Dominik Nepp:
Straches stiller Löwe

Dominik Nepp mag als Mann ohne markante Eigenschaften gelten. Doch als Platzhalter für seinen Spezi Strache hat der Wiener FP-Vizebürgermeister eine mächtige Funktion.

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Straches stiller Löwe © Bild: News/Herrgott

Ein paar Mal hatte auch Dominik Nepp zu jener erlauchten Runde gehört, die mit dem Chef alljährlich für ein paar Sommernächte auf Ibiza abhängen durfte. Und so war er auch am 17. Mai kurz nach 18 Uhr live dabei, als sich Heinz-Christian Strache und seine Getreuen um allerersten Mal gemeinsam die Kurzversion des Ibiza-Videos reinzogen: Im Vizekanzleramt sei das gewesen, erzählt Nepp, und unmittelbar nach der Vorführung war er wie alle anderen "völlig vor den Kopf gestoßen". Seine erste Reaktion: "Wie konnte das nur passieren, wie kommt man nur in so eine Situation?"

Doch mittlerweile, knapp zwei Monate später, ist der Schock gänzlich verflogen. Was Nepp nunmehr formuliert, hat längst nicht mehr den Charakter einer bangen Frage, eher den einer Forderung: "Nach einer kompletten Reinwaschung ist ein politisches Comeback Straches sowohl in Wien als auch im Bund möglich", erklärt er. So offen sagt das in der FPÖ in Wahlkampfzeiten sonst keiner. Zumindest keiner aus der ersten Reihe. Und Nepp ist nicht einer dieser nostalgieberauschten Provinzfunktionäre, die Blau wörtlicher nehmen, als den Parteigranden lieb ist. Nein, Nepp ist immerhin Vizebürgermeister von Wien, designierter Obmann der Wiener FPÖ und -zumindest noch vorläufig -freiheitlicher Spitzenkandidat für die Wiener Landtagswahlen im kommenden Jahr. Doch wenn man Nepp beim Wort nimmt, dann müsste das doch eigentlich Strache himself sein, oder? "Egal, welche Person tatsächlich die Nummer eins ist, unseren Inhalten werden wir in jedem Fall treu bleiben", sagt Nepp.

Verhaltener Führungsanspruch

Ich will, ich kann, ich werde? Ein klar definierter Führungsanspruch klingt anders. Eigentlich müsste Dominik Nepp jetzt wie in Trance den ewigen FP-Kampfkatalog, seinen Kampfkatalog für Wien, runterrattern: Durchforstung und Zerschlagung der roten Netzwerke, Gemeindewohnungen nur für österreichische Staatsbürger, mehr Polizei gegen die ausufernde Gewalt. Doch wenn Nepp beginnt, die Vorzüge seines "persönlichen Freundes" und "politischen Vorbilds" Strache zu loben, dann wirkt er vor dem überdimensionalen Löwen-Foto, das über seinem Schreibtisch prangt, doch vergleichsweise handzahm. Ob er Strache in politisch heiklen Situationen um Rat fragen würde?"Es wäre ungeschickt, nicht auf seine Erfahrung zurückzugreifen."

Das Original des Bürolöwen ziert eigentlich das Nussdorfer Wehr, das Foto ist eine Reverenz an Nepps noblen Heimatbezirk Döbling. Das Original des Politlöwen leckt noch im Exil seine Wunden und kommuniziert mit der Welt derzeit nur über Facebook. Und Nepp? Der zählt zu jenen Löwen, die lieber indirekt brüllen.

Etwa über Presseaussendungen, kaum jemand schießt -zack, zack, zack -mehr raus als er, kaum jemand betreibt vom Schreibtisch aus lustvolleren Dauerwahlkampf. "Nepp: Forderung nach Frauenbad ist Anzeichen der fortschreitenden Islamisierung", heißt es da oder: "Nepp: FPÖ fordert harte Sanktionen gegen Ausländerbanden" oder: "Nepp: Verdacht auf missbräuchliche Verwendung von Fördergeld im roten Wien liegt nahe." Holterdiepolter!

Doch die Stimme des echten Nepp ist leise, voller Bedacht wägt er jedes Wort ab. Schlagender Burschenschaftler bei der "Aldania" (Motto: "Ehre, Freiheit, Vaterland") ist er zwar, doch eigentlich schätze er dort eher das "gesellige Beisammensein" als das ganz große Gefecht. Und natürlich die "Erhaltung und Förderung der deutschen Kultur", wie es auf der Homepage der Verbindungsbrüder heißt.

Weißes Hemd, grüne Spritzer

Aus einer Unternehmerfamilie stammt er, Papierfachhandel, gehobenes Wiener Bürgertum, Monogramm DFN (Dominik Friedrich Nepp) am ganz leicht spannenden, blütenweißen Hemd. Wiener Hausmannskost ("aus Omas Kochbuch") mag er und ab und zu auch einen "reschen G'spritzten". Seine Frau Barbara sitzt für die FPÖ im ORF-Publikumsrat, seine beiden Kinder und der Hund halten ihn auf Trab, und so braucht er als Aufputschmittel weder Wodka noch Red Bull. Und abseits von Ibiza bringt ihn eigentlich nur eines echt auf die Palme: "Zuletzt wirklich geärgert habe ich mich über Kernölspritzer auf Hemd und Krawatte", verrät er den Fans auf seiner Homepage.

Dominik Nepp scheint es nicht eilig zu haben, schließlich ist er erst 37 und sitzt nicht zuletzt aufgrund seiner unverbrüchlichen Loyalität zu Strache bereits jetzt punktgenau dort, wo die Macht immer noch wohnt: Dank sehr spezieller Parteienförderungsstruktueren ist die Wiener FPÖ nämlich die mit Abstand wohlhabendste Landesfraktion, gegen ihren Willen geht im Bund gar nichts. Ibiza hin, Rücktritt her, "Rockstar", das ist der Beiname, den Strache innerhalb der Wiener Blauen noch immer hat. Und nachdem Johann Gudenus als Straches Wiener Statthalter aus sattsam bekannten Gründen komplett aus dem Rennen ist, hält nun eben Nepp die Stellung. Denn was ihn und Strache von jeher einte, war "dieser Drang, den Menschen zu helfen". Nun helfen sie sich halt gegenseitig.

Ring Freiheitlicher Skateboarder

Dabei war Nepp in dem Alter, in dem sein späterer väterlicher Förderer noch im teutonischen Tann Paintball spielte, irgendwie noch ganz anders drauf: Ein Skateboarder sei er gewesen, mit weiten Schlabberhosen und unbändiger Haarpracht, mit Guns n'Roses, Metallica und Nirvana auf der Playlist. Fürs Protokoll: "Nein, gekifft habe ich nie, nicht einmal probiert." Doch dann, ziemlich plötzlich: Döblinger Bezirksobmannstellvertreter des Rings Freiheitlicher Jugend, rasch dessen Obmann, dann Bezirkschef bei den Erwachsenen, dann Gemeinderat - was für eine Wende!

Aber warum? Die politisches Sozialisierung des Zöglings Nepp erfolgte eines heißen Sommertages, er war Gymnasiast und mit seinem Cousin auf dem Heimweg vom Schafbergbad. Plötzlich: eine Jugendbande, die dem Duo in den Weg verstellt. Und ein heftiger Schlag, der wie aus dem Nichts auf den Cousin niedergeht. Warum? "Das weiß ich nicht mehr", sagt Nepp. Und auch woher die Angreifer ihrer Herkunft nach kamen, kann er nicht mehr genau sagen: "Aber nicht von uns." Der Cousin war trotz Hämatoms bald wieder auf den Beinen, doch ein blauer Fleck blieb fürs Leben: nicht beim Cousin, sondern bei Nepp.

Der Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News (29/2019) erschienen.