"Lernen von Sebastian Kurz"

Eine knappes Jahr dauert es noch bis zur EU-Wahl. In den großen Fraktionen laufen die Vorbereitung für die Schlacht um Europa aber bereits auf Hochtouren.

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Wahlkampf-Strategie - "Lernen von Sebastian Kurz"

Die Europäische Volkspartei (EVP) diskutierte diese Woche in München ihre Strategie für den Wahlkampf. "Lernen von Sebastian Kurz" schien das Motto der Veranstaltung, die auch von Angela Merkel und vom Bundeskanzler aus Österreich beehrt wurde.

Kurz' Wahlsieg als "Maßstab" für die EVP

EVP-Fraktionschef Manfred Weber bezeichnete Kurz' Wahlsieg in Österreich als "Maßstab" für die EVP. Bestimmendes Thema im Herbst und im EU-Wahlkampf werde dementsprechend die Migrationsfrage. Nur wenn man auf europäischer Ebene eine Lösung findet und liefert, könnten die Christdemokraten/Konservativen bei der Europawahl reüssieren, so die vorherrschende Meinung in München. Scheitere man hingegen bei den Plänen für einen stärkeren Außengrenzschutz, würden Extremisten und Populisten profitieren.

"Für uns als Wahlkämpfer ist das von großer Bedeutung, weil das Thema viel Verhetzungspotenzial für Extremisten bietet", meinte Weber. Die nächste und letzte EVP-Studientagung vor der EU-Wahl findet denn auch Anfang September in Wien statt.

Der Niederbayer und CSU-Vizechef gilt derzeit als heiße Aktie für die Position des EVP-Spitzenkandidaten bei der EU-Wahl und damit als potenzieller Nachfolger von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Denn nach dem bereits 2014 praktizierten Modell soll der Spitzenkandidat der stärksten Fraktion vom Parlament auch zum Kommissionschef gewählt werden. Neben Weber werden zwar noch andere Namen wie die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) Christine Lagarde, die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, der frühere irische Premier Enda Kenny oder der ehemalige finnische Ministerpräsident Jyrki Katainen gehandelt, der 45-jährige Weber gilt derzeit aber als Favorit.

Jüngere Riege für Generationenwechsel an Kommissionsspitze

Vor allem die jüngere Riege unter den EVP-Regierungschefs aber auch Liberale wie Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron liebäugeln mit einem klaren Generationenwechsel an der Kommissionsspitze. Brexit-Verhandler Michel Barnier dürfte deshalb inzwischen aus dem Rennen sein.

Weber, der seit 2014 an der Spitze der EVP-Fraktion im EU-Parlament steht, nutzte die EVP-Tagung jedenfalls auch, um bei seinen europäischen Parteikollegen informell für sich zu werben. Das Nachrichtenmagazin "Spiegel" schrieb schon vor Wochen von einer Art "Krönungsmesse". Die "Süddeutsche Zeitung" porträtierte Weber noch vor der Studientagung als "Weltbürger der CSU", der zum Sprung an die Spitze der EU-Kommission ansetzt. Weber selbst hielt sich in München bedeckt. "Meine Partei wird die Entscheidung im November fällen, deshalb ist es jetzt viel zu früh, um über Personal zu spekulieren."

Kampf gegen illegale Migration und Schutz der Außengrenzen

Der EVP-Fraktionschef forcierte stattdessen lieber die inhaltliche Debatte und stellte mit Unterstützung von Merkel und Kurz eine handlungsfähigere Europäische Union in den Mittelpunkt der EVP-Strategie: Kampf gegen illegale Migration und Schutz der Außengrenzen, eine Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion, das Ende der Einstimmigkeit in der EU-Außenpolitik, ein neues großes Projekt wie Airbus, höhere Investitionen in die Erforschung neuer Krebsheilmethoden. Weber führte eigens durch einen Proteinforschungs-Campus im nahen Freising. Danach gab es die in Bayern obligate Brotzeit und Weißbier.

»Wir brauchen eine Debatte über einen Neustart der Europäischen Union«

"Wir sind die Brückenbauer in der EU, und wir brauchen eine Debatte über einen Neustart der Europäischen Union", so Webers Resümee. Für den Leiter er ÖVP-Delegation im Europäische Parlament, Othmar Karas, zählte in München vor allem die Betonung der Handlungsfähigkeit der EU. "Die Handlungs- und Lösungsfähigkeit ist auch die Alternative zu den Populisten," so Karas.

In der EVP geht aber auch die Sorge vor "italienischen Verhältnissen" im nächsten EU-Parlament um. Die Christdemokraten/Konservativen und Sozialdemokraten könnten bei der EU-Wahl im Mai so viel verlieren, dass man gemeinsam keine Mehrheit mehr im Parlament hat. Wichtige Vorhaben wie die Vertiefung der Währungsunion, das Migrationspaket, der Finanzrahmen oder die Frage der Zukunft der Union nach dem Austritt Großbritanniens sollten deshalb bis April unter Dach und Fach gebracht werden, meinten EVP-Vertreter in München.

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