Heinz-Christian Strache:
Sein politisches Ende

Nach dem Debakel bei den Wien-Wahlen ist die Zeit des Politikers Heinz-Christian Strache abgelaufen. Dabei stolperte der ewige Populist nicht einmal über seine unrühmliche Rolle im Ibiza-Video -sondern in erster Linie über jene als unkontrollierter, unkontrollierbarer Racheengel.

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Politik - Heinz-Christian Strache:
Sein politisches Ende

"Haaazzeee, Haaazzeee!" - Noch einmal hat er einen ganzen Saal aufgehaaazt, das Auditorium zum Toben gebracht, einen Salon zum Bierzelt gemacht. Noch einmal geht Heinz-Christian Strache nach einer Rede grinsend ab, signiert Autogrammkarten, posiert huldvoll für Selfies. "Das ist wie eine Art narzisstischer Sucht, die Sucht nach einer Bühne -und nach Rache", sagt der Psychotherapeut Ferdinand Stürgkh, der über eineinhalb Jahrzehnte hinweg zu Straches engsten Vertrauten und Beratern zählte.

Doch in diesem einen, letzten Haaazzeee-Moment erscheint die Sucht noch wechselseitig, und der ewige Populist und zwischenzeitliche Vizekanzler ist felsenfest davon überzeugt, es noch einmal ganz, ganz nach oben zu schaffen: An die 1.000 Fans und Unterstützer sind an diesem 23. Jänner 2020 trotz gefrierenden Nebels in die Wiener Sofiensäle gepilgert, um die minutiös geplante Comeback-Show des Señor Ibiza mitzuverfolgen. Auf vier TV-Kanälen wird live übertragen, 65 Medienleute sind akkrediert: Er ist wieder da!

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Doch dann kommt Corona. Dann der Lockdown. Und mit der Isolation - ungeachtet der langsam herandräuenden Spesenaffäre - die fatale Selbstüberschätzung. Und 251 Tage nach dem bombastischen Wahlkampfstart in den Sofiensälen folgt die große Desillusionierung im Rathaus.

Das politische Souterrain

Gerade einmal 3,3 Prozent der Stimmen hat er erreicht, den Einzug ins Stadtparlament klar verpasst, seine Politkarriere ist zu Ende. Diesmal aber wirklich: Denn die Möglichkeit, als Bezirksrat im Souterrain der Politik herumzugrundeln, schließt selbst der Narzisst vom Dienst aus. Das hat er doch schon einmal gemacht, damals, mit frischen 22, ganz zu Beginn seiner Laufbahn. "Das mache ich sicher nicht", sagte er bereits am vergangenen Dienstag klipp und klar zu News. Als Privatunternehmer wolle er künftig tätig sein, sein "Team Strache" zwar nebenher unterstützen, auch ein Onlinemagazin gründen, um dessen politische Inhalte zu transportieren. Aber damit habe es sich dann auch schon.

Dabei schien Ibiza, der protokollarische Anfang vom Ende, fast schon vergessen. Halt b'soffen gewesen, halt Blödsinn geredet, zumindest bei seiner Klientel war der Übergang zwischen Verstehen und Verzeihen fließend. Hat der illuminierte Mann vom Balearen-Video den Restwert seiner politischen Trademark also erst innerhalb der vergangenen acht Monate verspielt?

"Die Marke Strache wurde nach Bekanntgabe seiner Kandidatur so sehr mit Mist überschüttet, dass sie es nicht mehr schaffte, zur Bevölkerung durchzudringen", klagt etwa der millionenschwere Unternehmer und Strache-Intimus Harald Fischl. Und so kam es laut Fischl so, wie es kommen musste: "Die FPÖ hat alles verloren, und der Heinz hat nichts gewonnen."

Zu sehr suhlte sich Strache in den Wochen und Monaten zuvor in der selbstherrlichen Wut, von seinen einstigen Günstlingen verraten worden zu sein. Zu sehr war er von seiner persönlichen Vendetta beseelt, zu wenig von politischem Kalkül. "Die beste Rache ist dein Kreuz bei H.-C. Strache", prangte bereits auf den Buttons, die sich die Ultras in den Sofiensälen an die Brust hefteten. Freunde der konkreten Poesie merkten bereits da, dass Plakattexter Herbert Kickl nach wie vor für die alten Blauen werkelte, nicht für deren dunkelblaue Abspaltung. Doch das war erst der Anfang. "Das Match, das sich Strache am Ende des Wahlkampfs mit Dominik Nepp lieferte, war aus kommunikationsstrategischer Sicht ja ein völliger Wahnsinn", befindet Ex-Berater Stürgkh.

Ich, die zerdrückte Zigarette

Ende April, ein Freitagnachmittag auf der weit ausladenden Terrasse der Straches in der Nähe von Klosterneuburg. Es ist einer der ersten warmen Frühlingstage, und im hinteren Eck des Gartens schimmert bläulich der kleine Pool. Doch für derlei Tröstliches hat der geschasste FP-Chef keinen Blick mehr, im Akkord rauchend hat er sich im News-Interview in Rage geredet: "Welche falschen Schlangen habe ich da an meiner Brust genährt, die nur danach gierten, mich zu beerben und dann auf mich draufzusteigen wie auf eine Zigarette?"

Die Glut des Hausherren trifft aber keine leibhaftigen Reptilien, sondern die politischen Dickhäuter aus seinem Ex-Dschungel, die Hofers, Kickls und Nepps dieser kleinen, wilden Welt. Damals, als er, der Haaazzeee, den blauen Laden übernahm, sei Hofer noch ein burgenländischer Sekretär gewesen und Kickl ein Kärntner Sekretär. "Ich habe sie wie viele in meinem Umfeld als Mitstreiter aufgebaut. Natürlich ist man da enttäuscht, wenn man gewisse Verhaltensmuster erleben muss."

Was für eine Enttäuschung sei das gewesen -aber, wie Strache betont, auch das Ende einer Täuschung; der noch vor dem nächsten Tschick auf der Terrasse eine weitere folgen sollte: "Ich glaube, dass ich mit meiner rot-weiß-roten Bürgerbewegung die FPÖ in Wien überholen kann." Was sich nicht ausging, obwohl die Nepp-FPÖ ohnedies nur noch rückwärts beschleunigte. Enge Wegbegleiter aus Straches Bewegung berichten, dass gegen Ende des Wahlkampfs nicht einmal mehr der Namensgeber selbst an den Erfolg seines Teams geglaubt habe. "Man konnte sehen, wie sein Optimismus mehr und mehr schwand", sagt einer aus seinem Tross. Kaum eine Umfrage sah Strache über der magischen Fünf-Prozent-Marke. Zudem leakten die alten Kollegen von der FPÖ, eben ganz "falsche Schlangen", schon fast in Tagesintervallen neue Interna aus dem Ermittlungsakt rund um Straches Spesenaffäre: Zunächst soll der gestürzte Gottvater einen fetten Mietzuschuss für sein gediegenes Vorstadtdomizil kassiert haben; dann wiederum habe er auf Parteikosten noble Couture und Nippes für Gattin Philippa geshoppt; auch die Poolreinigung daheim in der Cottage habe die Partei finanziert; Nachhilfestunden für die Strache-Kids aus erster Ehe, Potenzpillen für den Herrn Papa, all das sei auf Kosten der Blauen und somit indirekt auf Kosten der Steuerzahler gegangen. Und gerade der kleine Mann reagiert sehr sensibel und mutiert gerne zum Nichtwähler, wenn ausgerechnet sein selbsternannter Schutzpatron prasst und prasst. "Nicht Ibiza hat ihn seine Karriere gekostet, sondern die Spesenaffäre", ist Ex-Berater Ferdinand Stürgkh überzeugt.

Für einmal 350 Euro und einmal 390 Euro sollen, wie die Gratiszeitung "Heute" in Erfahrung brachte, auch zwei fette Rolex-Chronographen Straches auf Parteikosten repariert worden sein. "Aus weiteren Erhebungen geht hervor, dass die Uhren von Philippa Strache mutwillig im Streit mit ihrem Gatten zerstört wurden", protokollierte die Polizei penibel. Die Zeitmesser ticken längst wieder richtig. Aber wie, fragte man sich, ticken die Straches?

Wilde Abgeordnete ohne Ring

Plötzlich jagte da ein Gerücht das andere: Einmal vermeldete der Boulevard, Philippa sei praktisch über Nacht auzsgezogen, ein andermal sei die wilde Abgeordnete im Parlament ohne Ehering aufgetreten, sogar gezoomte "Beweisfotos" wurden geliefert. Unumstritten hingegen ist: Die mittlerweile selbst leidlich bekannte und populäre Ehefrau wollte sich definitiv nicht in der neuen Bewegung ihres Mannes engagieren. Für die politikfreie Reality-Soap "Diese Straches" ist das alles natürlich Ware vom Feinsten. Aber mal ganz ehrlich: Wer sollte eine Familie ins Rathaus wählen, die fast schon so glamourös wie die Geissens anmutet?

Zunächst, nach Ibiza, habe Harald Fischl, der alte Haberer und Ex-FP-Mandatar, mit der Partei noch über Straches künftigen Platz in der "freiheitlichen Familie" verhandelt. Doch das zerschlug sich. Danach riet er ihm immer wieder: "Denk an deine Existenz, denk an deine berufliche Zukunft, weniger an deine Zukunft als Politiker."

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Die neue Truppe, so Fischl, sei personell und inhaltlich noch nicht gut genug aufgestellt gewesen, kein Dreamteam, eher ein Häuflein politischer Glücksritter, sagt der Mann, der als ehemaliger Präsident des Fußballklubs GAK von Mannschaftsaufstellungen durchaus Ahnung hat. Doch umsonst: "Der Heinz hat sich einfach nicht die Zeit genommen, seine Wunden zu lecken."

Nun scheint er sich die Zeit zu nehmen, und zwar gleich von Beginn an: Stundenlang hatten seine Mitstreiter am Wahlsonntag darauf gewartet, dass ihr Idol noch einmal in den Büroräumlichkeiten seiner Bewegung erscheinen möge. Als er schließlich kurz vor Mitternacht doch noch eintrudelte, waren die meisten Getreuen aber längst schon abgezogen. Ein Karton, abgedeckt mit durchsichtigem Cellophan, stand da noch einsam herum. Darin befand sich eine Torte mit dem Schriftzug "HC is back!". Nicht einer, der sich getraut hätte, von dieser süßen Versuchung zu naschen.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News (42/2020) erschienen.