FPÖ & ÖVP: Was sie
verbindet. Und was sie trennt

Noch ist die Atmosphäre gut. Dabei sind sich ÖVP und FPÖ in vielem uneinig

Sebastian Kurz, Chef der neuen Volkspartei, hat die Freiheitlichen vor rund zehn Tagen zu Regierungsverhandlungen eingeladen. Die FPÖ hat das Angebot – wenig überraschend - umgehend angenommen. Schließlich zeichneten sich schon während des Wahlkampfes viele inhaltliche Überschneidungen ab. Vor allem, was Steuersenkungen, Mindestsicherung und Migration betrifft. Dennoch sind sich die beiden Parteien nicht in allen Punkten einig - was sie verbindet und was sie trennt.

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Koalitionsverhandlungen - FPÖ & ÖVP: Was sie
verbindet. Und was sie trennt

ÖVP und FPÖ haben Freitagnachmittag erste Vorhaben ihrer möglichen Regierungszusammenarbeit präsentiert. Zu Beginn der Koalitionsverhandlungen habe man sich mit der finanziellen Situation der Republik und der einzelnen Ressorts auseinandergesetzt sowie über die großen potenziellen Ziele gesprochen, erklärte Sebastian Kurz. Man habe diese Woche "intensive und gute Gespräche geführt", sagte der ÖVP-Obmann. Es gibt in den beiden Parteiprogrammen Überschneidungen, nun geht es um die notwendigen Veränderungen und die gemeinsamen Leitlinien. Dem ganzen würden natürlich noch detaillierte Verhandlungen folgen.

Trotzdem gibt es, neben vielen Übereinstimmungen, auch einige bereits bekannte Punkte, die für die Zusammenarbeit beider Parteien zu Herausforderungen werden könnten.

Budget

Derzeit geht es in den Verhandlungen um eine möglichst detaillierte Aufschlüsselung der Budget-Situation in den einzelnen Ressorts. Sebastian Kurz rechnet in der Frage des Budgets für die kommenden fünf Jahre durchaus mit einer „gewissen Herausforderung“.

ÖVP und FPÖ wollen die Steuer- und Abgabenquote in Richtung 40 Prozent senken, das gaben die Parteichefs nach den Koalitionsverhandlungen am Freitag bekannt. Geeinigt habe man sich neben den Leitlinien für die Fachgruppen auch auf "Spielregeln" für die Verhandlungen selbst und ein gemeinsames Politikverständnis.

Während die ÖVP bisher eine Steuersenkung von 12,7 Milliarden Euro forderte, belief sich die der FPÖ auf 12 Milliarden. Budget-Experten sehen die von beiden Parteien versprochenen Steuersenkungen ohne entsprechende Gegenfinanzierungsmaßnahmen allerdings kritisch. Eine Gegenmaßnahme könnte die Kürzung oder Streichung des SPÖ-Projekts „Aktion 20.000“ sein, eine Job-Initiative für über 50-Jährige.

Mindestsicherung

Einig sind sich FPÖ und ÖVP, was die Senkung der Mindestsicherung für Zuwanderer betrifft. Als am Dienstag bekannt wurde, dass die Ausgaben für die Mindestsicherung in Wien um 30 Millionen Euro nachgebessert werden müssten, gab es dafür von beiden Seiten harsche Kritik. Der Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel forderte eine Deckelung bei 1.500 Euro für Mehrpersonenhaushalte sowie einen Anspruch auf Sozialleistungen erst dann, „wenn zuvor auch einige Jahre in das System einbezahlt wurde". Der blaue Vizebürgermeister Johann Gudenus hingegen plädierte für eine Umstellung von Geld- auf Sachleistungen.

Migration / EU

„Dass Sebastian Kurz es mit der FPÖ versuchen will, ist kein Wunder. Die Neuausrichtung, die der Shootingstar der österreichischen Politik der ÖVP verpasst hat, macht sie nach rechts anschlussfähiger als nach links. Kurz wird nun alles daran setzen, dass eine Neuauflage der ÖVP-FPÖ-Koalition nicht wieder in einer europäischen Isolation endet“, so zu lesen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kurz vor den ersten Gesprächen.

»Mit der FPÖ sind wir durch den gemeinsamen Wunsch nach einem tief greifenden Wandel in Österreich geeint«

Das bestätigt auch Sebastian Kurz, wenn er sagt: „Mit der FPÖ sind wir durch den gemeinsamen Wunsch nach einem tief greifenden Wandel in Österreich geeint“ und gleichzeitig auf die Verhinderung der Migration in die EU als zentralen Punkt verweist: „Solange wir die Ankunft von illegalen Migranten nicht verhindern können, wird das Europa ohne Binnengrenzen gefährdet sein“. Dennoch möchte er an seinem proeuropäischen Kurs festhalten und ist davon überzeugt, im Bündnis mit der „europaskeptischen“ FPÖ ein europafreundliches Kabinett aufbauen zu können.

Arbeitsmarkt

Das Migrationsthema scheint bei der FPÖ nahtlos in den Bereich des Arbeitsmarktes einzufließen. Auch hier fordert die Partei Reformen bei der „unüberlegten Arbeitsmarktöffnung für die Ost-EU-Staaten und der unkontrollierten Einwanderung aus Nicht-EU-Staaten“. Beides geschehe unter dem scheinheiligen Vorwand des Facharbeitermangels, den die rot-schwarze-Koalition mit der Entwertung der Lehre verursacht hat, meinte der FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl und fordert von Kurz eine radikale Kehrtwende. Auch bei der Abstimmung über die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, stimmte die FPÖ damals gegen ihren Koalitionspartner.

Weitere Kritik seitens FPÖ kommt von Norbert Hofer. So distanziert sich der Dritte Nationalratspräsident vom Ziel des Landwirtschaftsministers Andrä Rupprechter, Behörden in die Länder zu verlegen. Die Absiedelung von Behörden sei jedoch nicht Teil der Koalitionsverhandlungen.

Im Vorfeld der schwarz-blauen Koalitionsverhandlungen ist auch die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern wieder zum Thema geworden. Die FPÖ forderte im Wahlkampf gemeinsam mit den NEOS ihre Abschaffung – gemeinsam mit der ÖVP hätten sie nun die nötige Verfassungsmehrheit.

Sicherheit

Im neuen Regierungsprogramm müssen aus Sicht des Justizministers Wolfgang Brandstetter vor allem jene Vorhaben enthalten sein, die mit der SPÖ in der alten Regierung nicht mehr fertiggestellt werden konnten. Darunter fällt unter Anderem das lang diskutierte Sicherheitspaket, das die Überwachung internetbasierter Telefonie ermöglichen soll – und von der FPÖ bisher immer strikt abgelehnt wurde.

»Das Sicherheitspaket ist eine Notwendigkeit. Die FPÖ muss einmal erklären, warum sie eigentlich dagegen ist«

„Das Sicherheitspaket ist eine Notwendigkeit. Die FPÖ muss einmal erklären, warum sie eigentlich dagegen ist“, sagte Brandstetter und forderte die Freiheitlichen auf, hier doch „klüger zu werden“.

Direkte Demokratie

Mehr Volksabstimmungen und mehr Volksbefragungen – für die FPÖ ein zentraler Punkt in ihren Koalitionsverhandlungen. Doch auch die ÖVP hat eine Stärkung der direkten Demokratie in ihrem Wahlprogramm. Hat ein Volksbegehren in der Zukunft mehr als vier Prozent der Zeichnungsberechtigten, muss laut FPÖ eine rechtlich bindende Volksabstimmung dazu erfolgen. Die ÖVP hingegen will erst ab einer Zehn-Prozent-Hürde abstimmen lassen. Ob es zu mehr Volksabstimmungen kommen wird, soll eine Volksabstimmung entscheiden.