Schwarz-Blau in
den Startlöchern

Kurz lud FPÖ zu Koalitionsgesprächen - Verhandlungsteams stehen

ÖVP und FPÖ werden Koalitionsgespräche starten. Wahlsieger Sebastian Kurz hat am Dienstag die Freiheitlichen eingeladen, eine "türkis-blaue" Regierung zu verhandeln und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat das Angebot umgehend angenommen. Geht es nach Kurz, soll die neue Bundesregierung bis Weihnachten stehen. Fix sind bereits die Hauptverhandlungsteams.

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Für die Blauen werden neben Strache Generalsekretär Herbert Kickl, Vizeparteichef Norbert Hofer, Klubdirektor Norbert Nemeth und die Abgeordnete Anneliese Kitzmüller die Koalition hauptverhandeln. Diesem Generalverhandlungsteam werden weitere inhaltliche Untergruppen unterstellt. Die Verhandlungen werden Mittwochmittag beginnen. Das habe er mit VP-Chef Sebastian Kurz heute telefonisch ausgemacht, so Strache bei einer Pressekonferenz Dienstagnachmittag.

Strache: "Ohne Zeitdruck und auf Augenhöhe"

Die FPÖ verlangt von der ÖVP Regierungsverhandlungen "auf Augenhöhe und ohne Zeitdruck". Sie will zunächst eine "Bestandsaufnahme", was das Budget und die Lage in den einzelnen Ministerien betrifft. Die Blauen wollen also als Oppositionspartei von der Regierungspartei ÖVP zuerst auf den Stand der Dinge gebracht werden.

Kickl formulierte es folgendermaßen: "Die ÖVP wohnt in einer Gegend, in die wir erst hineinkommen. Wir sind nicht ortskundig." Man lasse sich daher nicht unter Druck setzen. "Es gibt keinen Grund für überhastete Verhandlungen", sagte Strache. Man wolle "zügig verhandeln, aber nicht überstürzt". Für die FPÖ gilt damit der von Kurz gewünschte Abschlusstermin "vor Weihnachten" nicht, erklärten Strache und Kickl.

Am Beginn der Gespräche soll es einen Kassasturz geben. Die Blauen wollen eine "Bestandsaufnahme" und Informationen, die sie als Oppositionspartei nicht haben, über die Budgetsituation und einen Innenblick auf die Ministerien. "Das wird der erste Schritt sein", so Strache. Er betonte weiters, dass die Gespräche "nicht zwingend zu einem positiven Abschluss führen müssen". Es gebe mit der ÖVP "gemeinsame Schnittmengen, aber auch deutliche Unterschiede". "Die Regierungsbeteiligung ist für uns kein Selbstzweck". Eine schwarz-blaue Regierung werde es nur geben, wenn freiheitliche Inhalte umgesetzt werden. Man werde sehen, ob die ÖVP bereit sei, mitzugehen. Die Gespräche müssten auf jeden Fall "seriös und ehrlich" geführt werden. "An Schmeicheleien sind wir nicht interessiert", so Strache.

»Die Regierungsbeteiligung ist für uns kein Selbstzweck«

Auf die von Kurz verlangte pro-europäische Ausrichtung antwortete Kickl mit einer Metapher. Das Verhältnis der Freiheitlichen zu Europa sei wie mit der Liebe: "Wenn man jemanden liebt, heißt das nicht, dass man immer zu ihm lieb ist." Manchmal sei eine gewisse Strenge und Kritik, "um dieser Zuneigung gerecht zu werden, besser, als wenn man aus purer Verliebheit handelt".

Streng zeigte sich Kickl gleich gegenüber der ÖVP. Er sei gespannt, ob bei der Volkspartei das neue Türkis oder das alte Schwarz im Vordergrund liege. "Die Voraussetzungen sind gut." Nun müssten Verhandlungen "in einem Klima des Respekts, des Vertrauens und auf Augenhöhe" folgen. Kickl betonte ebenfalls, dass man sich von der ÖVP nicht unter Druck setzten lassen werde. Er sei "ein Freund von Tempo und Geschwindigkeit", man werde aber lieber zwei bis drei Wochen intensiver verhandeln, bevor man auf Qualität und Inhalte verzichte.

Wen die ÖVP in die Verhandlungen schickt

Nach der Zusage der FPÖ hat nun auch die Volkspartei ihr Verhandlungsteam genannt. Neben Parteiobmann Sebastian Kurz werden die Generalsekretäre Elisabeth Köstinger und Stefan Steiner, langjähriger Mitarbeiter von Kurz, dem Team angehören. Die fünfköpfige Gruppe umfasst außerdem den Wiener Landesparteichef Gernot Blümel sowie die stellvertretende Bundesparteichefin und Casinos-Vorständin Bettina Glatz-Kremsner.

Kurz will die Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ "im Idealfall" schon am Mittwoch aufnehmen. Inhaltliche Details nannte er noch nicht, pochte aber einmal mehr auf die pro-europäische Ausrichtung der neuen Bundesregierung.

Kurz
© News/Renate Kromp Gespanntes Warten auf Kurz

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Kurz: SPÖ will Führungsrolle nicht aufgeben

Schon nach dem Auftrag des Bundespräsidenten habe er sich sofort an die Arbeit gemacht und erste Sondierungsgespräche aufgenommen. Auch jetzt soll es rasch gehen, kündigte Kurz an. Nach den Terminen mit den kleineren Parteien habe er auch mit der FPÖ und SPÖ-Chef Christian Kern gesprochen. Mit Letzterem habe man zunächst versucht, das auszuräumen, "was im Wahlkampf vorgefallen ist": "Das haben wir zustande gebracht und ist für mich hiermit auch erledigt." In dem Gespräch und auch in der vergangenen Woche habe er aber den Eindruck gewonnen, dass die SPÖ zwar Interesse an einer potenziellen rot-blauen Bundesregierung unter sozialdemokratischer Führung habe, nicht jedoch an einer "türkis-roten" Zusammenarbeit mit Kern als Vizekanzler, meinte Kurz.

»Mit FPÖ gib es inhaltlich einiges, das verbindet«

Mit den Freiheitlichen gebe es "inhaltlich einiges, das verbindet" und auch einiges, das die möglichen Partner trennt. Im Gespräch mit Strache habe er jedoch den Eindruck gewonnen, "dass ein starker Gestaltungswille vorhanden ist und der Wille, eine Veränderung in Österreich gemeinsam zu bewirken". "Ich glaube, dass sich Österreich eine rasche und schnelle Regierungsbildung verdient", so der ÖVP-Obmann. Es soll eine "stabile Regierung mit ordentlicher Mehrheit" geben: "Daher habe ich mich entschieden, heute Heinz-Christian Strache und die FPÖ einzuladen, in Regierungsverhandlungen einzutreten, um eine türkis-blaue Regierung vorzubereiten."

Nicht ohne pro-europäische Ausrichtung

Voraussetzungen für die neue Bundesregierung sei ein neuer respektvoller Stil in der Koalition und im Parlament, der Wille für Veränderungen sowie die pro-europäische Ausrichtung. Es sei entscheidend, dass die Regierung die Kraft habe, notwendige Veränderungen im Land einzuleiten und Strukturen aufzubrechen, um etwa eine Steuersenkung zu ermöglichen. Die pro-europäische Position sei eine Grundvoraussetzung, bekräftigte Kurz: "Österreich kann nur stark sein, wenn wir in Europa aktiv mitarbeiten", insbesondere mit Blick auf den Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr 2018. Neben einem klaren Bekenntnis zur EU brauche es den Willen, diese mitzugestalten. Kurz sprach sich hier für ein subsidiäres Europa aus, bei dem in den großen Fragen stärker zusammengearbeitet wird.

Regierung soll bis Weihnachten stehen

Regierungsverhandlungen dauern im Schnitt 60 Tage, meinte der ÖVP-Obmann weiter und versprach, die Gespräche zügig zu führen. Bis Weihnachten sollte eine stabile Regierung stehen, hofft Kurz. Ob nun wie von der FPÖ gewünscht, das Innenressort an die Freiheitlichen fällt, ist noch völlig offen, haben doch noch nicht einmal die Verhandlungen begonnen, meinte Kurz auf eine entsprechende Frage. Die Ressortaufteilung werde ebenso wie Inhaltliches erst besprochen.

Van der Bellen habe sich in den Gesprächen der vergangenen Tage eingebracht und Anregungen mitgegeben, dies sei legitim und stehe ihm als Staatsoberhaupt auch zu. Bedingungen oder etwas anderes, das ihm die Verhandlungen erschweren würde, habe er aber nicht mitgegeben, erklärte Kurz. Van der Bellen werde weiterhin auf dem Laufenden gehalten, betonte er.

Minderheitsregierung denkbar?

Über das Angebot der SPÖ, eine Minderheitsregierung grundsätzlich zu unterstützen, zeigte sich Kurz erfreut. Dies sei aber nur eine mögliche Variante, sollte keine stabile Regierung zustande kommen. Ziel müsse aber eben dies sein. Auf die Frage, wo die größten Hürden mit der FPÖ zu finden sind, stellte der ÖVP-Chef schmunzelnd fest: "Das würde den Rahmen sprengen, wenn ich die Frage ausführlich beantworten würde." In den Sachfragen gebe es Überschneidungen etwa bei der Steuerreduktion bis hin zu "ähnlichen Ansätzen" im Bereich der Migration. Es gebe aber auch Trennendes: "Das ist nicht ungewöhnlich. Wo ein Wille, da ein Weg."

Stellung nahm Kurz auf Nachfrage auch zu den am Montag angekündigten Kürzungen in Oberösterreich unter einer schwarz-blauen Landesregierung: Landeshauptmann und einer seiner Stellvertreter Thomas Stelzer habe seine volle Unterstützung, um ein "ordentliches Budget" zu erzielen. Wie genau dies erfolgt, müsse Stelzer ausverhandeln und durchziehen.

Kern erwartet "ideologische Uraltkoalition"

SPÖ-Chef und Bundeskanzler Christian Kern erwartet angesichts der am Mittwoch startenden Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ keinen neuen Stil des Regierens. "Was wir bekommen werden, ist eine ideologische Uraltkoalition der beiden rechts gerichteten rechtspopulistischen Parteien, die sich schon seit längerer Zeit inhaltlich und ideologisch angenähert haben", erklärte Kern via Facebook.

»Was wir bekommen werden, ist eine ideologische Uraltkoalition der beiden rechts gerichteten rechtspopulistischen Parteien«

Die SPÖ werde in Opposition gehen und habe damit die Chance, sich zu erneuern und wieder stärkste Kraft zu werden, erklärte Kern weiter. Die neue schwarz-blaue Regierung werde die Unterschiede jedenfalls klar aufzeigen: "Ich hätte das unserem Land gerne erspart." Die nun geplante Koalition sei aber "kein Zufall", sondern sei von ÖVP-Chef Sebastian Kurz seit 18 Monaten vorbereitet worden.

»Ich hätte das unserem Land gerne erspart«

Die SPÖ habe sich etwa darauf verlassen, dass der neue ÖVP-Obmann mit seiner Unterschrift zur im Jänner neu geschlossenen Regierungsvereinbarung stehe: "Wir haben zur Kenntnis zu nehmen, dass das offenbar nicht der Fall war. Ich wünsche jedem mit so einem Koalitionspartner viel Spaß. Unsere Problemlage ist das ja jetzt nicht mehr."

SPÖ-Pensionistenchef Karl Blecha warnte die kommende Bundesregierung unterdessen davor, das Pensions- und Sozialsicherungssystem zu ruinieren. Schwarz-Blau habe für die älteren Menschen schon einmal schon einem "verheerende Auswirkungen" gehabt. Zwischen 2000 und 2006 wurden die Pensionen laut Blecha um 14 Prozent gekürzt. Ambulanzgebühren seien eingeführt, Polizeidienststellen und Postämter geschlossen worden. Die Politik von ÖVP und FPÖ beschäftige bis heute die Gerichte, so Blecha.

ÖGB und AK gegenüber Schwarz-Blau "situationselastisch"

Angesichts der anlaufenden Koalitionsverhandlungen geben sich die Arbeiterkammer und Gewerkschaft abwartend. Man bewerte jegliche Regierung daran, was sie für die Arbeitnehmer zu tun bereit sei, sagten AK-Präsident Rudolf Kaske und ÖGB Chef Erich Foglar am Dienstag. Keinesfalls dürfe es zur Abschaffung der Kammer-Pflichtmitgliedschaft kommen.

"Das erwarten wir eigentlich seit 18 Monaten", sagte Foglar über das Zusammenrücken von ÖVP und FPÖ. Man warte nun ab, was tatsächlich im Regierungsprogramm stehen werde. Auch Kaske meinte, er könne nicht in die Glaskugel blicken: "Wir orientieren uns an Fakten", meinte er. Was dann am Tisch liege, werde man "ganz cool" beurteilen.

Foglar unterstrich, dass man mit der Abschaffung der Kammer-Pflichtmitgliedschaft und damit dem Aushebeln der Kollektivvertragssysteme "sicher nicht einverstanden sein" werde. Den Missmut darüber würde man "situationselastisch und -adäquat" kundtun, so der ÖGB-Präsident, ohne in Details zu gehen. Er erinnerte allerdings an das Agieren von ÖGB und Arbeiterkammer unter Schwarz-Blau bzw- Schwarz-Orange in den Jahren 2000 bis 2006, wo unter anderem ein so genannter Abwehrstreik gegen Pensionseinschnitte organisiert worden war.

Weiger zurückhaltend als mit der kommenden Regierung gingen die beiden mit der Industriellenvereinigung und deren Präsidenten Georg Kapsch um, der die Sozialpartnerschaft zuletzt als Machtkonstrukt und "Staat im Staat" kritisiert hatte. In Wirklichkeit sei diese aber ein Erfolgsmodell seit vielen Jahrzehnten, während Regierungen gekommen und gegangen seien. Sie sei ein Ideengeber für die Zukunft des Landes. "Ich glaube, es ist nicht gescheit, auf gute Ideen zu verzichten", so der AK-Chef: "Das machen nur Menschen, die arm im Geiste sind."

Viel Lob hatten Foglar und Kaske für jene Beschlüsse übrig, die in der letzten Nationalratssitzung vor der Wahl noch gegen den Willen der ÖVP beschlossen wurden, nämlich die Angleichung von Arbeitern und Angestellten, die Änderungen bei der Notstandshilfe, die Abschaffung der Mietvertragsgebühr und die Übernahme der Internatskosten für Lehrlinge durch den Insolvenzentgeltfonds. Foglar ortete darin "Jahrhundertgesetze". Er appellierte an ÖVP und NEOS, im morgigen Bundesrat alldem auch noch zuzustimmen. Dass die FPÖ dort trotz ihres nunmehrigen Koalitionskurses mit der ÖVP bei ihrem Ja bleibt, davon gehe man aus, meinten Kaske und Foglar.

Pittella: "Ich bin gegen Große Koalition"

Nach der Ansage von ÖVP und FPÖ, in Koalitionsverhandlungen treten zu wollen, betont der Fraktionschef der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Gianni Pittella, dass eine Große Koalition keine Lösung für Österreich wäre. "Ich bin gegen Große Koalitionen. Im EU-Parlament habe ich sie aufgelöst", sagte der Italiener. "Auf europäischer Ebene ist für mich die Linie eine klare, starke und korrekte Dialektik zwischen Rechten und Linken", sagte der Sozialdemokrat nach Angaben italienischer Medien