WKStA ermittelt gegen Sebastian Kurz & Bernhard Bonelli

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seinen Kabinettschef Bernhard Bonelli eingeleitet und führt die beiden als Beschuldigte.

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Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt gegen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seinen Kabinettschef Bernhard Bonelli wegen Falschaussage und führt die beiden als Beschuldigte. Das teilte der Regierungschef selbst vor dem Ministerrat mit. Basis war eine Anzeige der NEOS wegen Kurz' Aussagen zur Bestellung von ÖBAG-Chef Thomas Schmid im Ibiza-Ausschuss. An Rücktritt denkt Kurz nicht. Der Strafrahmen beträgt bis zu drei Jahre Haft.

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Kurz hatte bereits im Juni des vergangenen Jahres als Auskunftsperson ausgesagt. Damals verneinte er unter Wahrheitspflicht, mit Schmid vor dessen Bestellung zum Alleinvorstand der staatlichen Beteiligungsgesellschaft ÖBAG über diesen Sachverhalt gesprochen zu haben. Schon aus den mittlerweile bekannten Chatverläufen aus dem Jahr 2017 gehe aber klar hervor, dass Kurz von der Bestellung Schmids gewusst habe, lautet der Vorwurf der Opposition.

»Sebastian will mich nicht gehen lassen«

"Sebastian will mich nicht gehen lassen", schrieb Schmid im Dezember des Jahres etwa in einem Chat zu seinen Ambitionen, in die Vorläufer-Organisation ÖBIB zu wechseln. Zwei Monate vor seinem Hearing schrieb er, dass alles "auf Schiene" und "mit Sebastian" abgestimmt sei. Die Chats Gipfeln in Kurz' Zusage an Schmid: "Kriegst eh alles, was du willst." Auch Bonelli bestritt im U-Ausschuss, in die Entscheidung eingebunden gewesen zu sein. Laut den sichergestellten Chats soll er aber Kurz personelle Vorschläge für den Aufsichtsrat erstattet haben.

Wie der Kanzler betonte, könne die WKStA jederzeit einen Strafantrag stellen - dies kommt einer Anklage gleich. Er gehe davon aus, dass die WKStA das auch tun werde. Es handle sich dabei um ein Einzelrichterverfahren und er würde einer Befragung durch einen Richter "auch sehr gerne nachkommen". Er habe selbstverständlich alle Fragen immer wahrheitsmäßig beantwortet.

Rücktritt Kurz?

Er wolle seine Arbeit fortsetzen, sah Kurz keinen Grund für einen Rücktritt. Auch sein Kabinettschef bleibe, betonte der Kanzler auf Nachfrage. Gefragt, ob denn eine Verurteilung zu einem Rückzug führen würde, meinte Kurz: "Ehrlich gesagt kann ich mir das beim besten Willen nicht vorstellen."

Auch die WKStA bestätigte auf APA-Anfrage das Verfahren gegen Kurz und Bonelli wegen Falschaussage, sowie dass es dabei um die Aussagen zur Bestellung Schmids gehe. Es gebe zudem mehrere Sachverhaltsdarstellungen wegen Falschaussage.

Er sei sich immer bewusst gewesen, dass der U-Ausschuss ein wichtiges Gremium sei, dem man Rede und Antwort stehen müsse. Er habe sich "stets bemüht", sich "bestmöglich" zu erinnern und "wahrheitsgemäße Angaben" zu machen - zu Themen, die jahrelang zurückliegen und zu Themenbereichen, die er "teilweise nur am Rande mitbekommen" habe.

»Stets bemüht«

Kritik übte Kurz an der politischen Kultur im Land, werde doch mittlerweile ständig mit Anzeigen gearbeitet. In diesem U-Ausschuss werde "ganz bewusst mit Suggestivfragen, mit Unterstellungen" versucht, teilweise eine "sehr aufgeheizte Stimmung zu erzeugen", beklagte der Kanzler. Es werde schnell versucht, "einem das Wort im Mund umzudrehen" und Menschen "irgendwie in eine Falschaussage hineinzudrängen", meinte Kurz. "Niemand hat ein Interesse, eine Falschaussage zu machen – das ist ja logisch."

Einen Termin bei der WKStA hat Kurz noch nicht, er sei gerade erst über das Ermittlungsverfahren informiert worden.

Kanzleramt liefert geforderte Akten

Das Bundeskanzleramt muss die von der Opposition eingeforderten Unterlagen an den Ibiza-Untersuchungsausschuss liefern. Das hat am Mittwoch der Verfassungsgerichtshof (VfGH) entschieden. Der Antrag auf die Übermittlung der Handy-Nachrichten des Bundeskanzlers wurde hingegen zurückgewiesen, teilte der VfGH in einer Aussendung mit. Das Bundeskanzleramt sicherte gegenüber der APA die Übermittlung aller geforderten Akten an den U-Ausschuss noch am Mittwoch zu.

SPÖ, FPÖ und NEOS hatten sich an den Verfassungsgerichtshof gewandt, da das Bundeskanzleramt relevante Akten nicht an den U-Ausschuss geliefert hatte. Zwei von drei Anträgen waren nun erfolgreich: Geliefert werden müssen noch fehlende Unterlagen im Hinblick auf die Tätigkeit der Stabsstelle Think Austria sowie die vollständigen E-Mail-Postfächer des Bundeskanzlers, der übrigen Regierungsmitglieder im Bundeskanzleramt sowie mancher Bediensteter des Bundeskanzleramtes.

Handy-Nachrichten ausgenommen

Als unzulässig zurückgewiesen hat der VfGH den Antrag betreffend Nachrichten auf einem Mobiltelefon des Bundeskanzlers, weil die dem Antrag zugrunde liegende Aufforderung "nicht hinreichend bestimmt" war. Anders als bei der Entscheidung in der vergangenen Woche zu den Unterlagen aus dem Finanzministerium geht es diesmal nicht um die Exekution einer Entscheidung, merkte der VfGH explizit an.

"Die Akten werden noch heute dem Untersuchungsausschuss übermittelt", sicherte das Bundeskanzleramt im Gespräch mit der APA die Übermittlung zu.

SPÖ fordert Kurz-Rücktritt bei Anklage

Die FPÖ fordert angesichts der Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft den sofortigen Rücktritt von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). So weit gehen die anderen Oppositionsparteien noch nicht. Allerdings wäre im Fall einer Anklage auch für SP-Chefin Pamela Rendi-Wagner die "rote Linie" überschritten. Für die NEOS hat Kurz aus der Regierung ein "zwielichtiges Kabinett" gemacht, das dem Land und dem Vertrauen in die Politik schade.

Rendi-Wagner betonte am Mittwoch, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft natürlich abgewartet werden müssten. "Sollte es aber in weiterer Folge zu einer Anklage gegen den Bundeskanzler wegen Falschaussage kommen, dann ist eine rote Linie überschritten. Ein amtierender Bundeskanzler, der angeklagt ist und vor Gericht steht, kann sein Amt nicht mehr ausüben und muss die Konsequenzen ziehen", forderte sie für den Fall eines Prozesses den Rücktritt des Kanzlers.

Die SP-Chefin spricht von "schwerwiegenden Verdachtsmomenten". Die Staatsanwaltschaft habe den begründeten Verdacht, dass der Bundeskanzler unter Wahrheitspflicht im Ibiza-Untersuchungsausschuss die Unwahrheit gesagt habe.

FPÖ: "Ihr Rücktritt bitte"

Die FPÖ fordert dagegen den sofortigen Rücktritt des Bundeskanzlers. "So geht es jedenfalls nicht weiter, Herr Bundeskanzler, Ihr Rücktritt bitte", drängte FP-Abgeordneter Christian Hafenecker am Mittwoch. Für den FP-Fraktionsführer im Ibiza-Ausschuss Hafenecker zeigen die Ermittlungen, "dass die türkise Regierungsmannschaft keinerlei moralische Legitimation mehr besitzt, dieses Land zu führen". Während Österreich in Corona-Chaos, Wirtschaftsdesaster und Inflation versinke, seien Kurz und Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) mit Strafverfahren beschäftigt.

Hafenecker sieht nun auch die "Stunde der Wahrheit" für die Grünen. Diese müssten nun entscheiden, ob sie "mit dieser durch und durch korrupten türkisen Truppe weiter in den Untergang marschieren wollen". Der FP-Abgeordnete fordert die Grünen auf, den Untersuchungsausschuss gemeinsam mit der Opposition zu verlängern: "Jetzt gilt es - gerade im U-Ausschuss - Mehrheiten abseits der ÖVP zu suchen."

»Es geht darum, dass die Spitze der Regierung Achtung vor dem Parlament, dem Rechtsstaat und der Verfassung hat«

"Der Schritt der WKStA ist ein starkes Zeichen dafür, dass unser Rechtsstaat funktioniert. Vor dem Gesetz müssen alle gleich sein. Auch der Bundeskanzler kann und darf vor einem Untersuchungsausschuss nicht die Unwahrheit sagen", so NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger. Sie kritisiert Versuche der ÖVP, den U-Ausschuss zu diskreditieren: "Es geht hier aber nicht um ein Match Regierung gegen Opposition. Es geht darum, dass die Spitze der Regierung Achtung vor dem Parlament, dem Rechtsstaat und der Verfassung hat."

"Einzigartig und äußerst bestürzend" findet Meinl-Reisinger, dass mit Kurz und Bonelli sowie Finanzminister Blümel und ÖBAG-Chef Thomas Schmid gleich vier "Spitzen der Republik" und "Mitglieder der türkisen 'Familie'" als Beschuldigte geführt werden: "Sebastian Kurz hat aus der Regierung ein zwielichtiges Kabinett gemacht. Das schadet unserem Land und dem Vertrauen in die Politik massiv."

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) reagierte auf Journalistenfragen am Rande des Ministerrats ziemlich wortgleich, dass die Staatsanwaltschaft aufgrund einer Anzeige von Abgeordneten aus dem Untersuchungsausschuss ermittle. Die Staatsanwaltschaft müsse natürlich jede Anzeige prüfen und werde die Vorwürfe "in Ruhe" und "gebotener Seriosität" prüfen. Ob sie einen Rücktritt des Kanzlers spätestens im Fall einer Verurteilung für geboten hielte, beantwortete Zadic trotz mehrmaliger Nachfragen nicht. Zadic, die früher selbst als Abgeordnete im U-Ausschuss Fragen gestellt hat, wollte sich dieser heftigen Kritik nicht anschließen - sie mische sich nicht ins parlamentarische Prozedere ein, meinte die nunmehrige Justizministerin.

ÖVP spricht von "Unterstellungen"

Dafür meldeten sich die ÖVP-Minister Susanne Raab und Karl Nehammer im Pressefoyer zu Wort, um die Opposition und den U-Ausschuss zu schelten: Es sei "unglaublich", wie die Opposition versuche, durch ständige Anzeigen die politische Kultur "zu zerstören", meinte Raab. Im U-Ausschuss werde mit laufenden "Unterstellungen" und "Provokationen" versucht, einem "das Wort im Mund umzudrehen". Auch Nehammer befand, dass im U-Ausschuss "in erster Linie Suggestivfragen" gestellt würden, um die Auskunftsperson in Widersprüche zu verwickeln und dann anzeigen zu können. Er habe auch schon als Zeuge vor Gericht ausgesagt, und dies sei dagegen "gelebte Rechtsstaatlichkeit" gewesen. Der Innenminister hat gar den Eindruck, dass im U-Ausschuss versucht werde, ein demokratisches Votum zu korrigieren. Für ihn schaue das fast aus wie "Vernaderung".

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