Flüchtlinge: Faymann
beharrt auf Obergrenze

Trotz eindringlicher Kritik seitens der EU. Plus: Weitere aktuelle Ereignisse

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat trotz eines EU-Einwandes gegen deren Rechtskonformität die Obergrenze für Flüchtlinge verteidigt. Rechtliche Fragen müssten die Juristen klären. "Politisch sage ich, wir bleiben dabei. Es ist undenkbar, dass Österreich ... die Asylwerber für ganz Europa aufnimmt", sagte Faymann vor Beginn des EU-Gipfel in Brüssel am Donnerstag.

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beharrt auf Obergrenze

Angesprochen auf eine mögliche humanitäre Katastrophe der auf der Balkanroute aufgehaltenen Flüchtlinge sagte Faymann, es müssten andere Staaten nun mehr Schutzsuchende aufnehmen. "Wenn die Europäische Union nicht dem österreichischen Vorbild, dem schwedischen und dem deutschen folgt und überall Flüchtlinge aufnimmt, dann kenne ich keine humanitäre Lösung."

Der Kanzler betonte allerdings, dass Österreich nach wie vor den Kurs der deutschen Kanzlerin Angela Merkel zu einer EU-Lösung der Flüchtlingsfrage unterstütze und sich auch weiterhin zur Aufnahme einiger Geflüchteten bekenne. Alle Staaten wollten eine Lösung - aber diese sei noch "weit entfernt". Österreich habe im Vorjahr 100.000 Flüchtlinge aufgenommen - was gut einem Prozent seiner Bevölkerung entspreche. Auch in den kommenden Jahren werde man - mit Obergrenze - einige Flüchtlinge aufnehmen. "Wir haben gesagt, wir nehmen noch einmal eineinhalb Prozent unserer Bevölkerung an Flüchtlingen auf, aber alles andere wäre unrealistisch und falsch".

Mikl-Leitner weicht nicht von ihrem Plan ab

Aller Kritik seitens der EU zum Trotz will auch Mikl-Leitner wie geplant an den Tageskontingenten festhalten. "Wir werden morgen damit beginnen", erklärte sie am Donnerstag. Die Kontingente einzuführen sei vor Monaten für Deutschland rechtskonform gewesen und "ist es selbstverständlich auch jetzt für Österreich".

Der Brief des EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos an die Innenministerin gebe selbst die Antwort darauf, wo das eigentliche Hauptproblem liege. In dem Schreiben heißt es, dass Österreich mit seinen Beschränkungen für einreisende Flüchtlinge gegen diverse Rechtsgrundlagen verstoße. So seien zum Beispiel Kontingente für den Transit von Asylbewerbern nicht zulässig - Schutzbedürftige dürften nicht in das Land ihrer Wahl weiterreisen, sondern müssten im "ersten 'sicheren' Land um Asyl ansuchen und bleiben".

Mikl-Leitner dazu: "Es ist bemerkenswert, dass gerade Österreich darauf hingewiesen wird, dass sich Asylwerber nicht aussuchen dürfen, in welchem Land sie ihren Antrag stellen." Es sollte allgemein bekannt sein, dass Österreich nicht an der EU-Außengrenze liegt und daher eben nicht das erste sichere Land für Migranten sein kann. Wenn diese berechtigten Hinweise der Kommission an der EU-Außengrenze vollzogen würden, müsste Österreich keine Maßnahmen setzen."

Obergrenzen verstoßen gegen das Recht

Die von Österreich angekündigten jährlichen und täglichen Asyl-Obergrenzen verstoßen nach Auffassung der EU-Kommission gegen europäisches und internationales Recht. "Eine solche Politik wäre klar inkompatibel mit Österreichs Verpflichtungen unter europäischem und internationalem Recht", heißt es in einem Brief der EU-Behörde vom Donnerstag.

Die EU-Kommission kritisiert in dem Schreiben von EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner insbesondere einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, die Genfer Konvention und Artikel 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

"Österreich hat die rechtliche Verpflichtung, jeden Asylantrag zu akzeptieren, der auf seinem Territorium oder an seiner Grenze gestellt wird", schreibt die Kommission. Die Frage, ob Österreich für die Asylanträge zuständig sei, müsste nach den geltenden EU-Bestimmungen entschieden werden, insbesondere nach der Dublin-Verordnung. Diese sieht vor, dass das EU-Land der Erstaufnahme - in den meisten Fällen Griechenland - für die Asylverfahren zuständig ist. In der Praxis ist das Dublin-System in der Flüchtlingskrise aber zusammengebrochen.

Avromopoulos bittet Mikl-Leitner: "Angesichts dieser Erwägungen würde ich Sie dringend bitten, die einseitigen Maßnahmen zu überdenken, die Sie vorschlagen." Immerhin bedankte sich der Kommissar, dass die Innenministerin die EU-Kommission am Mittwoch über die für Freitag geplanten Maßnahmen informiert habe. Eine Politik des "Durchwinkens" führe nur zu weiteren Flüchtlingsbewegungen und Unordnung, warnte der Kommissar.

Noch 80 Asylanträge pro Tag

Ab Freitag sollen an der heimischen Südgrenze nur noch 80 Asylanträge pro Tag angenommen werden. Außerdem sollen höchstens 3.200 Flüchtlinge nach Deutschland durchreisen. Diese "Tageskontingente" hat Mikl-Leitner am Mittwoch angekündigt. Die Innenministerin hatte die Zusammenarbeit mit Slowenien als vorbildlich bezeichnet.

Die beschlossene Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien habe oberste Priorität, forderte der EU-Innenkommissar. Weil die EU-Kommission den Druck auf Österreichs Asylsystem anerkenne, habe sie vergangene Woche zugestimmt, dass 30 Prozent der Österreich zugewiesenen Flüchtlinge von der Entscheidung vorübergehend suspendiert würden. Österreich hatte sich insgesamt zur Aufnahme von 1.953 Flüchtlingen im Rahmen der EU-Umverteilung verpflichtet, aber keine freien Plätze gemeldet.

Juncker kritisiert Österreich

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte vor dem EU-Gipfel Österreichs Entscheidung für eine tägliche Flüchtlingsobergrenze scharf kritisiert. "Was Österreich betrifft, muss ich sagen, dass ich die Entscheidung nicht mag. Wir hinterfragen, ob diese Entscheidung in Einklang mit EU-Recht steht."

Er habe die vergangen Monate schon "perfekt klargemacht, dass wir als Kommission keine nationalen Grenzkontrollen mögen. Ich folge nicht diesem allgemeinem Trend von immer mehr Grenzkontrollen. Das passiert, weil wir keinen europäischen Ansatz haben", sagte Juncker. Er werde weiter für eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise eintreten.

In der EU und unter den Balkanstaaten wird eine humanitäre Krise wegen eines Flüchtlingsrückstaus binnen weniger Tage befürchtet. Wie aus EU-Kreisen verlautete, wurde diese Besorgnis am Mittwochabend beim Treffen der EU-Spitzen in Brüssel mit den Staats- bzw. Regierungschefs von Kroatien, Serbien, Mazedonien und Slowenien formuliert.


+++ WEITERE AKTUELLE EREIGNISSE +++


EU-Grenzen ab 1. März dicht?

Die serbische Zeitung "Danas" berichtete unterdessen unter Berufung auf EU-Kommissionskreise in Brüssel, die EU dürfte bis 1. März die Grenzen für Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und dem Irak allmählich vollkommen zumachen.

An dem Brüsseler Treffen nahmen u.a. auch EU-Ratspräsident Donald Tusk, EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und ein Vertreter der niederländischen EU-Ratspräsidentschaft teil. Der allgemeine Konsens bei dem Treffen habe gelautet, "Slowenien ist ein Opfer Österreichs", hieß es in EU-Kreisen.

Slowenien entsendet 100 Soldaten an Grenze zu Kroatien
Rund 100 Soldaten hat Slowenien am Donnerstag an die Grenze zu Kroatien entsandt, sie sollen die Grüne Grenze bewachen helfen. Das teilte die slowenische Armee mit. Es ist nicht das erste Mal, dass dies in der Flüchtlingskrise geschieht, es handelt sich aber um das bisher größte Militärkontingent, sagte Heeressprecher Simon Korez der Agentur STA.

Die zur Grenzsicherung eingesetzten Truppen haben keine Polizeivollmachten - das Parlament muss diese Möglichkeit erst einführen - daher leisten die Soldaten den Grenzpolizisten nur Unterstützungsdienste. Jedem Polizisten seien zwei Soldaten für gemeinsame Patrouillen zugeordnet worden, so Korez.

Slowenien folgt Österreich mit Maßnahmen, die den Zustrom an Flüchtlingen begrenzen sollen. Slowenien hat aber keine Tagesobergrenze ausgegeben. Es führt strengere Kontrollen durch und hat die Bedingungen für Asylwerber und Migranten, die Slowenien als Transitland nutzen, erschwert. Durch die strengeren Kriterien wird eine gesteigerte illegale Zuwanderung erwartet - daher die Verstärkung an der Grünen Grenze, wo bereits auf 150 Kilometern ein NATO-Draht-Zaun steht.

Verstärkte Kontrollen

"Kroatien unterstützt den Vorschlag des slowenischen Ministerpräsidenten, Kräfte an der mazedonisch-griechischen Grenze aufzustocken", sagte der kroatische Premier Tihomir Oreskovic nach dem Treffen laut nationaler Agentur HINA. Kroatische Polizisten seien bereits dorthin entsandt worden. Die Flüchtlingsroute werde nicht total blockiert, aber die Kontrollen verstärkt. Auch Oreskovic betonte für sein Land, dass es mit Österreich nachziehen und seinerseits die Zahl der Flüchtlings kontingentieren werde.

Die STA zitierte auch eine namentlich nicht genannte informierte Quelle zu dem Brüsseler Treffen im Vorfeld des EU-Gipfels. Demnach befürchten die vier Balkan-Staaten, dass die "einseitigen Schritte" Österreichs wochenlange Bemühungen, die Kooperation in der Flüchtlingskrise zu stärken, zunichtemachen. "Sie waren sich einig, dass einseitige Schritte vermieden und die Koordinierung verbessert werden müssen."

Suche nach umfassender EU-Lösung

Sowohl der serbische Präsident Tomislav Nikolic als auch sein mazedonischer Amtskollege Gjorge Ivanov plädierten erneut für eine umfassende EU-Lösung der Flüchtlingskrise. Nikolic meinte, dass bei einer Schließung der Grenzen die Flüchtlinge auch danach "um jedem Preis" versuchen würden, Europa zu erreichen. "Wir könnten dies dann nicht mehr mit friedlichen Mitteln aufhalten."

Ivanov sagte, es gelte in der Flüchtlingskrise den Akzent auf den Sicherheitsaspekt zu legen. Dieser sei bisher von der EU vernachlässigt worden sei. Der EU-Beitrittskandidat Mazedonien wolle sich seiner Verantwortung in der Flüchtlingskrise nicht entziehen, verlange aber die Zusicherungen Brüssels hinsichtlich politischer, wirtschaftlicher und sicherheitstechnischer Unterstützung. So sei der Bitte seines Landes vom Oktober nach Ausrüstung zur Personenkontrolle und Zugang zu Daten der EU-Grenzschutzagentur Frontex nicht nachgekommen worden.

Die Totalsperre, von der "Danas" berichtet, solle Schritt für Schritt über Maßnahmen erfolgen, wie sie bereits an den Grenzen zwischen Slowenien und Kroatien sowie Serbien und Mazedonien angewendet werden. Dort habe eine strengere Aussiebung der ankommenden Flüchtlinge bereits begonnen, so das Blatt. Es gehe um die Frage, ob die Flüchtlinge wirklich aus Kriegszonen kämen, aber auch darum, ob Familienmitglieder bereits in der EU sind. Personaldokumente würden strenger geprüft, so auch die Sprache und Mundart der Ankommenden auf der Balkanroute.

Diskussion über Mindestsicherung in Kärnten

Die Diskussion über eine eventuelle Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte und subsidiär Schutzbedürftige in Kärnten geht weiter. SPÖ-Klubchef Herwig Seiser hat sich am Donnerstag vor Journalisten für die Beibehaltung der bestehenden Regelung stark gemacht. Auch die Grünen bekannten sich via Aussendung zum Status quo. Der dritte Koalitionspartner ÖVP sieht sehr wohl Handlungsbedarf.

"Die Mindestsicherung sichert gerade die mindeste Existenz", meinte Seiser. Eine Kürzung würde zu Bettelei und in weiterer Folge zu einem Anstieg der Kriminalität führen. Um die öffentlichen Haushalte nicht übermäßig zu strapazieren, müsse aber der Zustrom an Flüchtlingen stark begrenzt werden, "sonst werden wir unsere sozialen Standards nicht aufrecht halten können".

Kommentare

giuseppeverdi melden

Wir verstoßen also gegen EU-Recht? Das was die so hochgelobte EU aber den Briten genehmigen will (Sozialleistungen für EU-Bürger werden eingefroren) ist auch ein Bruch des EU-Rechtes. Wenn es also einen Verfahren gegen Österreich geben sollte, rate ich dazu, aus der EU auszutreten. Als Nettozahler werden sie uns wie jetzt den Briten nachlaufen, wie die Kinder einst dem Rattenfänger von Hameln.

giuseppeverdi melden

Immer schön mit dem Austritt drohen und nicht immer auf dem Bauch die Brüsseler Büros betreten. Dann bekommen wir vielleicht auch wie die Briten den Britenrabatt, nur heißt er dann Österreichrabatt. Aber dafür ist ein Faymann zu feige hier zu Lande eine Abstimmung durch das Volk zu veranlassen. Unsere Politiker haben - wenn überhaupt eines - ein Rückgrat wie ein Gartenschlauch.

Die Auffassung der EU-Kommission sollte Ö geflissentlich ignorieren.
Es gab und gibt ja auch keine EU-weite Verteilung von Asylanten von der Merkl und Faymann noch immer träumen.

christian95 melden

Grenzen dicht sagt man dazu?
3.200 pro Tag,
das sind 100.000 im Monat,
1,2 Mio im Jahr.
Wie viele sind es wenn die Grenzen offen sind?
Es gibt immer weniger Arbeit in Europa. 62% der Arbeitslosen haben in Wien einen Migrationshintergrund und oftmals keinen Schulabschluss.

christian95 melden

Sie kommen mit ihren 14 jährigen zwangsverheirateten Ehefrauen, die Jüngste war erst 11 Jahre alt. Ein Imam meinte, "wir MÜSSEN diese unterschiedliche Kultur akzeptieren und Kinderehen erlauben"....

christian95 melden

Der Linke EU-Parlamentspräsident Schulz warnt Österreich, er verlangt deutlich mehr.

christian95 melden

Auch der Konservative Juncker kritisiert Österreich und sagt: "Ich will die Entscheidung Österreichs nicht", ..."es sei rechtlich zu hinterfragen".
So kann man über das Versagen der EU auch vertuschen.
Mit Faymann & Co können sie ja so verfahren. Orban dagegen behadeln sie mit mehr Respekt.

christian95 melden

Die Linke Regierung in Frankreich nimmt 34.000 pro Jahr auf! Dazu schweigen Juncker, Schulz & Co.
Swoboda (SPÖ) und Karas (ÖVP) kassieren Traumgagen in Brüssel und lassen sich das auch alles bieten.
Wahltag ist Zahltag!

giuseppeverdi melden

Sie haben einen Satz vergessen NÄMLICH "Wir verdienen nichts anderes" oder wird der Satz jetzt von "Wahltag ist Zahltag" abgelöst?

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