Wie Wähler manipuliert werden

Über gefälschte Ergebnisse, gefakte Fans und betrogene Wähler

Nicht nur Wahlen werden manipuliert, sondern auch Wähler. In den USA genauso wie in Frankreich oder Österreich. Die Mittel der Politiker sind perfide. Ob Social Bots, personalisierte Anzeigen oder gekaufte Fans – sie alle sind Waffen im politischen Meinungskampf und erschließen eine völlig neue Dimension der Wählerbeeinflussung. Was dabei auf dem Spiel steht? Das Vertrauen in die Demokratie.

von Politik & Wahlen - Wie Wähler manipuliert werden © Bild: shutterstock

Egal ob Bundespräsidentenwahl in Österreich, Präsidentschaftswahl in den USA, Türkei-Referendum, die Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung in Venezuela oder Kenias Präsidentenwahl – immer öfter kommt der Vorwurf der Wahlmanipulation auf. Wahlen werden zu einem umstrittenen Politikum, das bereits seine ersten Toten forderte. Nach Verkündigung der Ergebnisse, kam es in Venezuela und Kenia zu heftigen Protesten, bei denen auch unzählige Menschen ums Leben kamen.

»Wahlmanipulation hat definitiv zugenommen«

Die Manipulation von Wahlen ist an sich kein neues Phänomen. Bereits in der Antike war die Korruption und Gewalttätigkeit bei Wahlkämpfen oft so hoch, dass als Folge Ämter teilweise sogar durch Los bestimmt wurden. Im Gegensatz zur Form der Demarchie, gibt es in einer Demokratie mehr Manipulations-Möglichkeiten. „Die Verwundbarkeit unserer Systeme ist groß. Man denke nur an all die Hacker-Angriffe. Das hätte es früher gar nicht geben können. Wahlmanipulation hat insofern definitiv zugenommen“, erklärt der Politikberater Thomas Hofer.

Gefährliche Vorwürfe...

Auch der US-Republikaner Donald Trump sprach – allerdings noch vor seinem Sieg – von einem korrupten Wahlsystem in den USA und von massiven Fälschungen. Einen „fragwürdigen“ Wahlausgang hätte er juristisch angefochten. "Donald Trump weigert sich zu sagen, dass er das Wahlergebnis akzeptieren wird. Dadurch bedroht er unsere Demokratie", kommentierte Hillary Clinton Trumps Drohung auf Twitter.

Auch Obama reagierte damals scharf auf Trumps Vorwürfe. Wenn man ohne auch nur den kleinsten Beweis Betrug oder Manipulation unterstelle, sei dies mehr als gefährlich. Wer solchen Zweifel säe, würde die Demokratie untergraben, meinte der ehemalige Präsident.

... geschwächtes Vertrauen

Welche Auswirkungen aber hat es, wenn die Rechtmäßigkeit demokratischer Wahlen immer in Frage gestellt wird? Nicht nur wird die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen der Wahlberechtigten in das System geschwächt, es ist auch ein „Schlag gegen die Legitimation einer Regierung“, meint Hofer. Seiner Meinung nach sei die Wiederholung der Stichwahl der Bundespräsidentenwahl in Österreich daher der richtige Schritt gewesen – obwohl der Verfassungsgerichtshof damals keinen Beweis für eine Manipulation der Ergebnisse vorweisen konnte.

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Was nicht passt, wird passend gemacht

Meist treten Wahlfälschungen in diktatorischen Systemen auf. Wahlen werden zwar durchgeführt, jedoch oft unter dem Motto „Was nicht passt, wird passend gemacht“. Bei der umstrittenen verfassungsgebenden Versammlung in Venezuela beispielsweise, betrug die Differenz zwischen der tatsächlichen Zahl der abgegebenen Stimmen und der offiziellen Wahlbeteiligung Schätzungen zufolge mindestens eine Million. Die Opposition sprach vom größten Wahlbetrug in der Geschichte Venezuelas.

Manipulierte Wahlen, manipulierte Wähler

Während es sich in Venezuela, Kenia, Österreich und der Türkei um eine mögliche Manipulation der Wahlergebnisse handelt, zielen Dinge wie die Manipulationsversuche von Russland in der amerikanischen Präsidentenwahl, die Offenlegung der E-Mail-Affäre von Hillary Clinton oder die Macron-Leaks auf eine gezielte Verunsicherung und in weiterer Folge Manipulation der Wähler ab. Auffällig ist, dass diese häufig in Verbindung mit rechtspopulistischen Parteien stehen. Warum das so ist, liegt laut Hofer auf der Hand: „Die russischen Attacken beispielsweise wollten eine Destabilisierung hervorrufen. Das passiert natürlich zu Gunsten jener Parteien, die systemkritisch sind und so bereits zur internen Destabilisierung im Land beitragen“, meint der Politikberater.

Neue Dimensionen digitaler Manipulation

Vieles, was im Wahlkampf passiert, fällt allerdings in den Bereich der „zulässigen Wahlbeeinflussung“. Nirgendwo verschwimmen die Grenzen zwischen zulässig und unzulässig allerdings stärker als im Internet und in den Sozialen Medien. Hier kämpft man an vorderster Front und mit scharfen Waffen.

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Im US-Präsidentschaftswahlkampf erschlossenen Trumps Wahlhelfer neue Dimensionen der digitalen Manipulation. Nach und nach wurden immer mehr Details der gut getarnten Wahlkampfmaschinerie bekannt, die laut Ansicht vieler Politikstrategen maßgeblich zu Trumps Erfolg beigetragen hat.

„Dark Ads“ – der digitale Rohrschachtest

So erstellte die Datenfirma Cambridge Analytica im Zuge des Wahlkampfs mit perfiden Mitteln detaillierte psychologische Profile von mehr als 230 Millionen Amerikanern. Aufgrund der so ermittelten Daten sowie der zielgruppengerechten Werbung auf Facebook war es möglich, den Nutzern hochpersonalisierte Botschaften zuzuspielen, die sie in ihrer Wahlentscheidung beeinflussen konnten. Das Gefährliche an solchen „Dark Ads“: Die Anzeigen sind nur an eine eng definierte Zielgruppe gerichtet und können auch nur von dieser gesehen werden. Eine Blackbox für die Öffentlichkeit. Diese Intransparenz führt dazu, dass verschiedenen Nutzern, sich widersprechende politische Angebote gemacht werden können. Während ängstliche Wähler beispielsweise Botschaften über steigende Kriminalität bekamen, erhielten Afroamerikaner rassistische Aussagen von Hillary Clinton zugespielt.

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Millionen US-Dollar gab Trump im Wahlkampf für personalisierte digitale Anzeigen aus. Russische Drahtzieher hingegen kauften auf Facebook für 100.000 Dollar Anzeigen, die sie gezielt in bestimmten Regionen Amerikas platzierten. Diese sollen darauf ausgerichtet gewesen sein, die Spaltung bei umstrittenen Themen wie Einwanderung oder Waffenbesitz zu vertiefen.

Social Bots als Waffe im politischen Meinungskampf

Im US-Wahlkampf entflammte auch die erste große Debatte über Social Bots – Softwareroboter, die über Fake-Profile bereits vorprogrammierte Informationen absetzen. Diese werden vor allem in Sozialen Netzwerken eingesetzt, um politische Propaganda für ihre Auftraggeber zu verbreiten. Es wird kommentiert, geteilt und geliked – nur eben nicht von Menschen. Einer Untersuchung der Universität Oxford zufolge, war nach dem ersten TV-Duell jeder dritte Tweet für Trump computergesteuert. Bei Clinton lag der Anteil bei 22,3%. Normale User können kaum mehr erkennen, ob ein Beitrag von einem Menschen stammt oder von einer Maschine. Ganz im Stil von George Orwells Roman „1984“ verwischt zunehmend die Grenze zwischen Wahrnehmung, Wirklichkeit und vorgespielter Realität. Und: Es gibt kein Gesetz auf der Welt, das Social Bots verbietet.

Dirty Campaigning at its best

Durch personalisierte Anzeigen und Social Bots wird die Wahrnehmung der Wähler bewusst getäuscht. Für den freien Meinungsbildungsprozess in einer Demokratie ist das mehr als gefährlich. Hofer sieht darin eine „absolute Wahlmanipulation“. Denn „wenn man künstlich Wahrnehmungen generiert und Stimmungen entstehen lässt, ist das dramatisches Dirty Campaigning. Nicht Negative Campaigning, sondern wirklich dirty. Hier muss man auf jeden Fall dagegen steuern. Mit klassischen Medien, die diese Missstände aufzeigen, aber auch mit Bildung“, sagt der Politberater.

»Wir stehen erst am Beginn. Da kommt noch einiges auf uns zu.«

Social Bots und Fake News seien laut Hofer erst der Beginn. Schließlich gäbe es bereits Software, die sogar Bewegtbild manipulieren kann. „Da kann man Merkel oder Kurz dann Worte in den Mund legen, die sie so nie gesagt haben. Wenn das die richtigen Leute erreicht, führt das zu einer enormen Destabilisierung. Da kommt noch einiges auf uns zu“.

In Österreich bilden Social Bots zwar noch die Ausnahme, vor Wählermanipulation ist man jedoch auch hierzulande nicht gefeit. Denn der derzeitige Nationalratswahlkampf spielt sich wie nie zuvor im Internet ab. Alle großen Parteien nutzen Facebook-Werbeanzeigen, einige bestätigten auch den Einsatz von „Dark Ads“. Die Initiative „Who Targets Me?“ will Licht ins Dunkel der intransparenten Facebook-Werbung bringen. Nach der Installation der Software, kann jeder User sehen, welche Partei ihn schon umworben hat. „Who Targets Me“ sammelt die anonymen Daten von den Usern und ist so in der Lage herausfinden, welche Zielgruppen von welcher Partei mit welcher Botschaft angesprochen werden.

Gestohlene Likes...

Für alle sichtbar sind, im Gegensatz zu Social Bots und personalisierter Anzeigenwerbung, die Fans und Follower der Politiker und Politikerinnen. Wenn es um die Anzahl der Facebook-Likes ging, lag HC Strache immer ungeschlagen auf Platz Eins. Bis ihn der neue ÖVP-Chef Sebastian Kurz im August erstmals überholte. Daraufhin stieg innerhalb weniger Stunden die Anzahl der Strache-Fans um 40.000, der sich damit wieder den ersten Platz sicherte. Das FPÖ-Social-Media-Team dementierte den Vorwurf der gekauften „Likes“. Man hätte lediglich private Fanseiten in die offizielle Facebook-Seite integriert. Bei solchen Prozessen nimmt es Facebook bekanntlich nicht so genau. Daher ist es mittlerweile auch möglich eine Fanpage ohne Probleme umzubenennen. So kann aus „Ein Herz für Tiere“ schnell einmal „Ein Herz für HC“ werden. Und schon ist der Tierfreund ohne es zu wollen einer der 40.000 neuen Fans.

... gefakte Fans

Doch nicht nur auf Facebook täuscht der Eindruck der „wahren“ Fans. Unter der Twitter-Gefolgschaft von Kurz und Kern befinden sich zehntausende Fake-Follower. Fast jeder zweite Twitter-Fan von Kern ist ein Fake-Account, bei Kurz sind es sogar noch mehr. Überprüfen kann das jeder. Mit dem Analysetool „Twitteraudit“. Bei Twitter wie auch Facebook gilt: Je mehr Fans, desto besser. Schließlich beeindruckt eine hohe Anzahl der Anhängerschaft. Doch egal ob Likes, Fans, Follower, Kommentare oder Shares, es gibt nichts, was sich nicht kaufen – oder zurückkaufen – lässt. Außer vielleicht, das Vertrauen der Wähler.