Schieder fährt statt
Kern nach Brüssel

Abgelöster Klubchef wird EU-Wahl-Spitzenkandidat

Nur einen Tag nach dem jüngsten Rückzug von Christian Kern hat die SPÖ ihre letzte wichtige Personalie geklärt. Statt dem Altkanzler wird Andreas Schieder die Sozialdemokraten in die Europawahl im kommenden Jahr führen, verfügte das Parteipräsidium am Sonntag einstimmig. Schieder war erst vor kurzem von der neuen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner als Klubobmann abgesetzt worden.

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Diese Funktion wird die künftige Frontfrau der Roten selbst übernehmen und zwar ab Montag, wenn in einer Klubsitzung eine geheime Wahl dazu ansteht. Dabei soll dem Vernehmen nach auch geklärt werden, dass Ex-Infrastrukturminister Jörg Leichtfried im Klub aufgewertet wird und bei den Tagesgeschäften der Klubobfrau das eine oder andere abnehmen wird.

Rendi-Wagner: Gute Wahl

Am Sonntag trat Rendi-Wagner nach der Präsidiumsklausur am Wiener Kahlenberg in ihrer Funktion als geschäftsführende Parteivorsitzende auf und versicherte, dass man mit Schieder eine gute Wahl getroffen habe, sei dieser doch ein ausgewiesener Europaexperte und verfüge zudem sowohl über Regierungs- als auch über Parlamentserfahrung.

Schieder für soziale Gerechtigkeit

Schieder selbst wollte auf Fragen, ob es seine Arbeit nicht erschweren werde, dass er bloß Ersatzkandidat sei, nicht wirklich eingehen. Wahlkampf sei ohnehin immer schwer und man werde umso mehr die Frage des sozialen Zusammenhalts in den Vordergrund rücken müssen. Denn wer soziale Gerechtigkeit wolle, müsse kommendes Jahr SPÖ wählen.

Dieser Fokus auf klassische rote Themen wird auch der am Kahlenberg festgelegten Listenzweiten nicht schwer fallen. Evelyn Regner ist nicht nur langjährige Europaparlamentarierin sondern auch Kandidatin der roten Gewerkschafter. Die übrigen Plätze werden erst am 18. Oktober vom Vorstand festgelegt, bis dahin sollten auch die Vorschläge aller Landesorganisationen fixiert sein. Endgültig abgesegnet wird die Liste dann am 24. und 25. November bei einem Bundesparteitag in Wels. Dort wird auch Rendi-Wagner zur Parteivorsitzenden gekürt und das neue Parteiprogramm beschlossen.

Wohnen, Pflege und Facharbeiteroffensive als Schwerpunkte

Schon davor will die SPÖ wieder verstärkt inhaltliche Pflöcke einschlagen. Als die drei Hauptthemen der kommenden Monate nannte Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda am Sonntag leistbares Wohnen, Pflege und eine Facharbeiteroffensive.

Wichtig war den Spitzen der Sozialdemokraten, dass die zermürbende Personaldiskussion nach dem Rückzug Kerns als Parteichef nun einmal abgeschlossen ist. Dass dieser auch nicht als Spitzenkandidat in die EU-Wahl zieht, wie er das ursprünglich angestrebt hatte, hat die neue Parteichefin übrigens endgültig erst Samstag früh um 8 Uhr und damit gerade einmal 4,5 Stunden vor der offiziellen Verkündung erfahren. Dass es dazu gekommen ist, bedauerte am Sonntag niemand. Kerns Entschluss sei sowohl für ihn als auch für die Partei das beste, meinte etwa Salzburgs Landesvorsitzender Walter Steidl.

Einer der Gründe für Kerns Rückzug war ja, dass in der Partei sein Wunsch, gemeinsam mit Liberalen und Grünen ein Pro-Europa-Bündnis zu formen, gescheitert war. Rendi-Wagner hielt dazu am Sonntag fest, dass die europäische Sozialdemokratie gemeinsam in die Europawahl gehe. Über allfällige Kooperationen könne man nach dem Wahltag sprechen.

Rendi-Wagner will nach vorne blicken

Grundsätzlich betonte Rendi-Wagner, sich nicht allzu lange mit Rückschauen aufzuhalten. Die am Vortag geäußerte Kritik Kerns an Intrigen innerhalb der Partei teilte sie nicht. Viel lieber verwies sie darauf, wie herzlich sie bei ersten Begegnungen mit Landesorganisationen wie der steirischen und der Wiener aufgenommen worden sei. Letztere dürfte mit Schieders Kür auch endgültig befriedet sein. Die Steirer wiederum freuen sich darüber, dass ihnen ein fixer EU-Listenplatz in Aussicht gestellt wurde. Auch die oberösterreichische und die niederösterreichische SPÖ werden mit ihren Kandidaten Hannes Heide und Günther Sidl wohl nicht leer ausgehen.

Zu vergeben sein werden in Kürze auch zwei Nationalratsmandate, nämlich jene Kerns und Schieders. Geht alles nach Plan, könnten auf diesem Weg die frühere JG-Chefin Katharina Kucharowits und Finanzreferent Christoph Matznetter ins Hohe Haus zurückkehren .

Schieder regt Österreichs Europaabgeordnete kaum auf

Der Rücktritt von Kern und Schieders Nachfolge regt Österreichs Europaparlamentarier kaum auf. Die SPÖ-Delegationsleiterin Evelyn Regner sagte, Schieder stehe für Verlässlichkeit. Der grüne EU-Mandatar Michel Reimon kommentierte Schieder mit den Worten: "Ich kenne ihn nicht. Aber er ist sicher nett."

Die NEOS-Europaabgeordnete Angelika Mlinar meinte, die SPÖ habe sich mit Schieder für einen pragmatischen Politprofi entschieden. Das biete die Chance, dass der EU-Wahlkampf mehr inhaltlich als Schlagwortorientiert sein wird.

Regner würdigte noch den völlig aus der SPÖ abgetretenen Kern als Politiker, der sich von Beginn an für Europa stark gemacht habe. "Er hat mit einem hohen Tempo begonnen und ich hätte mir von ihm mehr Durchhaltevermögen auf der Langstrecke gewünscht."

Vilimsky: Schieder wird SPÖ-Abwärtstrend fortsetzen

Der FPÖ-Delegationsleiter im Europaparlament Harald Vilimsky sieht mit Schieder als neuem SPÖ-Spitzenkandidaten eine Fortsetzung des Abwärtstrends der Sozialdemokraten. Die ÖVP-Europaabgeordneten wollten die Personalentscheidung der SPÖ nicht kommentieren.

Vilimsky meinte, mit Schieder gehe ein wirklich würdiger Nachfolger des gescheiterten Kurzzeitpolitikers Christian Kern ins Rennen um die EU-Wahl. Bei Niederlagen stehe Schieder Kern als "gescheiterter Bürgermeister-Kandidat und abgesetzter Klubobmann" in kaum etwas nach, ätzte der FPÖ-Generalsekretär. Schieder sei "von den Sorgen und Bedürfnissen der normalen Bevölkerung meilenweit entfernt und in seinem Bobo-Sektor von jeder Realität abgekapselt". Es könnte aber auch sein, dass die SPÖ Schieder ins "außenpolitische Exil" verabschieden wolle.

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