"Ehe für alle" ab
2019 auch in Österreich

Verfassungsgerichtshof gibt Weg frei. Damit können auch homosexuelle Paare heiraten.

Der Verfassungsgerichtshof gibt den Weg für die "Ehe für Alle" frei. Auch gleichgeschlechtliche Paare können damit künftig in Österreich heiraten. Mit einem Erkenntnis vom 4. Dezember hat das Höchstgericht die gesetzlichen Regelungen aufgehoben, die Homopaaren bisher den Zugang zur Ehe verwehrt hat. Während die ÖVP das VfGH-Urteil akzeptieren will, beurteilt man die Entscheidung bei den Freiheitlichen kritisch.

von Homo-Ehe Frauen © Bild: Thinkstock

Der Gerichtshof begründete diesen Schritt mit dem Diskriminierungsverbot des Gleichheitsgrundsatzes. Die alte Regelung wird mit 31. Dezember 2018 aufgehoben. Die Öffnung tritt damit mit 1. Jänner 2019 in Kraft. Gleichzeitig steht dann die eingetragene Partnerschaft auch verschiedengeschlechtlichen Paaren offen, sollte der Gesetzgeber bis dahin nicht anderes beschließen.

ÖVP will VfGH-Urteil akzeptieren

Die ÖVP will der Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare keine Steine in den Weg legen. "Höchstgerichtliche Urteile sind stets zu akzeptieren und nehmen wir zur Kenntnis", erklärte ein ÖVP-Sprecher zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, die gesetzlichen Regelungen aufzuheben, die gleichgeschlechtlichen Paaren bisher den Zugang zur Ehe verwehrt hatten.

Die weitere Vorgangsweise werde man erst besprechen, hieß es aus der ÖVP, die gemeinsam mit der FPÖ voraussichtlich die nächste Bundesregierung stellen wird. Die bisherigen Gegner einer Öffnung der Homoehe könnten diese nach dem Spruch des VfGH nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament weiter verhindern. Eine solche ist in dieser Frage allerdings nicht zu erwarten.

»Jetzt ist genau das eingetreten, wovor wir bereits 2009 gewarnt haben«

Beim den Freiheitlichen beurteilt man die Entscheidung der Verfassungsrichter denn auch kritisch. "Jetzt ist genau das eingetreten, wovor wir bereits 2009 bei Beschluss der eingetragenen Partnerschaft gewarnt haben: Dieses Instrument wird der Türöffner in Richtung einer Entwicklung sein, an deren Ende mit der sogenannten Ehe für alle, vulgo 'Homo-Ehe', Ungleiches gleich behandelt wird. Jetzt ist es soweit", meinte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Die politische Verantwortung dafür liege - neben der SPÖ - auch bei der ÖVP. "Ich bedaure, dass die ÖVP in dieser Frage nicht mit offenem Visier gekämpft hat, sondern ein doppeltes Spiel gespielt hat." Natürlich seien Urteile des VfGH anzuerkennen, was aber nicht bedeute, dass man nicht kritisch nachfragen dürfe, so Kickl.

SPÖ zeigt sich erfreut

Breit bejubelt wurde die Entscheidung indes in der SPÖ. Parteivorsitzender Christian Kern sprach via Facebook von einem Zeichen der Gleichberechtigung und des Respekts. "Spätestens ab 1. Jänner 2019 ist es egal, wer wen liebt in unserem Land. Ich persönlich bin sehr froh über diese Entscheidung. Immer wieder haben wir versucht, die Ehe für alle politisch durchzusetzen und sind dabei an ÖVP und FPÖ gescheitert. Wir werden wachsam bleiben und dafür sorgen, dass alle Menschen in unserem Land das Recht bekommen, zu heiraten wen sie lieben", erklärte Kern. Auch Kanzleramtsminister Thomas Drozda, SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder, Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner, die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, der offen homosexuelle Abgeordnete Mario Lindner und eine Reihe weiterer SPÖ-Politiker begrüßten die Entscheidung.

»Heute ist ein großer Tag für Österreich, die Freiheit und den Rechtsstaat«

Große Freude herrschte auch bei den NEOS. "Heute ist ein großer Tag für Österreich, die Freiheit und den Rechtsstaat. Was der Bevölkerung schon lange klar war und nur ÖVP und FPÖ nicht verstanden haben, hat nun der VfGH in seinem Erkenntnis festgestellt: die Unterscheidung zwischen Ehe und eingetragener Partnerschaft verletzt das Diskriminierungsverbot", meinte der stellvertretende Klubobmann Niki Scherak. Die Welt werde nicht untergehen, es ende nur eine weitere Diskriminierung für viele Menschen, so Scherak in Richtung ÖVP und FPÖ. Besser wäre es freilich gewesen, wenn gleich das Parlament diese Diskriminierung abgeschafft hätte, so Scherak.

Zufrieden zeigte sich auch Liste Pilz-Klubobmann Peter Kolba: "Das freut uns. Das ist zu begrüßen." Erfreut reagierten auch die aus dem Parlament gefallenen Grünen, die sich die "Ehe für alle" über viele Jahre auf ihre Fahnen geheftet hatten. "Wieder einmal sorgt ein Höchstgericht dafür, dass Österreich endlich im 21. Jahrhundert ankommt", meinte der Grüne Bundessprecher Werner Kogler.

Auch die rot-grüne Wiener Stadtregierung bejubelte die Entscheidung. "Der heutige Tag wird in die Geschichte eingehen: als Tag der Liebe und Tag der Gleichberechtigung", freute sich der für Antidiskriminierung zuständige SPÖ-Stadtrat Jürgen Czernohorszky. Ähnlich Wiens grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou: "Nach Jahrzehnten zäher Verhandlungen, zahlreicher Rückschläge und kleiner Fortschritte können wir uns heute alle gemeinsam über diesen historischen Tag freuen: Das Ehe-Verbot für Lesben und Schwule in Österreich ist endlich gefallen. Nun werden wir ganz genau darauf schauen, dass die neue Bundesregierung den Entscheid des Verfassungsgerichtshofes nach Punkt und Beistrich einhält und alle notwendigen Schritte zur Umsetzung vorantreibt."

Die Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien zeigte sich ebenfalls glücklich und forderte zugleich ein modernes Eherecht oder den Fortbestand der eingetragenen Partnerschaft. "Für den Fall, dass sich der Gesetzgeber zu keiner radikalen Reform des Eherechts durchringt, muss die eingetragene Partnerschaft als moderne Alternative unbedingt erhalten bleiben", erklärte Obfrau Lui Fidelsberger. Die Initiative stößt sich etwa an den strengeren Scheidungsbestimmungen im Eherecht. Dieses verströme noch immer den "Geist des Patriarchats".

Schönborn kritisiert Verfassungsgerichtshof

Deutliche Kritik an der Entscheidung des VfGH kommt vom Wiener Kardinal Christoph Schönborn. "Es ist beunruhigend, dass sogar die Verfassungsrichter den Blick verloren haben für die besondere Natur der Ehe als Verbindung von Mann und Frau", erklärte der Vorsitzende der österreichischen Bischofskonferenz gegenüber Kathpress.

Die Ehe sei "wie keine andere Beziehung geeignet, Kinder hervorzubringen, zu hüten und aufzuziehen und damit die Generationenfolge zu sichern. Wenn der VfGH die Einzigartigkeit und damit die juristische Sonderstellung der Ehe verneint, die auf der Unterschiedlichkeit der Geschlechter aufbaut, verneint er die Wirklichkeit", sagte der Kardinal und hielt in Richtung Höchstgericht fest: "Er tut damit der Gesellschaft keinen Dienst und schadet letzten Endes allen - auch denen, die er schützen möchte und die es auch zu schützen gilt."

Schönborn zeigte sich "zuversichtlich, dass sich langfristig die Einsicht in die Schöpfungsordnung wieder durchsetzen wird, die der Mensch nicht missachten kann, ohne Schaden zu nehmen". Zugleich beklagte der Wiener Erzbischof die "Umdeutung eines wesentlichen Begriffs der Rechtsordnung, der im Wesen des Menschen wurzelt und für die Gesellschaft eine entscheidende Rolle spielt - umso mehr, als der Verfassungsgerichtshof ohne weiters auch anders entscheiden hätte können und sein Erkenntnis nun sogar im Widerspruch zum Europäischen Menschengerichtshof steht".

Beschwerde von zwei Frauen eröffnete Verfahren

Der Verfassungsgerichtshof hat die Bestimmungen über Ehe und eingetragene Partnerschaft von Amts wegen einer Prüfung unterzogen. Anlass des Verfahrens war die Beschwerde von zwei Frauen, die in eingetragener Partnerschaft leben und die Zulassung zur Begründung einer Ehe beantragt haben. Dieser Antrag wurde vom Magistrat der Stadt Wien und in der Folge vom Verwaltungsgericht Wien abgelehnt.

»Österreich ist das erste Land Europas, das die Ehegleichheit als Menschenrecht anerkennt und verwirklicht«

Helmut Graupner, Anwalt der beiden Frauen, sprach in einer ersten Reaktion von einem historischen Tag. "Wir haben auf voller Linie gesiegt. Der VfGH (das erste und älteste Verfassungsgericht der Welt) ist damit das erste Gericht Europas, das das Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare aufgehoben hat. Und Österreich das erste Land Europas, das die Ehegleichheit als Menschenrecht anerkennt und verwirklicht. In den anderen europäischen Ländern erfolgte die Eheöffnung (lediglich) auf politischem Weg", schrieb Graupner auf Facebook.

Eingetragene Partnerschaft, um Diskriminierung abzubauen

Das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz (EPG) wurde 2009 beschlossen und trat 2010 in Kraft. Der Gesetzgeber verfolgte damals das Ziel, die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare abzubauen, blieb aber vor dem Hintergrund eines "bestimmten traditionellen Verständnisses" bei zwei verschiedenen Rechtsinstituten, eben der Ehe und der eingetragenen Partnerschaft.

Der Ehe immer weiter angenähert

Seither ist die eingetragene Partnerschaft der Ehe immer weiter angenähert worden. Die beiden Rechtsinstitute entsprechen einander heute sowohl von der Ausgestaltung als auch von den Rechtsfolgen her trotz "vereinzelt bestehender Unterschiede" weitgehend. Die jüngere Rechtsentwicklung ermöglicht insbesondere eine gemeinsame Elternschaft auch gleichgeschlechtlicher Paare: Gleichgeschlechtliche Paare dürfen Kinder (gemeinsam) adoptieren und die zulässigen Formen medizinisch unterstützter Fortpflanzung gleichberechtigt nutzen.

Zu einer völligen Gleichstellung kam es aber aus politischen Gründen nie. Zuletzt kochte die Debatte darüber wieder im Wahlkampf für die Nationalratswahl hoch. Während SPÖ, NEOS, Liste Pilz und Grüne für eine Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule plädierten, blieben ÖVP und FPÖ bis dato bei ihrem Nein zur Homo-Ehe.

Ehe für alle, um Diskriminierung aufzuheben

Die Unterscheidung in Ehe und eingetragene Partnerschaft lässt sich heute aber nicht aufrechterhalten, ohne gleichgeschlechtliche Paare zu diskriminieren, stellte der Verfassungsgerichtshof nun klar und nahm damit einmal mehr der Politik eine Entscheidung ab. Denn die Trennung in zwei Rechtsinstitute bringe zum Ausdruck, dass Menschen mit gleichgeschlechtlicher sexueller Orientierung nicht gleich den Personen mit verschiedengeschlechtlicher Orientierung sind, so die Verfassungsrichter.

»Die gesetzliche Trennung verschiedengeschlechtlicher und gleichgeschlechtlicher Beziehungen in zwei unterschiedliche Rechtsinstitute verstößt gegen das Verbot des Gleichheitsgrundsatzes«

Im VfGH-Erkenntnis heißt es dazu wörtlich: "Die damit verursachte diskriminierende Wirkung zeigt sich darin, dass durch die unterschiedliche Bezeichnung des Familienstandes ('verheiratet' versus 'in eingetragener Partnerschaft lebend') Personen in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft auch in Zusammenhängen, in denen die sexuelle Orientierung keinerlei Rolle spielt und spielen darf, diese offen legen müssen und, insbesondere auch vor dem historischen Hintergrund, Gefahr laufen, diskriminiert zu werden." Der Gerichtshof kommt daher zu folgendem Schluss: "Die gesetzliche Trennung verschiedengeschlechtlicher und gleichgeschlechtlicher Beziehungen in zwei unterschiedliche Rechtsinstitute verstößt damit gegen das Verbot des Gleichheitsgrundsatzes, Menschen auf Grund personaler Merkmale wie hier der sexuellen Orientierung zu diskriminieren."

Die Aufhebung umfasst die Wortfolge "verschiedenen Geschlechtes" in den Regelungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) zur Ehe sowie jene Bestimmungen im EPG, welche die eingetragene Partnerschaft auf gleichgeschlechtliche Paare beschränken. Damit stehen nach der Aufhebung die Ehe und die eingetragene Partnerschaft sowohl gleich- als auch verschiedengeschlechtlichen Paaren offen.