Kurz bald viert-
längster Verhandler

Im Gesetz der (kurzen) Serie müsste die türkis-grüne Regierung eigentlich heute zur Angelobung in die Hofburg. Daraus wird aber nichts. Heute wird weiter verhandelt, ungeachtet der Weihnachts-Feiertage wohl auch nächste Woche noch. Und damit nähert sich die Verhandlungsdauer dem Stockerl.

von
Koalition - Kurz bald viert-
längster Verhandler

Die letzten drei Regierungen wurden alle im Dezember angelobt - und die letzten beiden im Zwei-Tages-Abstand: 2008 wurde die Große Koalition (65 Tage nach der Wahl) am 2. Dezember angelobt. 2013 stand die SPÖ-ÖVP-Regierung (78 Tage nach der Wahl) am 16. Dezember vor dem Bundespräsidenten, 2017 die türkis-blaue Koalition (64 Tage nach der Wahl) am 18. Dezember. Diese Serie hätte sich mit dem heutigen 20. Dezember fortgesetzt.

Aber so weit sind ÖVP und Grüne noch nicht. Sie verhandeln jedenfalls heute noch, auch für nächste Woche sind Verhandlungen geplant und das Winterpalais des Prinzen Eugen in der Wiener Himmelpfortgasse ist dafür reserviert.

In der Rangliste der Verhandlungsdauer stehen die türkis-grünen Gespräche aktuell mit 82 Tagen (Stand 20.12.) seit der Wahl am 29. September noch auf Platz 6. Einen Tag nach Weihnachten, am 25., sind diese Verhandlungen (mit 87 Tagen) dann die fünft-längsten der Zweiten Republik. 1995/96 brauchten die widerstrebende ÖVP - deren damals neuer Chef Wolfgang Schüssel die Neuwahl angestoßen hatte - und SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky 86 Tage, um sich noch einmal zur Großen Koalition zusammenzuraufen.

Kurz bald viert-längster Verhandler

Nicht mehr sehr lange dauert es heuer, bis der mit der Regierungsbildung beauftragte ÖVP-Chef Sebastian Kurz viert-längster Verhandler ist: Am 4. Jänner (97 Tage nach der Wahl) brauchen ÖVP und Grüne länger als bei ihren ersten (gescheiterten) Gesprächen: Nach der Knittelfeld-Wahl 2002/2003 verhandelte ÖVP-Kanzler Schüssel erst erfolglos mit dem damaligen Grünen-Chef Alexander Van der Bellen, um dann doch wieder mit der FPÖ zusammenzugehen. Womit die Regierung erst 96 Tage nach der Wahl vereidigt werden konnte.

Dass es auch diesmal so lange dauert, ist nicht unwahrscheinlich. Denn selbst wenn sich ÖVP und Grüne in der nächsten Woche noch einigen, müssen die Grünen den Einstieg in die Koalition erst vom Bundeskongress absegnen lassen. Und der muss laut Parteistatut zumindest eine Woche zuvor einberufen werden.

Womit - zumal man sich in der feiertags-dichtesten Zeit des Jahres befindet - auch schon das "Stockerl" nicht unwahrscheinlich ist: Ab dem 10. Jänner (Angelobung) sind es die dritt-längsten Koalitionsverhandlungen - denn dann hätte Kurz für seine zweite Regierungsbildung 103 Tage gebraucht. Seine erste Regierung - jene mit der FPÖ - stand 2017 nach 64 Tagen.

Platz 2 gäbe es schon am 1. Februar

Scheitern die Verhandlungen zwischen ÖVP und Grünen auch heuer (worauf freilich derzeit nichts hindeutet), könnte es für Kurz den Titel des Längst-Verhandlers setzen. Platz 2 gäbe es schon am 1. Februar - wenn die 124 Tage überholt sind, die es 1999 dauerte, bis letztlich die (parallel schon vorgebaute) erste schwarz-blaue Regierung - nach langen, letztlich gescheiterten SPÖ-ÖVP-Verhandlungen - angelobt wurde.

Mit dem 6. Februar wäre Kurz dann der ausdauerndste Regierungsverhandler: 129 Tage lang brauchten 1962/63 die tief zerstrittenen Großparteien ÖVP und SPÖ, um (vor der Phase der Alleinregierungen) noch einmal ihre Große Koalition zu kitten.

Im Durchschnitt vergingen bei den bisher 17 Koalitionsverhandlungen (zwischen zwei bzw. bei Scheitern drei Parteien) 68 Tage zwischen der Wahl und der Angelobung. Dafür hätten Kurz, Kogler und Kollegen am 6. Dezember angelobt werden müssen. Die Alleinregierungen der ÖVP und der SPÖ zwischen 1966 und 1979 standen naturgemäß immer deutlich schneller.

Verhandlungen auch rund um Weihnachten

Die Bemühungen um eine neue Regierung gehen am Wochenende und wohl auch rund um Weihnachten weiter. Die Verhandler treffen einander wie zuletzt in unterschiedlichen Konstellationen und arbeiten intensiv an einem gemeinsamen Koalitionspakt zwischen ÖVP und Grünen. Dass die frohe Botschaft einer fertigen Regierung noch vor Weihnachten verkündet wird, ist unwahrscheinlich - aber nicht ausgeschlossen.

»Stimmung gut«

"Stimmung gut", hieß es am Freitag von den Grünen in Bezug auf die Verhandlungen. ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler würden sich derzeit fast täglich zu Vier-Augen-Gesprächen verabreden. Die Treffen seien sehr flexibel gehalten, die Terminkalender seien dafür freigeräumt worden, wurde mitgeteilt.

Das Wochenende vor Weihnachten nutzen die einzelnen Gruppen und die Chefverhandler für intensive Gespräche, bevor dann zumindest für drei Tage (24./25./26. Dezember) eine kurze Weihnachtspause eingelegt werden soll. Gleich nach den Feiertagen geht es mit frischem Elan in die nächsten Verhandlungen. Eine Einigung vor Weihnachten gilt als unwahrscheinlich, wurde aber auch nicht dezidiert ausgeschlossen. Wahrscheinlicher stellt sich derzeit jedoch dar, dass es zwischen Weihnachten und Silvester zu einem Durchbruch in den Verhandlungen kommen könnte.

Kurz drückt offenbar aufs Tempo

Dem Vernehmen nach ist es eher die ÖVP von Obmann Kurz, die aufs Tempo drückt und auf einen raschen Abschluss der Verhandlungen drängt. Bei den Grünen ist man - ganz nach dem Leitsatz "Qualität vor Geschwindigkeit" des Vorsitzenden Kogler - etwas zurückhaltender.

Dazu kommt, dass eine Einigung bei den Grünen auf jeden Fall vom Bundeskongress abgesegnet werden müsste. Das Organ besteht aus einer Delegation der Landesorganisationen und allen Abgeordneten der Grünen auf Landes-, Bundes- und Europaebene - zusammen fast 300 Personen. Im Normalfall braucht der Bundeskongress laut Statut mehrere Wochen Vorlaufzeit, in dringenden Fällen jedoch nur eine Woche.

Sollte tatsächlich vor Weihnachten ein Durchbruch in den Verhandlungen erzielt und verkündet werden, könnte der Bundeskongress noch vor dem Jahreswechsel tagen und die türkis-grüne Einigung durchwinken. Kurz darauf wäre dann theoretisch schon eine Angelobung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen möglich - erwartungsgemäß Anfang Jänner. Über eine Ressortaufteilung zwischen ÖVP und Grünen sowie die Besetzung von Ministerposten ist aus den Verhandlungen bisher allerdings nichts nach außen gedrungen.