Festwochen, Kunsthalle: Aus den Debakeln lernen!

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate muss eine Ausschreibung im Wiener Kulturbereich wiederholt werden: Ungeeignete Personen sollten im Amt verlängert werden, doch es gab verdienstvolle Einsprüche

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Dass der bereits abgeschlossene Findungsvorgang für die Leitung der Wiener Kunsthalle wiederholt werden muss, ist nicht das Problem. Eher im Gegenteil, soll doch die Prozedur darauf ausgerichtet gewesen sein, die kommandoführenden Damen ohne Aufsehen in die zweite Amtszeit zu winken. Das ist schon eher das Problem, wobei das Wort womöglich noch zu verhalten gewählt ist. Eher ist es im Großbereich der Zumutung zu verorten, dass schon zum zweiten Mal eine offenbare personelle Fehlentscheidung in die Endlosschleife geschummelt werden sollte.

Keine zwei Monate ist das her: Da musste eine weitere Ausschreibung wiederholt werden, weil Festwochen-Intendant Christophe Slagmuylder ohne Vorwarnung seine Heimkehr nach Brüssel bekanntgegeben hatte. Auch ihn hatte Kulturstadträtin Kaup-Hasler ernannt, auch seine Resultate waren mehr kläglich als begeisternd, auch er hätte ohne öffentliches Aufsehen in die zweite Runde huschen sollen. Bis mehrere Medien (auch dieses) Einspruch erhoben: Die Festwochen hatten, bei gleichbleibender Subvention, viel weniger Karten aufgelegt als je zuvor, doch der Ansturm auf das Schrumpf-Kontingent blieb bewältigbar. Als die Zahlen ruchbar wurden und der Widerstand gegen das profilarme Tourneeprogramm wuchs, griff der Intendant gegen alle vorherigen Versicherungen auf ein Angebot aus der Heimat zurück. Jetzt melden sich womöglich ernsthafte Kandidaten, die bei der ersten Ausschreibung nicht daran dachten, für Mijnheer Slagmuylder die Statisterie abzugeben.

Nun wiederholt sich das Debakel. Auch die Damen Sabina Sabolovic, Natasa Ilic und Ivet Curlin vom Zagreber Kollektiv WHW, die von der Stadträtin 2019 zur allgemeinen Verblüffung an die Spitze der Kunsthalle verpflichtet wurden, waren wohl zum Verbleib vorgesehen. Auch ihr Wirken dürfte sich maximal ihren Angehörigen bzw. einem äußerst engen Fachkreis erschließen. Dass hinter der (derzeit vom Theater an der Wien genutzten) Halle E im Museumsquartier beziehungsweise schräg vor der Karlskirche überhaupt etwas Museumsähnliches logiert, ist Minderheitswissen. Man kann der Findungskommission nur Dank und Anerkennung dafür aussprechen, dass sie die Damen nicht zur Verlängerung empfohlen hat. Jetzt wurde nochmals ausgeschrieben, und unter der neuen Perspektive meldet sich womöglich sogar jemand Ernsthafter.

Fairerweise ist anzumerken, dass schon der Vorgänger der vom Glück gemiedenen Damen das einst gutgehende Unternehmen in der Unkenntlichkeit versenkt hat. Den Grenzautisten Nicolaus Schafhausen hatte noch Stadtrat Mailath-Pokorny ernannt, ehe ihn dessen Nachfolgerin Kaup-Hasler per Notverordnung lobenswert aus dem Amt komplimentierte. Schon beim Volkstheater und den Festwochen hatte sie diesbezüglich das Nötige veranlasst, nur leider jedes Mal mit den falschen Konsequenzen: Die Identität einer Stadt zu ignorieren, um uns den Geschmack einer sterbenslangweiligen Zeitgeistblase zu oktroyieren, wird mit Ablehnung bestraft.

Und so entwickelte sich auch die Kunsthalle, wie es anders nicht kommen konnte: War sie unter Vorvorgänger Gerald Matt noch ein beachtetes Unternehmen mit 180.000 Besuchern und 1,3 Millionen Einnahmen pro Jahr, so hat sich der Zulauf Informationen zufolge auf heute 20.000 bis 25.000 Personen verdünnt. Die Einnahmen dürften unter der Wahrnehmbarkeit liegen, was sich bei mehr als vier Millionen Jahressubvention doch bescheiden aus-nimmt. Die nicht einfach zu bespielende Kunsthalle war anno Matt ein spektakulärer Ort. Mit Namen wie Shirin Neshat, Brian Eno, Matthew Barney oder Louise Bourgeois ging man leichtfüßig über Grenzen, das Café Halle im Museumsquartier war ein frequentierter Treffpunkt. Heute wird es, ein Mahnmal kommunalen Unvermögens, im Halbjahresbetrieb als Schanigarten geführt.

Matt musste 2012 gehen, weil ein grüner Bezirkspolitiker eine Verleumdungskampagne entfesselt hatte. Der Mann, der wenig später von der eigenen Partei fallengelassen wurde und sich auf der Liste Pilz in die Rente rettete, wurde für seine Behauptungen gerichtlich verurteilt. Der Kunsthalle hat das nichts genützt. Und die Stadträtin, der ich nach wie vor in Wertschätzung verbunden bin, hat nicht mehr viele Fehlversuche offen. Ein scharfer, von Zeitgeistblasenmitbewohnern unvergaukelter Blick auf das Volkstheater wäre die nächste zu empfehlende Option.

PS.: Die Stadträtin hat kürzlich ihre mittelfristigen Perspektiven bekanntgegeben, Nichts aus dem Repertoire fehlte da: Diversität, Diskurs, Inklusion, Resilienz ... nur das Wort "Qualität" fiel kein einziges Mal.

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