon irgendwas ergeben werde." Für Ende Mai, erzählt er, sei dann ein Treffen zwischen Strache, Kickl und ihm terminisiert gewesen. Doch dann ging das Ibiza-Video online, und der Termin platzte.

Glück im Unglück: Schon im April 2019 war Karl Baron, der Chef der Freiheitlichen Wirtschaft, an ihn herangetreten und hatte ihn um Unterstützung im bevorstehenden Wirtschaftskammerwahlkampf gebeten. Doch dann, als die Blauen Strache "wie einen Schuft vor die Stadt jagten"(Rumpold), wurde die Zusammenarbeit mit Baron praktisch über Nacht viel, viel größer als gedacht. Ehe er es sich versah, war Rumpold Manager der von Baron gegründeten Partei DAÖ -und auf einmal wieder zurück im ganz großen Spiel: "Mit meinen 62 Jahren ist mir bewusst", dass das auch für mich ein Spiel der letzten Chancen ist", sagt Rumpold.

"Sie lachen, wir zahlen", lautete vor knapp zwei Jahrzehnten Rumpolds erster Slogan für Strache. Nun, so der Rumpold-Plan, sollen Strache und er lachen. Bezahlen soll die FPÖ.

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2. Karl Baron

In guten Tagen war sein weitläufiges Haus im 22. Wiener Gemeindebezirk, das früher ein Restaurant beherbergte, Schauplatz legendärer Partei-Partys: Strache, Gudenus, Nepp, alle wichtigen Referenten und Gemeinderäte - wer in der Wiener FPÖ etwas zu sagen hatte, ging bei Karl Baron aus und ein. "Blauer Baron" war der Spitzname des langjährigen Gemeinderats und Wien-Chefs der Freiheitlichen Wirtschaft. Doch mit 20. Mai 2019,11.49 Uhr, wurde der Bürgerliche mit dem Adelsnamen in seiner Partei plötzlich zum Verdächtigen. Und dann zur Unperson. "Und das empfand er als schwere persönliche Kränkung", sagt DAÖ-Manager Gernot Rumpold. "Es ist für Karl Baron undenkbar, H.-C. Strache als Obmann der FPÖ Wien zu verlieren", hatte Baron an diesem Montag im Mai in einer Aussendung formuliert. Und somit -am Tag drei nach Ibiza -als Erster das ausgesprochen, was in der paralysierten Partei noch keiner wahrhaben wollte: Ein Politbesessener wie Strache zieht sich auf Dauer nicht ins Private zurück. Und soll das laut Baron auch gar nicht!

"Strache hat Tag und Nacht für die Partei gelebt, im Grunde all jene Personen gemacht, die nun an der Macht sind", sagt Baron heute, knapp acht Monate später. Und: "Die, die sich am Anfang am meisten in Treuefloskeln ergingen, leben sie heute am allerwenigsten." Damit meint er in erster Linie den nunmehrigen Wiener FP-Chef Dominik Nepp. Und Treue, sagt Baron, Treue sei ihm nun einmal ganz, ganz wichtig.

Und so beschloss der Chef eines 40-Mitarbeiter-Unternehmens und Ex-Autorennfahrer, der mit seinen 57 Jahren langsam ein bisschen leiser treten wollte, dass sein Motorboot am Wörthersee (auf dem auch Nepp immer wieder zu Gast war) und sein Ferrari 348 in der Garage noch länger auf ihn warten müssen -und gründete relativ kurzentschlossen die Plattform DAÖ.

Früher, sagt er, sei er es gewesen, der unten in den vorderen Reihen saß und applaudierte. Nun, bei der von ihm ausgerichteten Comeback-Veranstaltung für Strache, habe er zum ersten Mal gespürt, was es bedeute, selbst oben im Zentrum zu stehen und so richtig Applaus zu bekommen. "Gänsehautmomente" seien das gewesen, sagt er. Und ja, auch Momente der Genugtuung.

Wenn Strache als Spitzenkandidat in den Ring steigt, so soll Gründer Baron die Nummer zwei in der Hierarchie der neuen Gruppierung zukommen. Und zudem die Position des Verkehrssprechers. "Als ehemaliger Rennfahrer", plant DAÖ-Manager Rumpold, "wird er den glaubwürdigen Gegenpol zur rot-grünen Autovernaderung in Wien bilden." Und in seinem Haus, draußen in der Donaustadt, da werden endlich wieder die Mächtigen verkehren.

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3. Harald Fischl

Selbst wenn der Mann aus dem südoststeirischen Söchau (1.400 Einwohner) gerne auf Understatement macht: Am liebsten bewegt sich der Unternehmer, der mit Altenheimen Millionen machte, direkt im Machtzentrum -zumindest in jenem des dritten Lagers: Erst fungierte Harald Fischl, 57, als Obmann-Stellvertreter im freiheitlichen Parlamentsklub, dann wurde er an Haiders Seite BZÖ-Gründungsmitglied und sitzt seit dessen Tod im Vorstand der Jörg-Haider-Privatstiftung. Und dennoch, so sagt er: "Mit dem Heinz-Christian Strache verbindet mich eine echte, langjährige Männerfreundschaft."

Als er, Fischl, sich von seiner ersten Frau trennte und sein Sohn gerade einmal 16 war, hätten sich Strache und später auch dessen Frau Philippa "rührend" um den Teenager gekümmert, in den Ferien seien die beiden älteren Kinder Straches und der Fischl-Sohn oft zusammen gewesen. Alleine schon deswegen, so Fischl, sei es eine "Ehrensache", Strache jetzt zu helfen.

Zunächst, sagt Fischl, habe ihm Strache leid getan: "Dass er bei all dem, was da auf einmal über ihn hereinbrach, nicht suizidär wurde, grenzt an ein Wunder." Die Freiheitlichen, so das Fischl-Narrativ, hätten über Monate hinweg jedes Gespräch mit Strache verweigert, und so habe er, Fischl, eine Art "Friedensmission" gestartet, um zwischen der neuen blauen Führungsriege und deren Ex-Chef zu vermitteln. "Ich habe im Stillen verhandelt, um eine totale Hinrichtung Straches zu verhindern."

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Zunächst hätte es ja eine klare "Willensübereinkunft" gegeben, dass das einfache Parteimitglied Strache - nach einer Urabstimmung - als Spitzenkandidat bei der Wien-Wahl kandidieren könne. "Doch dann wollte man plötzlich keinen Frieden mehr." Aber warum? Fischls steile These: Ein öffentlicher Krieg mit Strache schade in erster Linie dem "alles schönredenden" Parteichef Hofer, wovon wiederum in erster Linie der "strategisch denkende" Herbert Kickl profitiere

Umso gelöster wirkte der gescheiterte Missionar aus der Steiermark, als Strache nun mehr oder weniger unverblümt sein Antreten als DAÖ-Galionsfigur ankündigte. "Es ist im gewissen Sinne eine Wiederauferstehung", sagt Fischl, der in den Sofiensälen als Ehrengast in der ersten Reihe direkt neben den Straches saß.

Und da Fischl über beste Wirtschaftskontakte verfügt, könnte er auch im Buhlen um potenzielle Geldgeber für den Wahlkampf eine entscheidende Rolle spielen.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News (05/2020) erschienen!