Schlaglichter
Das Sterben der Dörfer
Italien versucht, seine Geschichte zu retten
Jeden Tag um acht Uhr öffnet der 57-jährige Marino Zanolini die Jalousien seines Arbeitszimmers in dem einstöckigen Rathaus von Livemmo, einem Dorf mit 150 Einwohnern zwischen dem Lago d'Iseo und Lago di Garda in Norditalien. Er ist eben zurückgekommen in einem alten, klapprigen, gelben Bus, mit dem er früh am Morgen, als der Nebel von den umliegenden Bergen noch bis ins Tal reichte, die Kinder aus den alten Steinhäusern der Umgebung abholte und sie auf den engen Straßen, langsam in den Kurven, immer wieder hupend, ins nächste Dorf zur Schule brachte. In Livemmo gibt es schon lange keine Schule mehr. Zanolini ist der einzige Beamte in Livemmo, hat weder eine Sekretärin noch einen Mitarbeiter. Er sortiert die Rechnungen auf seinem Schreibtisch, beantwortet E-Mails, öffnet die Post, die unregelmäßig das Dorf erreicht, und hört den Anrufbeantworter ab, ob während der Nachtstunden jemand versuchte, ihn zu erreichen. Das Mobilnetz ist lückenhaft und funktioniert oft nicht.