Erfolg von Kurz:
"Irgendwann verpufft der Effekt"

Sammelband analysiert "neue" ÖVP zum Einjährigen. Aber: Wie neu ist sie wirklich?

Die "neue Volkspartei" ist mittlerweile auch schon etwas mehr als ein Jahr alt - und quasi zum ersten Geburtstag fragt ein neues Buch der Parteiakademie, was sie denn nun eigentlich ausmacht, diese "neue" ÖVP. Über weite Strecken sind die Beiträge erwartungsgemäß Lobeshymnen auf das "Geschenk" Sebastian Kurz, es kommen aber durchaus auch externe kritische Stimmen zu Wort.

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Neues Buch - Erfolg von Kurz:
"Irgendwann verpufft der Effekt"

"Was ist denn jetzt neu an dieser neuen Volkspartei?" stellt Bettina Rausch, Präsidentin der Politischen Akademie der ÖVP und Mitherausgeberin, gleich zu Beginn die zentrale Frage des Sammelbandes "Offen für Neues" in den Raum. Das Buch, das am Donnerstagabend in der PolAk vorgestellt wird, soll die Geschichte der "neuen Volkspartei" darstellen und analysieren.

Kurz im Mittelpunkt

Im Mittelpunkt steht dabei Sebastian Kurz selbst, der vergangenen Mai nach dem Rücktritt von Reinhold Mitterlehner die ÖVP übernommen hat, sie türkis aufpoliert in die Nationalratswahl führte und erfolgreich das Kanzleramt zurückeroberte. Wirklich Neues erfährt der Leser allerdings nicht. Der erste Beitrag von Kurz im Kapitel "Einblicke in Partei und Bewegung" liefert leider keinen Blick hinter die Kulissen, sondern lediglich ins Archiv: Unter "Wie alles begann" ist schlicht die "persönliche Erklärung" von Kurz vom 12. Mai 2017 im Wortlaut abgedruckt, in der er Neuwahlen ausrief und Bedingungen für den Parteivorsitz stellte.

Oberflächliche Analysen

Die Analysen der Wegbegleiter plätschern auch eher an der Oberfläche dahin. In einer Phase der Unzufriedenheit habe Kurz es geschafft, in der Partei wieder Selbstbewusstsein zu wecken, schreibt etwa Rausch. Sein Erfolgsgeheimnis sei es, "dass er zuhört", "oft, gerne und ungeheuer aufmerksam". Auch Philipp Maderthaner, einer der Kampagnen-Verantwortlichen, beschreibt den Politiker als charismatisch, geradlinig, bescheiden und fleißig, jemanden, "der sich aus den Symbolen der Macht nichts macht".

Die Kurz-Vertraute und nunmehrige Ministerin Elisabeth Köstinger erklärt, dass es entscheidend gewesen sei, vor allem die Kommunikation nach innen umzustellen, um die früher üblichen Querschüsse zu verhindern. Auf den Wahlkampf im Feld und die Wirkung des Spitzenkandidaten geht der Sprecher der "Bewegung", Peter L. Eppinger, in seinem Beitrag, der einer Hagiographie gleichkommt, ein: "Viele Menschen sehen Sebastian Kurz als ein Geschenk, eines, das man sich schon lange gewünscht hatte und es kaum erwarten konnte, es endlich zu bekommen. Und plötzlich ist es zum Greifen nahe."

Zu Wort kommen aber nicht nur Fans, Bürgermeister und Nationalratsabgeordnete, sondern auch neue Wegbegleiter wie FPÖ-Regierungskoordinator Norbert Hofer und Beobachter von außen. So erläutert etwa Politik-Berater Thomas Hofer, wie Kurz "in seinem Narrativ zum Erlöser eines betrogenen Volkes" wurde. Der frühere SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina versucht indes, das "erfolgreichste politische Marketingprojekt der letzten Jahre" über das gute Verhältnis von Kurz zum Boulevard zu erklären.

Warnung von Liessmann

Philosoph Konrad Paul Liessmann fällt auf die Frage, was denn das Neue an der Regierung sei, auch als erstes die Marketingstrategie ein. "Wenn man heute etwas verkaufen will, und sei es noch das Älteste, muss man 'Neo' davor schreiben, also 'neu...' - 'neue ÖVP', 'neuer Stil', 'neue Sprache' (...)". Es sei doch widersprüchlich, wenn eigentlich konservative Parteien "nun ganz radikal darauf setzen, dass sie 'neu' sind", findet der Philosoph. Liessmann hat diesbezüglich auch eine Warnung parat: Er denke, dass diese Widersprüchlichkeit "durch die Erscheinung des jungen Kanzlers übertüncht wird. So etwas geht immer eine Zeit lang gut und irgendwann einmal verpufft dieser Effekt."

»"Die neue Volkspartei ist die alte Volkspartei plus professionelle Kommunikation. Das ist eigentlich alles."«

Keine großen inhaltlich-ideologischen oder strukturellen Reformen in der ÖVP kann auch "Addendum"-Chef Michael Fleischhacker - einer von mehreren Journalisten, die ihr Beobachtungen in dem Buch teilen - erkennen. Sein Urteil: "Die neue Volkspartei ist die alte Volkspartei plus professionelle Kommunikation. Das ist eigentlich alles."

Kommentare

Laleidama

Konrad Paul Liessmann sagt es wie es ist..period

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