LEITARTIKEL
Schlimmer geht's immer
Österreich hat bald einen TV-Sender weniger und muss sich um seine medienpolitische Vielfalt sorgen
Sind Sie Fern-Seher? Kennen Sie ATV? Den Sender, der es den Kandidaten im Präsidentschaftswahlkampf erlaubte, einander ohne Moderator permanent anzupöbeln? Wo der Bauer Frau sucht und mitunter findet? 2003 strahlte ATV als erster Privatsender österreichweit vor allem Filme und Serien aus - und schrieb damit Fernsehgeschichte. Gleichwohl war und blieb Österreichs TV-Landschaft ein begrenzter Markt, der mehr an kommunistische Planwirtschaft als an marktwirtschaftliche Offenheit erinnerte. Politik und ORF ließen schlichtweg keine echte Konkurrenz zu. Und ATV musste verkümmern - mit einem Marktanteil von 3,1 Prozent ein Mauerblümchen gegenüber ProSiebenSat.1 Puls4 (17,5 Prozent) und ORF (35,1 Prozent). Nun will die deutsche Gruppe rund um Puls4 ATV übernehmen - und Eigentümer Herbert Kloiber sein Österreich-Abenteuer loswerden, indem er es dem größten Konkurrenten preisgibt. Was beide allein gegen den öffentlich-rechtlichen ORF nicht schafften, könnte das Konglomerat nun erreichen und folglich den Markt beherrschen: mehr als 40 Prozent Anteil am Werbekuchen, also dort, wo es um den schnöden Mammon geht, plus Vorherrschaft bei Sehern von zwölf bis 49. Bei jenen zwischen zwölf und 29 hat der ORF längst seinen öffentlich-rechtlichen Bonus verloren.