Deutsche Journalisten
kritisieren Kurz

Prominente sehen in Straches Facebook-Posting Angriff auf die Pressefreiheit

Prominente deutsche Journalisten haben in einem Offenen Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) "Angriffe" der FPÖ "auf unabhängige Journalisten und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ORF" beklagt und Kurz' "Zurückhaltung" kritisiert.

von
ORF - Deutsche Journalisten
kritisieren Kurz

Insgesamt setzten 19 Personen ihre Unterschrift unter den am Donnerstag verbreiteten Brief. Unterzeichnet wurde das Schreiben unter anderem von den bekannten TV-Moderatoren Maybrit Illner, Anne Will, Marietta Slomka und Frank Plasberg.Sie alle sitzen im Vorstand des Vereins Hanns Joachim Friedrichs Preis für Femsehjournalismus, den 2016 "Zeit im Bild 2"-Anchorman Armin Wolf erhalten hatte.

Das Facebook-Posting von FPÖ-Obmann und Vizekanzler Heinz-Christian Strache gegen den ORF und Wolf nahmen die Journalisten zum Anlass für ihren Appell an Kurz: Sie sind "bestürzt", dass Strache damit "Armin Wolf mit Lüge und Propaganda gleichsetzt und hunderte Journalistinnen und Journalisten des ORF als Propagandisten und Produzenten von Falschmeldungen verleumdet". Das Posting sei ein Angriff auf die Pressefreiheit, die Unterzeichner sehen sich an die "Methoden der ungarischen und polnischen Regierung" erinnert, nämlich "durch Druck und Diffamierung die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten einzuschränken".

»Umso mehr verwundert uns Ihre Zurückhaltung in diesem für die Meinungs- und Pressefreiheit eines europäischen Landes so wichtigen Fall«

Kurz habe sich in Deutschland mit "offenen Worten in Interviews und Fernsehdiskussionen einen Namen gemacht", heißt es weiter. "Umso mehr verwundert uns Ihre Zurückhaltung in diesem für die Meinungs- und Pressefreiheit eines europäischen Landes so wichtigen Fall", fordern die Unterzeichner den österreichischen Kanzler zum Handeln auf: "Wir hoffen sehr, dass es in Wien einen Ort gibt, an dem pressefeindlichen und demokratieschädlichen Attacken durch österreichische Regierungsvertreter deutlich Einhalt geboten wird. Vielleicht ist dieser Ort ja das Bundeskanzleramt am Ballhausplatz."

Publikumsrat beschloss Resolution gegen "Angriffe"


Im Publikumsrat des ORF ist am Donnerstag ausführlich über die Angriffe der FPÖ auf den Öffentlich-rechtlichen diskutiert worden. Gleich zwei Resolutionen lagen zur Abstimmung vor und sorgten für Debatten. Jene, in der "Angriffe einer Regierungspartei" auf den ORF zurückgewiesen wurden, erhielt letztendlich die Mehrheit. Zudem wurde dem ORF eine "neue Fehlerkultur" empfohlen.

»Wir warnen vor jeglicher Absicht, die Pressefreiheit, einer der Grundpfeiler einer Demokratie, zu untergraben«

In der Resolution werden auch "gezielte Attacken gegen ORF-Mitarbeiter" und die Forderung nach Abschaffung der ORF-Gebühren kritisiert. Weiters warnt der Publikumsrat vor "jeglicher Absicht, die Pressefreiheit, einer der Grundpfeiler einer Demokratie, zu untergraben" und sieht "Einschüchterungsversuche" gegen "Medien und insbesondere gegen ORF-Journalisten" als "Schritt in diese Richtung". Die Resolution tritt auch gegen eine Budgetfinanzierung des ORF auf und fordert die Abschaffung der Landesabgaben, die gemeinsam mit dem Programmentgelt eingehoben werden.

Pressefreiheit "sicher nicht in Gefahr"

Dem ÖVP-Vertreter Andreas Kratschmar war dieser Text zu "alarmistisch und einseitig", die Pressefreiheit sei "sicher nicht in Gefahr". Die Resolution übersehe auch, dass den "Angriffen auf den ORF ja Fehlleistungen vorausgegangen sind", argumentierte er. Kratschmar legte einen Gegenantrag vor. Darin hieß es unter anderem, dass der Publikumsrat "jegliche Diffamierung und Diskreditierung" von ORF-Journalisten ablehne und dass er zugleich vom ORF die "strikte Achtung" journalistischer Standards fordere - "auch, um Angriffsflächen aufgrund von Fehlern" zu vermeiden. Zur Finanzierung hob Kratschmar in seinem Text die "Autonomie des ORF bzw. seiner Gremien" hervor.

»Es fehlt ja meiner Meinung schon sehr lange an Objektivität"«

Eine Mehrheit fand Kratschmar für diesen Gegenantrag aber nicht. Mitglied Peter Vitouch warnte davor, "mit Kanonen auf Spatzen als Fehler in der Berichterstattung zu schießen". Roman Hummel, wie Vitouch Kommunikationswissenschaftler, sah "in der Tat eine indirekte Attacke auf die Pressefreiheit", denn die "stirbt auch dann, wenn Selbstzensur in den Köpfen herrscht". Teilweise Unterstützung fand Kratschmar bei der neuen FPÖ-Vertreterin Barbara Nepp, die den ersten Entwurf als "zu emotional" bezeichnete. "Es fehlt ja meiner Meinung schon sehr lange an Objektivität", sagte sie.

"Wehret den Anfängen"

Das wiederum brachte den SPÖ-nahen Publikumsrat Siegfried Meryn in Rage: "So leicht wischen wir das nicht weg", warf er der FPÖ "Angriffe und Formulierungen wie 'Lügenpresse'" vor. "Wehret den Anfängen", appellierte Meryn ebenso wie Vitouch an das Gremium. Der Bürgerliche Walter Marschitz wiederum bezeichnete Straches Posting zwar als "Grenzverletzung", sah aber sowohl ORF als auch FPÖ gefordert, die "aufbauschende Konfrontation wieder in den Griff zu kriegen". Er befürwortete Kratschmars Entwurf, da er bei ähnlichem Inhalt "sachlicher" gehalten sei.

Letztendlich fand aber der ursprüngliche Antrag mit einer geringfügigen Änderung eine Mehrheit von 17 Stimmen. Kratschmars Resolution erhielt zehn Stimmen und wurde somit abgelehnt.

Schulung für den Umgang mit Fehlern in den Redaktionen

Einstimmig angenommen wurde eine Empfehlung des Publikumsrats an den ORF: Aus den "jüngsten Fehlern" - als solcher wurde in der Debatte der Beitrag des Landesstudios ORF Tirol genannt - solle der ORF "im Sinne einer neuen Fehlerkultur lernen und entsprechende Schritte setzen". Gewünscht wurden dabei "eine Schulung für den Umgang mit Fehlern in den Redaktionen" und eine "Sensibilisierung" der Mitarbeiter "für eine transparente Aufklärung und Korrektur bis hin zur Entschuldigung".

Außerdem wies der Publikumsrat auf seinen Beschwerdeausschuss hin, der "in ein künftiges Fehlerkonzept" eingebunden werden sollte. Außerdem wurde ein Satz aus Kratschmars Resolution übernommen: "Sachlich fundierte Kritik sei als Impuls zur Qualitätsverbesserung ist bei allen Medien und daher auch beim ORF vonnöten."

Kommentare