Kein Platz im Autoland

Nicht nur auf Bundesebene droht den Grünen das Ende der Regierungsbeteiligung. Auch in den Ländern stehen die Zeichen auf Abschied von der Macht.

von Politische Analyse - Kein Platz im Autoland © Bild: Privat

Von der Papierform her könnten die Grünen auf dem Weg zu einer bestimmenden Partei sein: Die Klimakrise ist ihr Thema. Lösungen dazu werden immer dringlicher. Allein: Es gibt viele weitere Krisen und in Summe führen sie in wachsenden Teilen der Gesellschaft zu einem Erschöpfungszustand. Die einen wollen nicht mehr damit behelligt werden, die anderen sehnen sich überhaupt zurück nach einer beschaulichen Vergangenheit.

Für die Grünen ist das eine Katastrophe. Für sie droht eine Zeit zu Ende zu gehen, in der sie auf unterschiedlichen Ebenen Regierungsverantwortung getragen haben oder noch tragen. Im Rahmen einer klassischen Koalition angefangen hat es an der Seite der ÖVP vor 20 Jahren in Oberösterreich. Es folgten Tirol, Salzburg und Vorarlberg.

Ihr Glück war, dass man in der Volkspartei glaubte, mit ihnen an der Seite modern wirken zu können. Und dass man sich das gönnte, weil die Freiheitlichen gerade keinen Höhenflug hatten. Zwischendurch tat sich auch die SPÖ in Wien mit ihnen zusammen. Seit 2020 ist das jedoch Geschichte.

ÖVP umwirbt Freiheitliche

In Oberösterreich schritt die Volkspartei 2015 zu einem Partnerwechsel hin zur wiedererstarkten FPÖ und nun müssen sie auf Bundesebene damit rechnen, verdrängt zu werden: "Österreich ist das Autoland schlechthin", sagte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) in seiner "Rede zur Zukunft der Nation". Auch wenn er hinterher beschwichtigend unterwegs ist, war das eine Distanzierung von den Grünen sowie der Versuch, Hunderttausende Wähler zu umwerben, die zu den Freiheitlichen tendieren.

Sein Vorgänger Sebastian Kurz hat erst unlängst bedauert, die Koalition mit der FPÖ 2019 nach "Ibiza" aufgekündigt zu haben. Wenn er sie fortgesetzt hätte, hätte er seine Partei zwar nicht zu einem Triumph bei der damaligen Neuwahl führen können, später aber vielleicht auch nicht zurücktreten müssen. Das haben Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Co. durchgesetzt.

Türkis-Grün hat ein Ablaufdatum. Nach der nächsten Wahl, die spätestens im Herbst 2024 abgehalten werden muss, wird sehr wahrscheinlich etwas anderes kommen. Die Mehrheitsverhältnisse verschieben sich nach rechts. Nehammer hat begonnen, vorzubauen.
In Salzburg befinden sich die Grünen noch in einer Koalition mit der ÖVP. Eine Fortsetzung nach der Wahl Ende April ist äußerst ungewiss. Dasselbe gilt für Vorarlberg, wo eine Wirtschaftsbundaffäre sowie unterschiedliche Zugänge zu Straßenbauprojekten für Spannungen gesorgt haben oder noch sorgen. Gewählt wird hier in einem Jahr. In Tirol sind die Grünen seit Herbst in Opposition.

Je mehr Menschen all die Krisen verdrängen und erst recht weiterleben möchten wie bisher, desto schwieriger wird es für sie: Diese Entwicklung ist dazu angetan, die FPÖ zu stärken und die ÖVP klein beigeben zu lassen. Für Klimaschutz, wie er ihren Vorstellungen entsprechen würde, bleibt immer weniger Bereitschaft übrig.

Zahl

SPÖ steht ohne Perspektive da

Am 27. März vor einem Jahr präsentierte sich SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner in einer Rede vor prominenten Genossinnen und Genossen in der Wiener Aula der Wissenschaften als Kanzlerkandidatin: "Es ist Zeit für den nächsten sozialdemokratischen Bundeskanzler! Es ist Zeit für die erste sozialdemokratische Bundeskanzlerin!"

In den Monaten darauf rückte sie dem Amt näher: Mitte September, also vor einem halben Jahr, lag ihre Partei nicht nur in allen Umfragen vorne, Rendi-Wagner hätte sich nach einer Nationalratswahl auch aussuchen können, mit wem sie eine Regierung bildet. Möglich wäre eine Koalition mit der ÖVP genauso gewesen wie eine Ampel mit NEOS und Grünen.

Zurzeit hat Rendi-Wagner keine Option. Konstellationen mit der SPÖ sind unrealistisch, seit die FPÖ stärkste Partei und sie selbst zurückgefallen ist: Blau-Rot oder Rot-Türkis mit NEOS oder Grünen wären rein rechnerisch möglich, sind aber schwer bis gar nicht umsetzbar. Wahrscheinlicher wäre nach einem Urnengang am kommenden Sonntag, dass Blau-Türkis kommt und die SPÖ in Opposition bleibt. Das ist das Dilemma der Sozialdemokratie, das nicht irgendwo herkommt, sondern selbstverschuldet ist: Man ist schon zu lange auf eine "Große Koalition" fixiert. Eine solche verfügt jedoch über keine Mehrheit mehr. Zugleich hat man es sträflich vernachlässigt, sich um eine Alternative zu bemühen.

Auch Rendi-Wagner hat ausgelassen

Zumal man wesentliche Forderungen wie eine Vermögensbesteuerung und eine Gemeinsame Schule mit der ÖVP nicht realisieren kann, hat man irgendwann aufgehört, dafür zu kämpfen und so potenzielle Anhänger zu gewinnen. Daneben hat man es eben verabsäumt, sich zu überlegen, was man zum Beispiel mit NEOS und Grünen in einer Ampel umsetzen und im Sinne des Wahlerfolgs populär machen könnte. Auch Rendi-Wagner hat diesbezüglich sehr lange ausgelassen. Das rächt sich.

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Bericht

Kleinkinder: Viel zu wenig Betreuung

Man lege Ziele fest – jedoch so, dass man nicht daran gemessen werden kann. Das ist eine alte Politikerweisheit. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat in seiner "Rede zur Zukunft der Nation" angekündigt, Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr bis 2030 ausbauen zu wollen. Genaueres sagte er nicht dazu. Auch Familienministerin Susanne Raab (ÖVP), die das begrüßte, ließ alles Weitere offen.

Handlungsbedarf gibt es vor allem bei Kleinkindern: Für Buben und Mädchen in den ersten drei Lebensjahren hat der Europäische Rat bereits 2002 eine Betreuungsquote von 33 Prozent als Ziel ausgegeben. 2021/22 war es in Österreich trotz steigender Tendenz noch immer nicht erreicht. Die Quote belief sich auf 29 Prozent. Wobei die Unterschiede nach Bundesländern extrem waren: In der Steiermark und in Oberösterreich handelte es sich um weniger als 20 Prozent, in Wien um 44 Prozent.

Schlimmer: Der Rat hat das Ziel gerade weiter nach oben geschraubt. 2030 sollte es für 45 Prozent der Kleinkinder einen Betreuungsplatz geben. Ein solcher ist wichtig, damit Mütter erwerbstätig sein können. Daher greift Nehammer das Thema auf. So soll der Fachkräftemangel bekämpft werden.

Es ist ein Eingeständnis: Nicht zuletzt Konservative wie Nehammer und seine ÖVP haben den großen Aufholbedarf zu verantworten. Bisher haben sie beim Ausbau der Kinderbetreuung gebremst. Diese sollte vor allem auch in der Familie, also zu Hause, stattfinden. Freiheitliche geben ihr in ihrem Grundsatzprogramm sogar den Vorzug gegenüber Krippen und Kindergärten.

Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at