Norbert Hofer: "Ich habe
mich einige Male gewundert"

FPÖ-Chef Norbert Hofer über die Situation der Freiheitlichen nach dem Ausschluss von Ex-Chef Heinz-Christian Strache, seinen Umgang mit Spesen, die finanzielle Lage der Partei und die Bilanz von Türkis-Blau.

von Jahresrückblick - Norbert Hofer: "Ich habe
mich einige Male gewundert" © Bild: News/Herrgott

Wenn Sie 2019 Revue passieren lassen, wundern Sie sich, was politisch alles möglich war?
Ich habe mich einige Male gewundert in diesem Jahr -und es war eine Herausforderung. Besonders auch für mich, weil ich schon seit 2016 sehr intensiv unterwegs war. Zuerst im Bundespräsidentenwahlkampf, dann die Nationalratswahl, danach meine Zeit als Minister mit EU-Ratsvorsitz und zuletzt die Stabilisierung der Partei. Mir war nicht fad.

Die Partei sehen Sie nach all den Turbulenzen um Ibiza, Heinz-Christian Strache und dem Scheitern der Regierung tatsächlich als stabilisiert?
Ja. Die Regierung ist ja auch nicht an der FPÖ gescheitert, sondern an zwei Personen. Heinz-Christian Strache ist ausgeschlossen, und die FPÖ ist geeint. Die Situation der Partei ist heute eine völlig andere als nach der Knittelfeld-Krise. Alle Landesparteien halten zusammen und sind geschlossen. Nach dem Ausschluss habe ich viele Mails erhalten, in denen vorwiegend Erleichterung zum Ausdruck gebracht wurde.

»Ich empfinde keine Furcht vor DAÖ«

In Wien haben sich aber jetzt Strache-Unterstützer als DAÖ (Die Allianz für Österreich) abgespalten. Fürchten Sie sich angesichts der kommenden Wahl davor -insbesondere vor einem möglichen Spitzenkandidaten Strache?
Ich habe mir die Antrittspressekonferenz der drei angesehen, und ich kann daher nur sagen, ich empfinde keine Furcht. Das gilt auch für den Fall, dass Strache tatsächlich antreten sollte. Das könnte uns vielleicht einige Prozentpunkte kosten; dann müssen wir uns eben doppelt anstrengen. Meine Philosophie ist ohnehin, mir kein Kopfzerbrechen über Dinge zu machen, die ich nicht ändern kann.

Welches Potenzial sehen Sie künftig für die FPÖ?
Selbst nach Ibiza sind wir kurz vor der Nationalratswahl bei 21 Prozent steigend gelegen. Dann kam die Spesenaffäre um Strache und die hat uns sehr geschadet. Trotz täglicher Negativberichterstattung ist es zuletzt gelungen, uns bei einem Kernwähleranteil von 15 bis 17 Prozent zu halten. Mein Ziel für die Zukunft ist es, aus der FPÖ eine stabile 25-Prozent-Partei zu machen.

Sie haben sich ja als Parteichef ein Durchgriffsrecht geben lassen -doch das wurde eigentlich noch nie angewendet
Das stimmt so nicht. Das Durchgriffsrecht betrifft die Suspendierung von Mitgliedern. Ich habe Strache suspendiert. Ausschlüsse werden von den Landes-bzw. Bundesparteigremien vollzogen. Auch ein Mandatar aus Niederösterreich wurde suspendiert, Philippa Strache wurde von mir ausgeschlossen, als sie ihr Mandat im Nationalrat angenommen hat.

Warum wurde H.C. Strache konkret ausgeschlossen?
Wegen parteischädigendem Verhalten bei seinem öffentlichen Auftreten. Die Spesenaffäre wurde draußen gehalten; die wird von der Staatsanwaltschaft untersucht, und da kann kein Parteigericht darüber entscheiden. Bei der Spesenaffäre -es gilt die Unschuldsvermutung -lautet der Vorwurf, dass falsche Belege vorgelegt wurden, und da sind wir selbst Geschädigte. Ich sage bewusst nicht Opfer, denn das wäre ein Zeichen von Schwäche.

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Bei Strache weiß man nicht so genau, was er tatsächlich plant. Was denken Sie, in welcher Gemütsverfassung er sich derzeit befindet?
Das kann ich nicht sagen. Ich habe auch schon seit Längerem keinen Kontakt mehr zu ihm und habe auch nicht vor, einen solchen aufzunehmen. Dennoch: Ich habe nie ein schlechtes Wort über ihn gesagt.

Und wenn er von sich aus den Kontakt suchen würde?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich weise aber auch niemals jemandem meine Türe. Angesichts des laufenden Verfahrens wäre ein Zusammentreffen aus juristischen Gründen wohl nicht klug.

Ist es eigentlich für eine Partei vertretbar, jemandem 10.000 Euro monatliche Spesen, 2.500 Euro Mietzuschuss und seiner Frau 9.500 Euro pro Monat für eine sogenannte ehrenamtliche Tätigkeit zuzugestehen?
Zu großzügige Spesenregelungen sind natürlich ein Problem, man muss aber auch sehen, dass während Wahlkämpfen zahlreiche Ausgaben anfallen. Es werden Leute eingeladen, es sind Mitarbeiter mit dabei, es muss genächtigt werden usw. Deshalb lassen wir auch neue Compliance-Regeln ausarbeiten und sagen, dass Repräsentationskosten streng reglementiert werden müssen. Es wird eine neue Bescheidenheit in der FPÖ Einzug halten. Ich habe auch meine eigenen Spesen genau prüfen lassen -und die betragen seit Mai rund 12.000 Euro.

Sind Sie womöglich weniger leutselig als Strache?
Wenn ich weniger leutselig wäre, hätte ich nicht bei der Bundespräsidentenwahl so ein Ergebnis erreicht, wie ich es hatte. Lokalrunden schmeiße ich jedenfalls keine. Wenn ich wo vorbeigehe und da sitzen vier Bauarbeiter vor einem Lokal, dann trinke ich vielleicht ein Bier mit ihnen. Da ich seit meinem Unfall nicht tanzen kann, brauche ich auch nicht in eine Disko gehen.

Sie sind mit Ihrem Gartenzaun auf Parteikosten in Ihrem burgenländischen Haus selbst auch in die Schlagzeilen gekommen
Das hat mich sehr getroffen. Es ist kein Zaun, sondern eine Mauer und die wurde auf Wunsch der Partei aus Sicherheitsgründen errichtet, als es im Präsidentschaftswahlkampf einige unschöne Ereignisse gab, Leute auf mein Grundstück gekommen sind und ans Badezimmerfenster geklopft haben. Schön ist die Mauer nicht, ich hatte davor eine 50 Jahre alte Hecke. Dafür verzichte ich auf private Security.

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Würden Sie im Krisenfall in die Osttiroler "Pension Enzian" der FPÖ -die mit den berühmt-berüchtigten Goldbarren -ziehen wollen?
Ich lebe in meinem Haus im Burgenland und die Osttiroler Villa gehört der Wiener FPÖ. Dort sollen Seminare und Schulungen stattfinden. Auch die Goldbarren gehören der Wiener Landespartei, die ihre angesparten Mittel nach der Finanzkrise sicher anlegen wollte, zum Beispiel zur Finanzierung von Wahlkämpfen. Angesichts der Entwicklung des Goldpreises war das kein schlechtes Investment. Im Gegensatz zu anderen Parteien, die mit Swap-Geschäften Millionen versenken.

Wie sieht eigentlich die Finanzsituation der FPÖ aus?
Sehr gut. Wir stehen im Vergleich zu ÖVP und SPÖ viel besser da. Wir haben rund 1,5 Millionen Euro Schulden und auf der anderen Seite Guthaben in ungefähr derselben Höhe. Das hängt auch damit zusammen, dass wir eine sehr schlanke Organisationsstruktur haben. Die SPÖ-Bundesgeschäftsführung etwa hat rund 100 Mitarbeiter, von denen sie jetzt 27 kündigen muss. Wir haben in Wien, wo die Parteienförderung besonders großzügig ist, insgesamt nur etwas mehr als zehn Mitarbeiter. Da macht jeder alles.

Haben Sie eigentlich in der türkis-blauen Koalition wahrgenommen, dass die ÖVP für einzelne Großspender eventuell mehr da war als für andere Gruppen?
Es hat mich gestört, dass es bisher möglich war, neben der Parteienförderung sehr hohe Spenden zu bekommen -aber das wurde vom Parlament inzwischen erschwert. Ein System wie in den USA, wo Personen oder Parteien von der Wirtschaft abhängig sind, will ich nicht. In der Regierungsarbeit war es so, dass wir mehr die soziale Komponente betonten, die ÖVP sicher etwas mehr die Wirtschaftskomponente. Dass da aber ein bestimmtes Unternehmen im Fokus der Koalitionsarbeit gestanden wäre, war für mich nicht erkennbar.

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Trotzdem hat man den Eindruck, das Einzige, was von der Regierungsarbeit bleibt, ist ein U-Ausschuss zum Thema Postenschacher -der wiederum stark mit der FPÖ zu tun hat
Der betrifft genau eine Person. und es wird sich zeigen, was letztlich übrigbleibt. Das Thema hat sich zuletzt stark in Richtung Dietmar Hoscher (Ex-SPÖ-Vorstand der Casinos Austria, Anm.) gedreht, der besonders hohe Abfertigungszahlungen erhielt. Was meine Tätigkeit als Infrastrukturminister betrifft, so gibt es kaum einen Minister, der so viele Manager in staatsnahen Unternehmen mit anderer Parteinähe in leitenden Funktionen belassen hat wie ich. Bei Aufsichtsräten sieht die Sache natürlich anders aus: Denn die haben eine Aufgabe als Eigentümervertreter, und da geht es neben der Qualifikation auch um das persönliche Vertrauen.

Bei der Causa um die Casinos Austria stehen ja Ex-Bezirksrat Peter Sidlo und ein mutmaßlicher Deal zwischen Novomatic und der FPÖ um Glückspiellizenzen im Fokus. Ist die FPÖ - auch mit Blick in die Vergangenheit -besonders anfällig für Korruption?
Ich kenne niemanden aus der FPÖ, der deswegen verurteilt wurde. Bei den Casinos Austria wird man sehen, was bei den Ermittlungen letztlich rauskommt. Was ich in dem Zusammenhang sehr wohl sehe, ist die Höhe von Abfertigungen, die hier gezahlt werden. Ich denke, wir brauchen andere Verträge im staatsnahen Bereich mit einer Bezügepyramide, die sich an Bilanzsumme, Mitarbeiterzahl und Erfolg des Unternehmens orientiert. In einigen Bereichen -zum Beispiel bei der Post -sind die Gehälter nicht zu rechtfertigen.

Für eine Neuaufstellung der FPÖ wird es auch nötig sein, sich von Nazi-Verbindungen endgültig zu verabschieden. Wird da je gelingen? Selbst Ex-Kanzler Kurz wurden die vielen Einzelfälle zu viel
Ich persönlich habe damit nichts am Hut, und es hat viele Distanzierungserklärungen von uns dazu gegeben -auch von Strache am Akademikerball. Was Einzelfälle angeht, so sind die auch bei anderen Parteien vorgekommen. Ich erinnere nur an Whatsapp-Chats zu antisemitischen Witzen und die burgenländische Nazikeller-Affäre im Umfeld der ÖVP oder Kommentare der SPÖ Langenzersdorf, die den Brandanschlag gegen die FPÖ-Landesgeschäftsstelle in St. Pölten mit den Nazi-Vorkommnissen beim Justizpalast-Brand verglichen haben. Jede Partei soll da vor ihrer eigenen Tür kehren.

»Was Personen betrifft, die in der NS-Zeit aktiv waren, sind wir nicht die einzige Partei«

Wann wird es endlich das Ergebnis der Historikerkommission zur FPÖ geben?
Das Ergebnis ist fertig, fertig, fertig - und wird veröffentlicht. Es fehlt nur noch ein genaues Datum, da eine Podiumsdiskussion geplant ist, bei der wir auch unabhängige Experten dabei haben wollen. Deshalb ist auch der erste geplante Termin geplatzt.

Können Sie uns verraten, was der Kern des Ergebnisses ist?
Die Aufarbeitung ist sehr umfassend und setzt sich durchaus kritisch mit der Geschichte der FPÖ auseinander - auch mit den Schwachstellen, die wir haben. Wir haben uns selbst nicht geschont und die Politik der FPÖ in der Praxis analysiert - ebenfalls unser Verhältnis zu Israel, um das wir uns sehr bemühen. Es wurden ja auch die Restitutionszahlungen unter ÖVP-FPÖ beschlossen. Was Personen betrifft, die in der NS-Zeit aktiv waren, sind wir nicht die einzige Partei. Das liegt auch an der Geschichte des Landes.

Türkis-Blau war ja auf zwei Regierungsperioden angelegt. Nach 18 Monaten war Schluss. So viel wurde nicht umgesetzt; hätten man bei den Vorhaben mehr Tempo an den Tag legen sollen?
Dem möchte ich widersprechen. Es ist viel weitergegangen -etwa im öffentlichen Verkehr, bei der Steuerreform oder der Sozialversicherungsfusion. Oder bei Dekarbonisierung, erneuerbarer Energie, Digitalisierung oder auch beim EU-Ratsvorsitz mit der Verabschiedung des Weltraumpakets. Mit dem Tempo, das wir vorgelegt hätten, wären wir mit unseren Vorhaben in drei Jahren fertig gewesen. Die Pflegereform wäre der nächste große Wurf geworden.

Eines Ihrer Prestigeprojekte, die Sozialhilfe neu, hat der VfGH jetzt aber gekippt.
Das ist sehr schade und für uns nicht wirklich nachvollziehbar. Der VfGH meint ja, dass gute Sprachkenntnisse die Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt nicht erhöhen. Diese Meinung ist höchst ungewöhnlich. Ich bin gespannt, wie die ÖVP mit den Grünen an ihrer Seite das Gesetz nun kippen. Denn die Aufhebung des unter Schwarz-Blau beschlossenen Gesetzes bedeutet mit Sicherheit eine Magnetwirkung für unqualifizierte Zuwanderung.

»Ich denke, die türkisgrüne Koalition ist auf Schiene«

Glauben Sie, dass eine türkisgrüne Koalition noch scheitern könnte?
Ich denke, die ist auf Schiene; auch wenn sich die Grünen, die sich wohlfeil verhalten haben, momentan etwas reinlegen lassen: Wenn es stimmt, dass sie das Justizressort bekommen sollen, das finanziell völlig ausgehungert ist, oder ein Verkehrsressort mit dem Umweltbereich -und dafür dort die wichtigen Forschungsagenden rauszunehmen, dann ist das schon ein kleines Foul. Da sehe ich schon die ersten Donnerstagsdemos gegen einen grünen Verkehrsminister, weil der die CO2-Reduktion nicht erreicht.

Würde Ihnen eine türkisgrüne Regierung bei der Wien-Wahl im kommenden Jahr politisch nützen?
Das hängt davon ab, wann die Koalition fertig ist und wann die Wien-Wahl stattfindet - und wie sich die beiden in der Zusammenarbeit tun. In den ersten Wochen wird es sicher eine Honeymoon-Zeit geben, doch dann wird der Alltag einziehen. Und da wird man sehen, was inhaltlich weitergeht und wie die allgemeine Zufriedenheit damit ist. Wenn zwei Parteien so verschieden -sich sozusagen nicht grün -sind, kann es schwierig werden.

Falls Türkis-Grün doch noch scheitert - wollen Sie dann wieder in die Regierung?
Ja, dann wären wir bereit, in Gespräche einzutreten. Für das Land wäre es am besten, wenn wir das gemeinsame Regierungsprogramm weiter abarbeiten würden. Wenn man von Ibiza absieht, waren die Österreicher mit der ÖVP-FPÖ-Regierung sehr zufrieden.

Abschließend eine echt wichtige Frage: Herbert Kickl sagt, dass Sie und er wie ein Twinni zu verstehen sind. Welche Farbe sind Sie?
(Lacht.) Da müsste man ein neues Twinni erfinden: eine hellblaue und eine dunkelblaue Hälfte. Wir arbeiten sehr eng zusammen, er ist der beste Klubobmann, den man sich als Parteichef wünschen kann.

Dieses interview ist ursprünglich in der Printausgabe von News (51+52/2019) erschienen!