Joe Biden wird
46. US-Präsident

Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden hat nach Erhebungen und Prognosen von US-Medien die Wahl in den USA gewonnen.

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US-Wahl 2020 - Joe Biden wird
46. US-Präsident

Der US-Demokrat Joe Biden hat nach seinem Sieg bei der Präsidentschaftswahl versprochen, ein "Präsident für alle Amerikaner" zu sein. Er sei "geehrt", ausgewählt worden zu sein, "unser großartiges Land anzuführen", schrieb Biden am Samstag im Kurzbotschaftendienst Twitter. "Die Arbeit, die vor uns liegt, wird hart sein, aber ich verspreche euch: Ich werde ein Präsident für alle Amerikaner sein - ob ihr für mich gestimmt habt oder nicht."
Er werde dem Vertrauen gerecht werden, das in ihn gesetzt worden sei, erklärte Biden. Seine künftige Vize-Präsidentin, Kamala Harris, schrieb im Online-Dienst Twitter ebenfalls, dass viel Arbeit vor ihnen liege. "Lasst uns anfangen", hob sie hervor. Zugleich verwies Harris darauf, dass es bei dieser Wahl um sehr viel mehr als um Biden oder sie gehe. "Es geht um die Seele Amerikas und unseren Willen, dafür zu kämpfen."

Durch den Sieg im Bundesstaat Pennsylvania kommt Biden jetzt auf 273 Wahlleute, für den Sieg sind mindestens 270 erforderlich. Damit ist der 77-Jährige zum 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt worden. Amtsinhaber Donald Trump von den Republikanern kommt bisher auf 214 Wahlleute. Trump hat mehrfach betont, dass er Wahlbetrug vermutet.

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Nach tagelangem Warten hatten eine ganze Reihe von großen US-Sendern den Demokraten Biden am Samstag zum Sieger der US-Präsidentschaftswahl ausgerufen - darunter auch der Trump-freundliche TV-Sender Fox. Biden gewann demnach den Schlüsselstaat Pennsylvania mit seinen 20 Wahlleuten - und damit auch die gesamte Wahl.

Trump erkennt Biden-Wahlsieg nicht an

Amtsinhaber Donald Trump erkennt den Wahlsieg aber nicht an. "Die einfache Tatsache ist, dass diese Wahl noch lange nicht vorbei ist", so Trump. "Wir alle wissen, warum Joe Biden sich voreilig fälschlicherweise als Sieger ausgibt und warum seine Medienverbündeten so sehr versuchen, ihm zu helfen: Sie wollen nicht, dass die Wahrheit ans Licht kommt", erklärte Trump. "Joe Biden ist nicht als Sieger irgendeines Staates bestätigt, ganz zu schweigen von den stark umkämpften Staaten."


Trumps Aussagen haben zunächst keinerlei rechtliche Auswirkungen, sie markieren aber eine Zuspitzung des politischen Streits um die Wahl. Trump hat in mehreren Bundesstaaten bereits juristische Schritte gegen die Ergebnisse oder die weitere Auszählung abgegebener Stimmen eingeleitet. Er stellt sich als Opfer systematischen Wahlbetrugs dar, ohne stichhaltige Beweise für seine Behauptungen vorzulegen. Er hat bereits angekündigt, sich mit einer ganzen Serie von Klagen bis hinauf zum Obersten Gericht gegen eine Niederlage zu wehren.

"Kampf um die Seele dieser Nation"

Mit dem 77-jährigen Biden geht nun wieder ein Berufspolitiker als Sieger der US-Wahl hervor, nachdem der Unternehmer Trump vor vier Jahren einen Überraschungssieg eingefahren hatte. Die Senatorin Kamala Harris würde die erste Frau und schwarze Amerikanerin im Vizepräsidentenamt. Biden hatte die Wahl seit Bekanntgabe seiner Kandidatur gegen Trump zum "Kampf um die Seele dieser Nation" erklärt.

Bei der Abstimmung am Dienstag standen auch die 435 Sitze des Repräsentantenhauses und rund ein Drittel der Sitze im Senat zur Wahl. Beim Regieren könnte Biden auf die Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus setzen. Seine Partei konnte sich zunächst nicht die Kontrolle in der zweiten Parlamentskammer, dem Senat, sichern. Über die Mehrheit im US-Senat für die kommenden zwei Jahre entscheiden voraussichtlich erst zwei Stichwahlen im Bundesstaat Georgia Anfang Jänner.

Ein enges Rennen um den Einzug ins Weiße Haus

Das Rennen um das Weiße Haus war nach der Wahl am Dienstag eine wahre Zitterpartie. Trump konnte sich früh den Schlüsselstaat Florida sichern, den Biden für einen schnellen Sieg gebraucht hätte. Das Duell lief danach immer weiter auf eine knappe Entscheidung in besonders umkämpften Staaten hinaus. Seit Mittwoch verstärkten sich die positiven Anzeichen für Biden, der sich siegessicher gab.

In landesweiten Umfragen hatte Biden in den vergangenen Monate vor Trump gelegen, was bei den Demokraten für vorsichtigen Optimismus sorgte. Nach dem überraschenden Trump-Sieg 2016 über Hillary Clinton behandelten viele Umfragen aber mit Vorsicht. Wegen des komplizierten Wahlsystems gelten sie ohnehin nur als begrenzt aussagekräftig.

Biden war unter Trump-Vorgänger Barack Obama Vizepräsident. Er verspricht, das tief gespaltene Land als Präsident aller Amerikaner zu einen und aus der "Zeit der Dunkelheit" zu führen. Er will die Corona-Pandemie mit einer nationalen Strategie eindämmen, die Beziehungen zu Verbündeten in aller Welt kitten und die USA in internationale Abkommen zurückführen. Zum Beispiel hat er eine Rückkehr der USA ins Pariser Klimaschutzabkommen angekündigt. Die Mitgliedschaft der USA dort endete am Mittwoch, nachdem Trump sie aufgekündigt hatte.

Bidens Kandidatur hatte Umfragen zufolge bei vielen Wählern keine Euphorie ausgelöst. Er versuchte sich vor allem über den Gegensatz zu Trump zu profilieren. Er präsentiert sich als anständiger Mann und Familienmensch. Biden ist in zweiter Ehe mit Jill Biden (69) verheiratet. Die Demokraten standen im Kampf um das Weiße Haus zuletzt geschlossen hinter Biden, der zum moderaten Flügel der Partei gehört. Zudem hatten einige Republikaner Biden den Rücken gestärkt, um eine Wiederwahl Trumps zu verhindern.

Wegen der Corona-Pandemie bestritt Biden einen extrem zurückhaltenden Wahlkampf - zunächst überwiegend digital, später auch mit einigen öffentlichen Auftritten. Er zeigte sich in der Öffentlichkeit stets mit Maske. Trump hielt ungeachtet der Ansteckungsgefahr bis zuletzt mehrere Wahlkampfveranstaltungen pro Tag mit Tausenden Anhängern ab.

Der 74-jährige Amtsinhaber wurde Anfang Oktober selber positiv auf das Coronavirus getestet und wegen seiner Covid-19-Erkrankung im Krankenhaus behandelt. Nach seiner Rückkehr ins Weiße Haus rief er die Amerikaner dazu auf, "keine Angst" vor dem Virus zu haben. Biden wirft Trump Versagen in der Pandemie vor und beschuldigt ihn, für den Tod Zehntausender US-Bürger verantwortlich zu sein. Die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen hatten Trump seines wichtigsten Arguments im Wahlkampf beraubt: der boomenden Wirtschaft.

Trump hatte für eine zweite Amtszeit im Wesentlichen eine Fortsetzung seiner bisherigen Politik in Aussicht gestellt. Zudem schürte er Hoffnungen auf einen bald verfügbaren Impfstoff gegen das Coronavirus und eine flächendeckende Verteilung. Aus Sicht von Kritikern hat er den Wählern keine Vision für weitere vier Jahre im Weißen Haus präsentiert. Trump betonte mehrfach, seine Regierung habe in seiner ersten Amtszeit mehr erreicht als alle anderen US-Regierungen davor.

Kritiker warfen Trump in den vergangenen Monaten immer wieder vor, die Glaubwürdigkeit der Wahl zu untergraben und damit das Feld dafür zu bereiten, eine Niederlage nicht anzuerkennen. Er warnte wiederholt vor einer weit verbreiteten Briefwahl, ohne dafür Beweise zu liefern. Vor allem kritisierte er, dass wegen der Pandemie in manchen US-Staaten Wahlunterlagen unaufgefordert an Wähler verschickt wurden und Briefwahlstimmen noch Tage nach dem eigentlichen Wahltermin berücksichtigt werden konnten. Wiederholt hatte er gefordert, dass ein Wahlergebnis noch in der Wahlnacht feststehen müsse.

Vor seinen Anhängern hat Trump mehrfach gesagt, er sei überzeugt, die Abstimmung nur durch Manipulationen verlieren zu können. Er warf den Demokraten wiederholt vor, die Wahl "stehlen" zu wollen. Wahlbetrug ist in den USA sehr selten. Selbst kleinere Vergehen können zu Gefängnisstrafen führen.

Wie wird der US-Präsident gewählt?

Der US-Präsident wird indirekt vom Volk gewählt. Die Stimmen der Wähler entscheiden über die Zusammensetzung des Wahlkollegiums, das den Präsidenten dann im Dezember wählt. Für einen Sieg braucht ein Kandidat nicht die höchste absolute Stimmenzahl, sondern die Mehrheit der 538 Wahlleute - also mindestens 270. Der Präsident wird mit der Vereidigung am 20. Jänner ins Amt eingeführt.

Wahlberechtigt war theoretisch jeder der rund 330 Millionen US-Bürger, der mindestens 18 Jahre alt ist. Voraussetzung war, dass sich ein Wähler registrieren ließ und nicht von der Wahl ausgeschlossen wurde - etwa wegen einer kriminellen Vergangenheit.


Nach Erhebungen der Nachrichtenagentur AP dürfte die Wahlbeteiligung voraussichtlich deutlich höher sein als vor vier Jahren. Damals nahmen der Wahlkommission (FEC) zufolge rund 137 Millionen Amerikaner teil. Gemessen an der Bevölkerung im wahlfähigen Alter von damals rund 245 Millionen Menschen entsprach das einer Wahlbeteiligung von knapp 56 Prozent.

Bereits vor der Wahl am Dienstag machten mehr als 100 Millionen Wähler von unterschiedlichen Möglichkeiten Gebrauch, ihre Stimme vorzeitig abzugeben. Umfragen hatten nahegelegt, dass die in den Wahllokalen abgegebenen Stimmen wohl eher zugunsten Trumps ausfallen dürften, die Briefwahlstimmen eher für Biden.

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