Chefredakteur unter einem Geschäftsführer

Nun werden zugleich drei Chefredakteure gesucht. Aber nicht, weil der ORF diese Position für TV, Radio und Online ausschreibt, wie das seine Journalisten wollen. Sondern weil nach ORF-TV und "Presse" auch das "profil" eine Nachfolge braucht

von Medien & Menschen - Chefredakteur unter einem Geschäftsführer © Bild: Gleissfoto

Nach fast 25 Jahren tritt Christian Rainer als Chefredakteur des "profil" zurück. Zugleich wird Richard Grasl Geschäftsführer des Nachrichtenmagazins. Das ist mehr als eine Doppelpersonalie mit Promi-Faktor. Es geht um die Neuordnung vieler Medienverhältnisse. Auf Sachebene ist es die Zukunft von Österreichs stärkster Magazinmarke. Seit 1970 wurde sie zum Bannerträger eines damals neuen, kritischen und investigativen Journalismus. Die Ahnengalerie seiner Chefredakteure steht für diesen Status: Jens Tschebull, Georg Nowotny, Peter-Michael Lingens, Helmut Voska, Franz Ferdinand Wolf, Peter Rabl, Josef Votzi und Herbert Lackner. Darüber gab es aber immer noch einen Herausgeber. Lingens war das sehr lange in Personalunion, auch Rabl, Wolf und Votzi – aber jeweils viel kürzer. Hubertus Czernin beschränkte sich auf diese Funktion. Doch Christian Rainer beanspruchte ab Juli 1998 vom Start weg das Doppel. Ob er nun auch als Herausgeber zurücktritt, ist noch ungewiss.

Das ist allerdings eine Schlüsselfrage für die Zukunft des Magazins, das dem "Kurier" gehört, den zu 50,56 Prozent Raiffeisen besitzt. Den Rest hält die deutsche Funke-Mediengruppe mit einer Tochter, an der die Signa Holding des Tirolers René Benko mit 49 Prozent beteiligt ist. Ähnlich kompliziert sind die Verhältnisse im "profil", wo es 1991 zum längsten Streik in Österreichs Pressegeschichte kam. Die Redaktion legte 13 Tage die Arbeit nieder, um Peter Rabls Rücktritt als Verlagsvorstand zu erzwingen. Der aber konterte umgekehrt und gab seine Positionen als Herausgeber und Chefredakteur auf.

Nun reagiert die Redaktion auf Richard Grasl als Geschäftsführer, indem sie "betont, dass die journalistische Unabhängigkeit des 'profil' und dessen Redaktionsstatut unantastbar sind". Das wirkt nach Panik. Denn sie kann mit Zweidrittelmehrheit einen Chefredakteur ablehnen. Gegen einen Herausgeber hat sie offenbar kein solches Vetorecht. Dass sie Grasl sonst in dieser Rolle verhindern würde, gilt als sicher. Denn er ist eine der umstrittensten Figuren des heimischen Medienbiotops. Einst Niederösterreich-Chefredakteur des ORF, dann sein Finanzdirektor, 2016 als Generalskandidat aber Alexander Wrabetz unterlegen. Schließlich als stellvertretender Chefredakteur des "Kurier" – was er parallel bleiben soll – durchaus erfolgreich bei der Digitalisierung seiner Angebote. Einer, der viele Feinde in der Branche hat und mächtige Freunde hinter den Kulissen. Es ist kaum vorstellbar, dass er sich als Geschäftsführer nicht auch in die Redaktion einzumischen versucht. Wird er zusätzlich Herausgeber, wäre das sogar legitim. Nur ein enorm starker Gegenpol in dieser Position könnte das verhindern. Aber auch dann säße Grasl als Hüter des Geldhahns auf dem längeren Ast.

Das macht die Suche nach einem Chefredakteur schwierig. Der vermeintliche Traumjob könnte auch einen renommierten Journalisten beschädigen. Denn er wäre als Handlanger von Grasl diskreditiert, auch wenn er das Vertrauen der Redaktion erhält. Die Gefahr besteht sogar, falls er zudem Herausgeber wird. Im Streitfall entscheiden Kaufleute über das Wohl eines Mediums.

Dennoch lehnt ein Großteil der Journalisten eine Personalunion von Chefredakteur bzw. Herausgeber und Geschäftsführer nicht nur wegen der Machtfülle prinzipiell ab. Als Hauptargument für die Trennung gilt, dass über redaktionelle Inhalte unabhängig von kaufmännischen Überlegungen für das Medium entschieden werden muss. Für das "profil" hat nun aber der finanzielle Aspekt absolute Priorität. Die seit Langem schwelende Publikumskrise der meisten derartigen Magazine wird durch Papierpreissteigerungen von mehr als 300 Prozent verschärft. Die bereits dritte aktuelle Chefredakteurssuche neben "Presse" und ORF-TV, bei denen Rainer Nowak und Matthias Schrom ihre Funktionen aufgeben mussten, vollzieht sich in einem Existenzkampf mit endspielhaften Zügen.