Flüchtlinge: Kurz will
Brenner-Grenze "schützen"

Innenministerium sieht Lage am Brenner noch stabil

Außenminister Sebastian Kurz hat am Dienstag klargestellt, dass Österreich im Fall eines entsprechenden Flüchtlingszustroms die Brenner-Grenze "schützen" will.

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Flüchtlinge - Flüchtlinge: Kurz will
Brenner-Grenze "schützen"

Die österreichische Politik verstärkt wieder die Drohungen bezüglich einer Schließung der Brenner-Grenze. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) kündigte gegenüber mehreren Medien an, 750 Soldaten in Bereitschaft zu versetzen. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) wiederum stellte in Richtung EU klar, dass man im Bedarfsfall den Brenner "schützen" werde.

Handlungsbedarf sieht Kurz seitens der EU und Italiens. Ziel müsse die Schließung der Mittelmeer-Route sein, bekräftigt der ÖVP-Obmann im APA-Gespräch.

Dass nun Vorbereitungen für Grenz-Kontrollen zu Italien vorgenommen würden, sei nicht nur richtig sondern auch notwendig, zeigt sich Kurz über die "gute Zusammenarbeit" zwischen Innen- und Verteidigungsministerium erfreut. Es sei auch ehrlich, jetzt Italien und der EU ganz klar zu sagen: "Wir bereiten uns vor und wir werden unsere Brenner-Grenze schützen, wenn es notwendig ist."

Dies sei seine ganz klare Message, meinte der Außenminister in Richtung Brüssel und Rom. Niemand brauche hier Österreich Vorwürfe machen: "Wir haben mehr Menschen aufgenommen als fast alle Staaten Europas." Die EU müsse klarstellen, dass eine Rettung im Mittelmeer nicht mit einem Ticket nach Europa verbunden sein dürfe. Entweder man führe die Flüchtlinge zurück oder müsse sie an den Außengrenzen stoppen und auf Inseln wie Lampedusa bringen.

Hauptzielländer: Deutschland, Schweden und Norwegen

Das Innenministerium begrüßte indes auf APA-Anfrage ebenfalls, dass das Bundesheer seine Bereitschaft an den Grenzen in Tirol erhöht. Die Zahlen der Flüchtlinge an den Übergängen bezeichnet Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperei und des Menschenhandels, im Ö1-"Morgenjournal" jedoch als stabil. Vermehrte Aufgriffe in Kärnten oder Tirol gebe es nicht.

Auch nennt Tatzgern Österreich nicht als eines der Zielländer der großteils aus Afrika stammenden Flüchtlinge. Hauptzielländer seien Deutschland, Schweden und Norwegen. Jene, die aus französisch-sprachigen Staaten kommen, peilten Frankreich aber auch Teile der Schweiz an. In Österreich waren in den ersten fünf Monaten 10.520 Asyl-Ansuchen abgegeben worden. Das ist nicht einmal die Hälfte der Vorjahrswerte, als bis Ende Mai 22.419 Anträge eingereicht wurden.

Tage oder Wochen, "bis diese Migranten wirklich spürbar sind"

Ob die Lage so vergleichsweise ruhig bleibt, kann man derzeit nicht beantworten. Die Erfahrung habe gezeigt, dass es einige Tage oder Wochen dauere, "bis diese Migranten wirklich spürbar sind, dass sie auch nach Österreich kommen wollen", so Tatzgern angesichts der zunehmenden Flüchtlingszahlen an den italienischen Küsten.

Im Bundesheer will man jedenfalls vorsorgen. 750 Personen werden für einen Einsatz am Brenner vorbereitet, sind also innerhalb von 72 Stunden einsatzbereit. In anderen Bundesländern ist man bereits seit längerem im Einsatz, gesamt mit 860 Mann, der Großteil davon im Burgenland (436). Aber auch in Kärnten, das ja wie Tirol an Italien grenzt, sind schon 129 Soldaten unterstützend tätig.

Strache verlangt unverzügliche Maßnahmen

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache verlangt "unverzügliche" Maßnahmen, um auf einen "Flüchtlingsansturm" von Italien aus vorbereitet zu sein. Sofortige Grenzkontrollen vor allem am Brenner seien das Gebot der Stunde.

Das "Asylchaos" in Italien werde ein massives Problem für Österreich werden, glaubt Strache. Gerade Tirol werde davon besonders betroffen sein. Daher müsse bereits jetzt gehandelt werden.

Karas: EU muss Italien und Griechenland helfen

Der ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament Othmar Karas hat neuerlich die Solidarität aller Staaten in der Flüchtlingskrise eingefordert. Die EU müsse Italien und Griechenland helfen. Angesprochen auf neue restriktive Maßnahmen der EU-Kommission gegen Flüchtlingsschiffe im Mittelmeer hielt er sich zurück.

Dies werde die EU-Kommission beschäftigen. Konkret will Italien notfalls Häfen vor Flüchtlingsschiffen schließen und NGOs abweisen, hieß es im Vorfeld. Karas sagte, generell müsse die EU besser zusammenarbeiten. Die Mittelmeerpolitik sei zu intensivieren und der Außengrenzschutz müsse vergemeinschaftet werden.

Der SPÖ-Europamandatar Josef Weidenholzer kritisierte die EU-Kommission. "Was die Kommission sagt, ist zum Teil entbehrlich. Weil sich die Kommission in ihrer Meinung selbst bekräftigt und eigentlich nichts wirklich weitergebracht hat. Die unsägliche Relocation-Geschichte hat nicht funktioniert".

»Gigantisch chaotisches Nirvana«

Das Hauptproblem sei die Stabilisierung Nordafrikas. Das "gerät zu einem gigantischen chaotischen Nirvana, in das wir uns hineinbegeben", so Weidenholzer. Was sich an der libyschen Küste abspiele, sei katastrophal. Alles liege in den Händen einer Schlepper-Mafia, die auch vor Morden gegenüber Flüchtlinge, die das Geld für eine Fahrt übers Mittelmeer nicht aufbringen können, zurückschreckten. Darüber hinaus sei Ägypten nicht bereit zu kooperieren. Man könne nur mit Marokko, Tunesien oder Algerien versuchen, die Dinge zu stabilisieren.

Der grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon sieht in den geplanten Verschärfungen der Kommission eine "grundsätzlich falsche Politik". Daher könne man "im falschen auch keinen richtigen Schritt machen". Es sei angesichts der politischen Realität klar, warum Italien sich im Stich gelassen fühle. Wobei er die Notwehraktion einer linken italienischen Regierung oder die Weigerung des konservativen Premiers in Ungarn Viktor Orban zur Flüchtlingsverteilung gleich bewerte, "ich lehne auch die Maßnahmen der italienischen Regierung ab".

Die liberale EU-Mandatarin Angelika sieht eine Lösung des Flüchtlingsproblems darin, dass die EU ein "gewisses Kontingent von Migrationswilligen nimmt". Wie hoch diese Zahl sei, könne man derzeit nicht sagen. Wesentlich werde sein, ein Migrationsmanagement zwischen Herkunftsland, Transitland und Zielland zu schaffen.

Grüne gegen Grenzkontrollen

Die Grüne Migrationssprecherin Alev Korun kritisiert die Pläne von Verteidigungsminister Doskozil und Außenminister Kurz für Grenzkontrollen zu Italien und fordert stattdessen eine Bekämpfung der Fluchtursachen.

"Wer statt diesen nachhaltigen Maßnahmen Panzer an die Grenze stellt - und mit diesen in letzter Konsequenz auf geflüchtete Menschen und Migranten zielt - der will keine nachhaltige Lösung, sondern nur durch Schlagzeilen punkten. Wer Flucht- und Migrationsursachen jahre- und jahrzehntelang nicht behandelt, sondern nur Symptombekämpfung betreibt, streut der Bevölkerung Sand in die Augen", sagte Korun am Dienstag in einer Aussendung. Sie rief dazu auf stattdessen bei den Themen Waffenhandel, EU-Handelspolitik und einheitlichem EU-Asylsystem tätig werden.

Reaktion aus Italien

In Rom reagiert man auf die österreichischen Ankündigungen eher verschnupft. Die regierende Demokratische Partei rief nach EU-Sanktionen gegen Österreich, und das italienische Außenministerium hat den österreichischen Botschafter in Rom, René Pollitzer, zu einem Gespräch gebeten. Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher sieht die Drohung mit Grenzkontrollen dem Wahlkampf-Klima in Österreich geschuldet.

Tatsächlich dürfte die Lage zumindest noch zu bewältigen sein. Wie der Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperei und des Menschenhandels im Innenministerium, Gerald Tatzgern gegenüber Ö1 versicherte, gebe es noch keine verstärkten Aufgriffe in Tirol oder in Kärnten über Italien. Dies könnte sich aber innerhalb von Tagen oder Wochen ändern. Als Zielstaaten der vor allem aus Afrika stammenden Flüchtlinge nannte er Deutschland, Schweden und Norwegen sowie für jene aus französisch-sprachigen Ländern Frankreich und Teile der Schweiz.

Am Donnerstag findet in Rom ein Gipfeltreffen zu Migrationsthemen statt, an dem sich mehrere von der Flüchtlingsproblematik betroffene Länder beteiligen. Österreich ist durch Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) vertreten.

Für Tirols Polizeichef Brenner-Kontrollen "kein Thema"

Für den Tiroler Landespolizeidirektor Helmut Tomac sind Grenzkontrollen am Brenner derzeit "kein Thema". Die Vorbereitungen des Verteidigungsministeriums seien "aufgrund der Entwicklung auf der Brennerroute in keiner Weise nachvollziehbar", sagte Tomac. Selbstverständlich sei es aber "Angelegenheit des Bundesheers auch allfällige Vorlaufzeiten" zu berücksichtigen.

Derzeit sei für die Schengen gemäßen Hinterlandkontrollen eine Gruppe von rund hundert Mann im Einsatz. Die Aufgriffszahlen würden sich dabei im langfristigen Trend bewegen, also zwischen 15 bis 25 illegale Migranten pro Tag. Am Wochenende würden bis zu 40 registriert. "Derzeit gibt es auf der Brennerroute keine Auffälligkeiten", betonte Tomac. Beispielsweise seien in der Kalenderwoche 25 im vergangenen Jahr 168 Aufgriffe verzeichnet worden, heuer waren es in derselben Woche 86.

Freilich sei die gestiegene Zahl der Anlandungen in Italien ein Alarmsignal. Es gebe zur Zeit aber keine Informationen von den italienischen Verbindungsbeamten, dass sich eine große Zahl von Menschen vom süditalienischen in den norditalienischen Raum bewege, so der Landespolizeidirektor.

Kommentare

Mailyn P.

"Österreichische Soldaten sollen Brennerpass kontrollieren"
Und die deutsche Bundeswehr verteidigt Europa weiter am Hindukusch.
Österreich hat zumindest erkannt, was in solchen Zeiten Priorität haben sollte.

Was er alles "will" - wann tut er endlich etwas statt nur Sprüche klopfen???

Mailyn P.

"750 Soldaten für Grenzsicherung"
Lachhaft! Jetzt kommt erstmal der Familiennachzug der direkt in die Sozialsysteme geht. Es bleibt daher sozialpolitisch weiterhin äusserst spannend.

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Flüchtlinge und Migranten... die Politik und die Medien kennen da keinen Unterschied. Diese Leute sind einfach zu dumm, um den Unterschied zu erkennen und zu machen, und nicht imstande legislativ, exekutiv und informativ damit um zu gehen. Den Hausverstand hat sich Billa schon patentieren lassen. Österreich und die anderen EU-Staaten sind sichs zu faul mehrere Eingreiftruppen an die Küsten von

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Afrika zu schicken und den Schleppern dort das Handwerk zu legen. Unser Aussenminister schafft es nicht einmal mit den dortigen Staaten notwendige Gesetze und Verträge aus zu handeln um die Sache in den Griff zu bekommen, lieber schottet er Österreich ab. Wie ein Trumpel.

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Unsere Streitmacht mit den tollen Eurofightern kann auch nur in der Luft gelegentlich Überschallknallen und löchrige überteuerte Grenzzäune bewachen.

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Unser toller Aussenminister kann im Ausland gar nix ausser zu jung sein.

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