Was man von Kurz
lernen kann und was nicht

Für manche ein Wunderknabe, für andere ein politischer Scharfmacher. Kurz polarisiert.

Er begeistert durch sein rhetorisches Geschick und irritiert durch sein Schweigen. Sebastian Kurz ist seit einem Jahr ÖVP-Chef und seine Arbeit ruft verschiedenste Reaktionen hervor. Während man in einigen Anliegen von ihm lernen kann, lassen sich andere eher vernachlässigen.

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Ein Jahr ÖVP-Chef - Was man von Kurz
lernen kann und was nicht

Seit einem Jahr steht Sebastian Kurz an der Spitze der ÖVP. Er war mit 27 Jahren der jüngste Außenminister in der österreichischen Geschichte und wurde mit 31 zum jüngsten Staats- und Regierungschef der Welt. Sebastian Kurz polarisiert: Für die Einen ist er ein Wunderknabe, für die Anderen ein politischer Scharfmacher. Was kann man von Kurz lernen und was eher nicht?

Geschicktes Rebranding: Von Schwarz zu Türkis

Kritiker und Anhänger sind sich einig: Marketing, das kann der junge Politiker. Kurzerhand wurde der schwarzen ÖVP ein frischer türkiser Anstrich verliehen und aus der etwas angestaubten Partei eine dynamische Bewegung. Unter dem Namen „Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei (ÖVP)“ ging die ÖVP, mit ihm als Spitzenkandidat, bei der Nationalratswahl 2017 mit 31,5 Prozent als stimmstärkste Partei hervor. Das dezent in der Klammer ergänzte Parteikürzel sich auf kaum einem Wahlplakat wieder, dafür strahlte der Spitzenkandidat auf Großformaten an jeder zweiten Straßenecke. Die ganze Partei war – und ist immer noch – auf seine Person eingeschworen. Ein starkes Social Media Marketing tat das Übrige und der Wahlsieg war gesichert.

Jugendsünden: Fremdscham beim Geil-o-mobil

Im Marketing war Kurz allerdings nicht immer ein Vorreiter. Das „Geil-o-mobil“ – ein schwarzer Hummer, auf dessen Motorhaube Kurz für Fotos posierte – rief doch eher Fremdscham hervor. Die Aktion lief unter dem nicht viel besseren Slogan „Schwarz macht geil“ vor der Wien-Wahl 2010. Urteilt man nach den Wahlergebnissen, dann fanden die Aktion weniger Menschen „geil“, als es sich der Jungpolitiker wohl erhoffte. Wie das so mit Jugendsünden ist, hängt ihm die Aktion bis heute nach. Auf die Inszenierung als Partytier – gegenüber dem Magazin Woman sagte Kurz einmal „Ich bin jung, will keine Spaßbremse sein!“ – hätte er gut verzichten können.

#answerlikekurz: Das Gespräch lenken

Zuerst einmal muss betont werden, dass die Frage wirklich sehr gut war. Bei dem Thema lässt sich nichts beschönigen. Die Balkanroute wurde geschlossen. Wie war noch einmal die Frage? Eigentlich auch nicht so wichtig. Denn auch wenn der Antwortstil von Kurz im Internet unter dem Hashtag „Answer like Kurz“ für viel Belustigung sorgte, muss man dem Politiker zu Gute halten, dass er dadurch im Gespräch immer die Zügel in der Hand behält. Rhetorisch geschickt umgeht er unangenehme Fragen und lenkt das Thema auf seine Stärken, durch die er bei den Wählern punkten möchte.

Langes Schweigen und viele Fragezeichen

Während der Bundeskanzler mit rhetorischem Geschick Diskussionen spielend leicht dominiert, löst zu langes Schweigen Verwirrung aus. Insbesondere bei Entgleisungen seines Koalitionspartners FPÖ braucht es viel Geduld bei der Wählerschaft, bis es zu einem Statement von Kurz kommt. Nach der Liederbuch-Affäre, Kickls Aussage Flüchtlinge „konzentriert“ unterbringen zu wollen oder als bekannt wurde, dass Norbert Hofers Pressesprecher ein hochrangiger Burschenschafter war, hätten sich viele in der Bevölkerung sich eine Reaktion von der Regierungsspitze erhofft. Sich genau zu überlegen, wie man sich zu einem schwierigen Thema äußert ist sicher gut, zu langes Schweigen hingegen führt zu Spekulationen und Unsicherheit.

Nichts dem Zufall überlassen

Kurz ist ein überaus kontrollierter Mensch und genauso wie er seine Gespräche lenkt, überlässt er in der Planung nichts dem Zufall. Die Machtübernahme in der Partei war zuvor mit seinen engsten Vertrauten durchgeplant. Kurz konnte somit schnell agieren, um reibungslos durchzustarten. Das Image eines "Machers" folgte bald. Die Süddeutsche Zeitung beschreibt seine Art als „Selbstkontrolle, die sich selbst in höchster Anspannung in eiserner Freundlichkeit äußert“. Diese Disziplin spielte sicherlich eine wichtige Rolle bei seinem rasanten politischen Aufstieg.

Junge aus dem Arbeiterbezirk oder Kämpfer der Reichen

Kurz betont häufig, dass er aus einfachen Verhältnissen stammt und nach wie vor im Wiener Arbeiterbezirk Meidling wohne. An seiner Nähe zum Normalbürger kommen allerdings schnell Zweifel, wenn man an seinen Auftritt in der ARD-Talkshow Maischberger denkt, in der er von Hetze gegen reiche Menschen sprach. Auch sein Ratschlag an junge Menschen, sich einfach eine Wohnungen zu kaufen, um sich vor Altersarmut zu schützen, stieß bei einigen sauer auf. Kurz Spagat zwischen volksnah und abgehoben lässt seine Erzählungen wenig stringent wirken und ist dadurch nicht immer nachvollziehbar.

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