EVP legt Fidesz-Mitgliedschaft auf Eis

Warnschuss für Orban - Gremium mit Ex-Bundeskanzler Schüssel soll Fidesz beobachten

Nicht drinnen, nicht draußen: Die Europäische Volkspartei (EVP) hat die Mitgliedschaft der rechtsnationalen ungarischen Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban vorerst auf Eis gelegt. Diese Entscheidung traf der EVP-Vorstand am Mittwoch in Brüssel. 190 von 194 Delegierten stimmten für einen entsprechenden Vorschlag, nur drei dagegen.

von Wahlsieger Victor ORban © Bild: APA/EPA/Laszlo Beliczay

Die Zukunft der Fidesz in der EVP hängt nun davon ab, ob Orban und dessen Mitstreiter das Vertrauen der anderen Parteien in dem EVP-Bündnis zurückgewinnen können. Ein Beobachter-Gremium mit dem ehemaligen EU-Ratschef Herman Van Rompuy an der Spitze soll das in den kommenden Monaten untersuchen und bewerten. Von dem Bericht des Belgiers wird abhängen, ob der Fidesz seine Mitgliedsrechte wieder vollständig aufnehmen kann - und wenn ja, wann.

EVP-Spitze: Orban muss einlenken

Hintergrund der Debatte war die in jüngster Vergangenheit auch innerhalb der EVP immer lauter gewordene Kritik an Orbans Weg zu einer "illiberalen Demokratie" sowie aktuell eine Plakatkampagne gegen EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, der ebenfalls der EVP angehört. In einer stundenlangen Sitzung befand nun fast die gesamte EVP-Spitze, dass Orban einlenken müsse.

Mitgliedschaft ruht nur

Dennoch trotzte der Ungar der Parteienfamilie noch ein entscheidendes Zugeständnis ab. Orban erwirkte, dass der Vorschlag der EVP-Spitze - über den letztlich abgestimmt wurde - noch in seinem Sinne geändert wurde. In der neuen Variante hieß es, das EVP-Präsidium und Fidesz hätten sich gemeinsam darauf verständigt, dass Fidesz seine Mitgliedschaft bis zum Ende des Berichts ruhen lasse. Zuvor hatte es in dem Vorschlag noch geheißen, Fidesz werde ohne eigene Mitsprache suspendiert, aber freiwillig auf seine Stimmrechte verzichten und nicht an Parteiveranstaltungen teilnehmen.

Gremium nimmt Entwicklung unter die Lupe

Neben Van Rompuy sollen nun Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) sowie der deutsche Ex-EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering die Entwicklung des Fidesz unter die Lupe nehmen. Sie sollen beispielsweise prüfen, ob der Fidesz den Rechtsstaat respektiere und die EVP-Werte vertrete.

Das Ergebnis am Mittwochabend war deutlich, aber der Weg dorthin mühsam. Seit Wochen lief die EVP-interne Telefon-Diplomatie auf Hochtouren. Der EVP-Spitzenkandidat für die Europawahl, der Deutsche Manfred Weber (CSU), war eigens zum Gespräch mit Orban nach Budapest gereist. Und dennoch drohte Orban zu Beginn der Sitzung, der vorliegende Vorschlag sei für ihn nicht akzeptabel. Sein Vize Gergely Gulyas war für den Fall einer Suspendierung noch deutlicher geworden: "In einem solchen Fall tritt die Partei unverzüglich aus der EVP aus." Sollte es die Parteienfamilie nicht zerreißen, musste also ein Kompormiss her.

Drohung

Zu diesem Kompromiss kam es. Und zwar auch, weil - gegen Ende der Sitzung - erneut eine Drohung ausgesprochen wurde: EVP-Chef Joseph Daul sagte, er werde zurücktreten, falls nicht über den finalen Text abgestimmt würde, wie es aus Teilnehmerkreisen hieß.

Warnschuss für Orban

Das Ergebnis soll gesichtswahrend für alle sein. Für Orban ist es ein Warnschuss, seine größten Kritiker können etwas vorweisen, aber er selbst hat noch Einfluss auf das Ergebnis genommen. Orban begrüßte den Beschluss, Weber ebenso.

Karas: Suspendierung "letzte Chance"

Für den ÖVP-Spitzenkandidaten bei der EU-Wahl, Othmar Karas, ist die Suspendierung der Fidesz eine "letzte Chance", wie er am Mittwochabend bei einer Diskussion mit den Kandidaten der anderen Parteien im ORF-RadioKulturhaus sagte. Während SPÖ, Grüne und JETZT das Vorgehen der EVP als zu lasch kritisierten, bot die FPÖ Fidesz eine Zusammenarbeit an.

In Deutschland sah die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer das Ergebnis positiv. Von den politischen Gegnern hagelte es hingegen Kritik: Die EVP habe viel zu lange gewartet, Orban in die Schranken zu weisen, sagte der SPD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Udo Bullmann. Zuvor hatten die CDU-Vorsitzende, Kanzlerin Angela Merkel, und andere führende CDU- und CSU-Vertreter eindringlich davor gewarnt, ein Rauswurf des Fidesz aus der EVP bringe die Gefahr einer Ost-West-Spaltung der EU mit sich.

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