Brigitte Bierlein wird
neue VfGH-Präsidentin

Ex-Justiziminister Brandstetter zieht in VfGH

Die Regierung hat sich bei der Neubesetzung des Verfassungsgerichtshofs geeinigt. Vizepräsidentin Brigitte Bierlein soll wie erwartet Nachfolgerin von Präsident Gerhart Holzinger werden.

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Gericht - Brigitte Bierlein wird
neue VfGH-Präsidentin

Auch weitere Nachbesetzungen sollen abgestimmt werden: Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) wird Verfassungsrichter. Nachfolger von Bierlein als Vizepräsident wird der Verfassungsrichter Christoph Grabenwarter. Er soll Bierlein 2020 nach ihrer Pensionierung auch als Präsident folgen.

Regierungspaket für den VfGH

Bis Dienstagabend haben die Regierungsverhandlungen über die neuen Postenbesetzungen im VfGH angedauert. Ursprünglich war eine Verschiebung der Entscheidung um eine weitere Woche angekündigt worden. Nun wird das Regierungspaket für den VfGH doch vom Ministerrat beschlossen. Zwei weitere freie Richterposten am Höchstgericht werden vom Parlament bestellt. Dafür halten Nationalrat und Bundesrat noch Hearings ab.

Steile Karriere

Brigitte Bierlein (68) wollte eigentlich Kunst studieren, entschied sich dann aber doch für die Justiz - und legte eine steile Karriere hin. Ihre zwei größten Karrieresprünge machte sie jeweils unter Schwarz-Blau: 2003 wurde sie zur ersten Vizepräsidentin ernannt, jetzt wird die Paradejuristin die erste Präsidentin des Gerichtshofes. Schon in der Generalprokuratur war sie 1990 die erste weibliche Generalanwältin.

Gute Kontakte zur ÖVP und FPÖ

Der Wienerin werden gute Kontakte nicht nur zur ÖVP, sondern auch zur FPÖ nachgesagt - ihre jetzige Beförderung nicht ganz zwei Jahre vor der Pensionierung soll sie auch der FPÖ verdanken. 2003 hatte ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel Bierlein noch kurz vor der Wahl namens der VP-FP-Regierung dem Bundespräsidenten als VfGH-Vizepräsidentin vorgeschlagen - unter scharfer Kritik der SPÖ, deren gf. Klubobmann Josef Cap damals beklagte, dass "höchst qualifizierte Bewerber" zugunsten einer Bewerberin übergangen worden seien, "die als stramme Konservative" gelte und keine Verfassungsrechts-Erfahrung habe.

Aufwertung der Frauen in Österreich

Die ÖVP - Justizsprecherin Maria Fekter - konterte, Bierleins Nominierung sei ein wichtiges Signal zur Aufwertung der Frauen in Österreich. Dieses Signal möchte wohl auch die jetzige Regierung setzen - zumal die ebenfalls zu ernennenden drei neuen Verfassungsrichter allesamt Männer sind.

So klettert Bierlein noch eine Sprosse nach oben in der Karriere, die sie 2003 schon als gekrönt erachtete. Damals gestand sie einen "gewissen gesunden Ehrgeiz" ein, der gepaart mit "viel Spaß an der Arbeit", wohl auch nötig war, um sich als Frau in der früher stark männlich dominierten Welt der Juristen durchzusetzen.

In dieser Welt war die stets elegant-modische gekleidete Juristin schon als Standesvertreterin nicht nur mit ihren fachlichen Qualifikation, sondern auch mit resolut-selbstbewusstem Auftreten und schnörkellos-geraden Ansagen aufgefallen. 1977 von den Richtern zu den Staatsanwälten gewechselt, engagierte sie sich in der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte - und wurde dort 2001 zur Präsidentin gewählt. Auf diese Funktion musste sie mit dem Eintritt in den VfGH verzichten.

Nur ganz am Beginn war Bierlein nicht ganz so zielstrebig: 1949 als Tochter eines Beamten geboren, wollte sie eigentlich Kunst oder Architektur studieren. Die Mutter (die selbst eine Kunst-Ausbildung hatte) riet ihr ab, Bierlein entschied sich für Jus - und ab diesem Moment ging es geradeaus nach oben: In nur vier Jahren absolvierte sie das Studium, mit 26 legte sie die Richteramtsprüfung ab, mit 28 Jahren wurde sie zur Staatsanwältin ernannt, mit 41 Generalanwältin, 2003 Vizepräsidentin am VfGH und am 1. Jänner 2018 dessen interimistische Leiterin.

Nicht in Regierung berufen

Denn die Regierung hatte wegen der Neuwahl noch nicht die Nachfolge für Präsidenten Gerhart Holzinger geregelt. Während der Koalitionsverhandlungen war Bierleins Name zwar schon zu hören - als mögliche Justizministerin. In die Regierung wurde die Strafrechtlerin zwar nicht berufen. Aber nicht ganz zwei Jahre vor dem altersbedingten Ausscheiden aus dem VfGH (mit 70 Jahren) wird sie dessen Präsidentin.

Für Familie blieb der Wienerin keine Zeit, Bierlein lebt mit einem pensionierten Richter in Partnerschaft. In ihrer Freizeit besucht Bierlein gerne Vernissagen und Ausstellungen, sowie - wenn es die Zeit zulässt - Oper und Theater. Begeistern kann sie sich auch für Skifahren und Segeln, letzteres am liebsten in der Ägäis.

Künftig neun der 14 Verfassungsrichter auf ÖVP- oder FPÖ-Ticket

Mit den aktuellen Nachbesetzungen für Präsident Gerhart Holzinger und zwei Verfassungsrichter ist künftig die klare Mehrheit der 14 VfGH-Mitglieder eher dem konservativen bzw. rechten Flügel zuzurechnen. Sechs aktuelle und einen neues VfGH-Mitglied (Wolfgang Brandstetter) hat die ÖVP nominiert, die FPÖ hat das Vorschlagsrecht für zwei Nachrücker. Die Zusammensetzung wird sich in absehbarer Zeit nicht groß ändern.

In den nächsten zehn Jahren stehen nur drei Nachbesetzungen an: Die neue Präsidentin Brigitte Bierlein muss Ende 2019 mit Erreichen der Altersgrenze von 70 Jahren in Pension gehen. Als ihr Nachfolger hat sich Christoph Grabenwarter - der jetzt zum Vizepräsidenten aufrückt - in Stellung gebracht. Wird er dann tatsächlich bestellt, kommt der aktuell mit 51 Jahren jüngste Verfassungsrichter zum Zug. Er könnte den VfGH 16 Jahre lang führen, bis 2036.

Grabenwarter kam auf einem ÖVP-Ticket in den VfGH, Bierlein wurde 2003 von der schwarz-blauen Regierung als Vizepräsidentin nominiert; ihre jetzige Beförderung zur Präsidentin soll auf dringenden Wunsch der FPÖ erfolgt sein.

SPÖ-Ticket Ende 2015

Ein SPÖ-Ticket wird Ende 2025 frei, wenn die aktuell zweitälteste Verfassungsrichterin, Claudia Kahr, in Pension geht. Wer dann zum Zug kommt hängt vom Ausgang der nächsten Nationalratswahl ab, die spätestens im Herbst 2022 zu schlagen ist. Kurz nach der turnusmäßig übernächsten Wahl, Ende 2027, muss eine jetzt von der ÖVP vorgeschlagener neuer Verfassungsrichter wieder ausscheiden: Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) ist dann 70.

Zwei Jahre später, 2029, startet allerdings eine Verjüngungswelle: Zwischen 2029 bis 2032 sind sechs (der derzeit bekannten zwölf) VfGH-Mitglieder pensionsreif. Dass sich am Gerichtshof lange Zeit - von vorzeitigem Ausscheiden etwa wegen Erkrankung abgesehen - personell wenig ändert, liegt daran, dass in den vergangenen zehn Jahren acht der 14 VfGH-Mitglieder neu angelobt wurden, jetzt kommen noch drei weitere Neue dazu.

Denn mit Jahresende 2017 gingen (der von SPÖ und ÖVP gemeinsam vorgeschlagene) Präsident Holzinger, Eleonore Berchtold-Ostermann (ÖVP-Ticket) und Rudolf Müller (SPÖ-Ticket) in den Ruhestand. Die SPÖ, jetzt in Opposition, kam bei den Nachbesetzungen nicht mehr zum Zug. Stattdessen darf die FPÖ gleich zwei Verfassungsrichter nominieren. Als Favoriten dafür werden der Linzer Universitätsprofessor Andreas Hauer und der Rechtsanwalt Michael Rami genannt. Sie werden formal vom Nationalrat und vom Bundesrat (nach Hearings diese und nächste Woche) vorgeschlagen. Der bisher einzige Verfassungsrichter auf einem FPÖ-Ticket war Herbert Haller, von 2003 bis 2010.

Verfassungsrichter werden ohne Befristung

Verfassungsrichter werden ohne Befristung bestellt, sie können nur durch eine Entscheidung des VfGH selbst abgesetzt werden. Ihr Amt endet mit Erreichen der Altersgrenze von 70 Jahren.

Offiziell werden die 14 Mitglieder und sechs Ersatzmitglieder des VfGH freilich nicht von den Parteien, sondern von der Bundesregierung (Präsident, Vizepräsident, sechs Mitglieder und drei Ersatzmitglieder), Nationalrat und Bundesrat (sechs Mitglieder und drei Ersatzmitglieder) dem Bundespräsidenten zur Ernennung vorgeschlagen. Dies ist im Bundes-Verfassungsgesetz geregelt.

In der Realität der Koalitionsregierungen wird das Vorschlagsrecht aber unter den Regierungsparteien aufgeteilt. Immer wieder gestehen VfGH-Mitglieder die Nähe zu einer Partei offen ein. Mit der Aufnahme in das Höchstgericht gehen die Verfassungsrichter aber in der Regel auf Distanz zur Politik, der frühere Präsident Karl Korinek trat z.B. mit der Ernennung aus der Partei aus.

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