Moscheenschließung:
IGGÖ "empört"

"Glaubensgemeinschaft aus politischem Kalkül in Verruf gebracht" - auch ATIB besorgt

Der türkische Moscheenverband ATIB hat sich "besorgt" über die sich zuspitzende Diskussion über Muslime in Österreich gezeigt und "sein Bedauern" über die von der Regierung gesetzten Maßnahmen ausgedrückt. Die schwarz-blaue Koalition droht, 40 ATIB-Imame wegen Auslandsfinanzierung des Landes zu verweisen. Auch die Islamische Glaubensgemeinschaft IGGÖ zeigte sich "empört". Internationale Pressestimmen bezeichneten das Vorhaben als "effekthaschend".

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Islam - Moscheenschließung:
IGGÖ "empört"

ATIB, der im Übrigen eine Vormachtstellung in der Islamischen Glaubensgemeinschaft hat, wies am Sonntag daraufhin, dass bis zum Jahr 2015 die Auslandsfinanzierung gesetzlich für muslimische Verbände erlaubt und ursprünglich ein Teil des Abkommens zwischen Österreich und der Türkei mit dem Ziel gewesen sei, das Defizit an religiösem Personal in Österreich schließen zu können. Auslandsfinanzierungen seien bei anderen anerkannten Glaubensgemeinschaften Gang und Gebe. "Eine Ungleichbehandlung von islamischen Institutionen ist nicht sachlich gerechtfertigt, weshalb jedenfalls zu hinterfragen ist, ob dies dem Gleichheitssatz, der in der Verfassung verankert ist, gerecht wird", so der Verein.

"Lehnen Assoziation mit politischem Islam ab"

Der Moscheenverband ATIB leiste "eine wertvolle gesellschaftspolitische Arbeit und engagiert sich bei nationalen Hilfsorganisationen". "Selbst unsere schärfsten Kritiker gestehen, dass unser Verständnis des Islams säkular und selbstverständlich gemäßigt ist. Daher lehnen wir eine Assoziation unseres Verbandes mit dem sogenannten 'politischen Islam' kategorisch ab." Man pflege einen ausgezeichneten sowie transparenten Umgang mit österreichischen Behörden.

ATIB ortete einen "einseitigen medialen Diskurs" und "Kampagnen individueller Politiker", die "dem Verband und gleichzeitig der gesamten Gesellschaft schaden". Man bekenne sich zu 100 Prozent zu den Werten Österreichs.

ATIB vertritt den sunnitischen Islam und gilt als verlängerter Arm der türkischen Religionsbehörde Diyanet sowie der AKP-Partei des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

IGGÖ "empört"

"Empört" hat die Islamische Glaubensgemeinschaft IGGÖ über die Moscheen-Schließungen und Ausweisungen von Imamen durch die Bundesregierung reagiert. Das diene nicht der Bekämpfung des politischen Islam, sondern nur der Schwächung der Strukturen der Glaubensgemeinschaft, teilte IGGÖ-Präsident Ibrahim Olgun am Sonntag der APA mit und kündigte rechtliche Schritte an.

"Glaubensgemeinschaft aus politischem Kalkül heraus in Verruf bringen"

Er warf der Regierung vor, "die Glaubensgemeinschaft aus politischem Kalkül heraus in Verruf zu bringen". Am letzten Freitag im Fastenmonat Ramadan, nur Stunden vor dem Freitagsgebet eine spontane Pressekonferenz anzusetzen, bei der die Schließung mehrerer Moscheen verkündet wird, "ist ein Affront gegen die Musliminnen und Muslime in Österreich". "Dies scheint auch den Regierungsvertretern bewusst zu sein, die mehrfach betonten, dass man eng mit der IGGÖ kooperiert habe. Dazu ist freilich festzuhalten, dass man es nicht einmal für nötig befand, die IGGÖ vorab über die präsentierten Maßnahmen zu informieren", kritisierte Olgun.

"Unter dem Schlagwort des Kampfes gegen den politischen Islam" hätten vier Vertreter der österreichischen Bundesregierung, darunter auch der Bundeskanzler, am letzten Freitag zu einer Pressekonferenz eingeladen und ihr Maßnahmenpaket präsentiert. "Eine sachliche Begründung, wie die Selektion der zu schließenden Vereine erfolgte, ist nicht ersichtlich." Es sei "unschwer zu erkennen, dass die genannten Maßnahmen nicht zur Bekämpfung eines politischen Islams geeignet sind, sondern im Ergebnis lediglich zu einer Schwächung der Strukturen der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich führen".

Mit dem Islamgesetz sei der Glaubensgemeinschaft die Verantwortung über die Kontrolle sämtlicher islamischer Einrichtungen überantwortet, ohne ihr staatliche Unterstützung zukommen zu lassen. Bisher sei die Vereinsbehörde und somit das Innenministerium für die Überwachung gesetzwidriger Aktivitäten zuständig. "Nunmehr wird aus politischem Kalkül heraus jede fragliche oder der Regierung gesetzwidrig erscheinende Handlung mit dem Islamgesetz geahndet und damit die Glaubensgemeinschaft als Ganzes in Verruf gebracht. Besonders unverständlich ist auch die Tatsache, dass nunmehr Politiker, welche bis vor kurzem sich noch mit Vertretern der jetzt kritisierten Vereine in Wahlkampfzeiten fotografieren ließen, diese Einrichtungen jetzt als radikale und extremistische Institutionen an den Pranger stellen. Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich verurteilt dieses politische Taktieren aufs Schärfste und lädt die österreichische Bundesregierung dazu ein, wieder auf den Boden der Sachlichkeit zurückzukehren."

Prüfung der Vereinsstrukturen angekündigt

Olgun kündigte eine inhaltliche und formelle Prüfung der betroffenen Vereinsstrukturen an, um die tatsächlichen Gegebenheiten zu ermitteln und die nötigen Entscheidungsgrundlagen aufzuarbeiten. Sollten sich danach die in den Raum gestellten Vorwürfe erhärten, werde es aus Sicht der IGGÖ auch entsprechende Konsequenzen geben. Zweitens werde die IGGÖ an das Kultusamt herantreten und eine Stellungnahme zu den aktuellen Entwicklungen anfordern, da bis dato eine adäquate Miteinbeziehung nicht erfolgt sei. "Drittens wird in diesem Zusammenhang eine rechtliche Überprüfung der gegenständlichen Maßnahmen beauftragt, da sich auf den ersten Blick aus rechtsstaatlichen Überlegungen heraus zahlreiche juristische Fragestellungen ergeben. Die Schließung von Glaubenseinrichtungen und Gebetsstätten ist nämlich ein drastischer Schritt, der nicht mit Mutmaßungen und Formalitäten begründet werden kann."

Die Glaubensgemeinschaft warnte davor, dass Muslime in der öffentlichen Diskussion immer mehr unter Generalverdacht gestellt werden. "Lösungen sollten gemeinsam an einem Tisch erarbeitet werden, statt im medialen Alleingang Politik auf dem Rücken der muslimischen Minderheit zu betreiben. In diesem Sinne möchten wir nochmals alle unsere Moscheen und Vorstandsmitglieder daran erinnern, dass alle Bestimmungen des Islamgesetzes einzuhalten sind."

Internationale Presse: "Effekthaschend"

Die Schließung von sieben Moscheen ist am Wochenende auch von internationalen Zeitungen kommentiert worden:

"NZZ am Sonntag" (Zürich): "Der richtige Weg gegen radikale Imame. Die Mitte-Rechts-Regierung von Kanzler Sebastian Kurz hat die Ankündigung diese Woche zwar effekthaschend inszeniert. Und doch zeigt Kurz, dass es einen rechtsstaatlich sauberen Weg gegen fragwürdige Moscheen gibt. Dazu braucht es keine Religionspolizei und keine Gesinnungstests. Als wirkungsvoll erwiesen hat sich vielmehr das seit 2015 geltende Verbot der Auslandsfinanzierung muslimischer Gemeinden. Denn diese ist oft mit Indoktrination verbunden, wie der konkrete Fall zeigt: Die betroffenen Imame ließen sich laut den Ermittlern indirekt von der türkischen Regierung finanzieren und verbreiteten deren Propaganda. Österreich beweist somit, dass es sich lohnt, dem Geld zu folgen. Daraus sollte man in der Schweiz lernen, wo der radikale Islam ebenfalls Anlass zur Sorge gibt. Ein erster Schritt wäre, die religiösen Gemeinschaften hierzulande zu finanzieller Transparenz zu verpflichten. Damit würde die Religionsfreiheit nicht beschnitten. Aber sichergestellt, dass die, die sich darauf berufen, keine finsteren Ziele verfolgen."

"Süddeutsche Zeitung" (München): "Im Umgang mit jeder Form von Extremismus hat der Staat zwei Aufgaben: Er muss wachsam sein, und er darf nicht alarmistisch sein. Die Wachsamkeit schützt vor Gefahren, der Alarmismus ist gefährlich, weil er die Verhältnismäßigkeit aushebelt und Ängste schürt - und weil Populisten mit diesen Ängsten Politik betreiben. Vor diesem Hintergrund kann man Österreichs Regierung Wachsamkeit bescheinigen, wenn sie nun Moscheen schließt, in denen rechtsradikale Graue Wölfe oder Salafisten ihr Unwesen treiben. Hier darf der Staat nicht wegschauen, weil Hassprediger die Saat ausstreuen können für Terror und Gewalt.

Mit der Art der Ankündigung dieser Maßnahmen jedoch hat sich diese Regierung zugleich dem akuten Alarmismus-Verdacht ausgesetzt. Wenn sehr kurzfristig eine Pressekonferenz angesetzt wird, auf der Kanzler, Vizekanzler und obendrein noch zwei Minister in eiliger Vierfaltigkeit auftreten, dann wirkt das fast grotesk und in jedem Fall grob übertourt. Dies verrät das Kalkül der beteiligten Politiker von Volkspartei und FPÖ, mit diesem sensiblen Thema auf populistische Art zu punkten. Es ist die Fortsetzung des österreichischen Wahlkampfs mit regierungsamtlichen Mitteln. Systematisch wird so ein Klima geschaffen, in dem notwendige Differenzierungen keinen Platz mehr finden. Da wird nicht mehr zwischen Islam und Islamismus unterschieden, und Flüchtlinge sind nur noch 'illegale Migranten'. Es gibt gute Gründe, einer solchen Politik gegenüber wachsam zu sein."

"El Pais" (Madrid): "Österreich schließt sich dem Krieg gegen die Minarette an. Die populistische und fremdenfeindliche Regierung von Sebastian Kurz hat die Schließung von sieben Moscheen und die Vertreibung von 60 Imamen angekündigt. (...) Diese österreichische Offensive ist Teil einer anti-muslimischen Welle. Das Land hat keine brutalen Angriffe erlitten, aber es hat die Flüchtlingskrise von 2015 erlebt. Aber Österreich hat viel ältere Referenzen. In historischer Hinsicht bedeutete der Islam für Jahrzehnte eine Bedrohung. Das Osmanische Reich belagerte wiederholt Wien zwischen 1529 und 1683. (...) Der österreichische Fall zeigt, dass Menschen die Fehler der Geschichte wiederholen und Sklaven von Angst und Vorurteilen sind."

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