Freies Spiel der Kräfte:
Neues Milliardengrab?

Warnung vor "Casino-Stimmung" und "hemmungslosem Geldausgeben" im Parlament

Jede Medaille hat ihre Kehrseite, so auch das freie Spiel der Kräfte im Parlament, bevor die Österreicher am 15. Oktober vorzeitig zur Wahlurne gebeten werden. Nicht alle teilen jedoch die Begeisterung einer "Phase des lebendigen Parlamentarismus", wie es Bundeskanzler Christian Kern fast schon euphorisch angekündigt hat. Allen voran Finanzminister Hans Jörg Schelling sieht dunkle Wolken aufziehen.

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Schelling warnt angesichts des bevorstehenden "freien Spiels der Kräfte" im Parlament vor einem "hemmungslosen Geldausgeben" und "Milliardengeschenken". Er erinnerte an die Parlamentsnacht vom 24. September 2008, eine Woche vor der damaligen Nationalratswahl, die den Steuerzahler heute noch rund 4,3 Milliarden Euro pro Jahr koste.

Im freien Spiel der Kräfte sind damals in einer mehr als 19-stündigen Marathonsitzung bis zum Morgengrauen unter anderem eine Pensionserhöhung mit Einmalzahlung, eine Mehrwertsteuer-Halbierung auf Medikamente, die Verlängerung der Hacklerregelung, die 13. Familienbeihilfe, die Abschaffung der Studiengebühren, eine Pflegegeld-Erhöhung, eine Steuerbefreiung für Monteure und Nächtigungsgelder sowie ein Heizkostenzuschuss für Senioren beschlossen worden.

»Hier wird Geld ausgegeben, das nie da war«

"Hochgerechnet wurden für diese Wahlzuckerln bis heute rund 30 Milliarden Euro ausgegeben", kritisierte Schelling "Hier wird Geld ausgegeben, das nie da war und für das alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler noch lange zahlen werden."

Vernunftappell aus Vorarlberg

Aus Ländersicht warnte auch Landeshauptmann Markus Wallner vor einer Casino-Stimmung im Parlament. Der Voralberger Landeschef ärgerte sich ebenfalls über die die letzte Nationalratssitzung vor der Nationalratswahl im September 2008: "Dort wurden Milliarden aus dem Fenster geworfen"

Bereits den Beschluss, damals "ein freies Spiel der Kräfte" im Parlament zuzulassen, bezeichnete er als "äußerst verantwortungslos". Das Parlament könne nicht die Regierungsarbeit übernehmen. "Das kann zu Beschlüssen führen, die uns am Ende schaden", fasste Wallner zusammen.

Neue Mehrheiten nicht ausgeschlossen

Die potenzielle Kostspieligkeit dürfte den Koalitionsparteien allerdings noch bewusst sein. Auch ÖVP-Chef Sebastian Kurz warnte aber davor, bei einem gegenseitigen Überstimmen "können Zustände entstehen, die wir uns nicht wünschen" und verwies damit auf die Nationalratssitzung vor der Wahl 2008.

Über Mehrheiten werde man dann im Parlament diskutieren, erklärte Kern. "Selbstverständlich ist die ÖVP unser erster Ansprechpartner, und wir werden das Land nicht in ein Chaos stürzen - aber wichtige Reformprojekte werden wir unterstützen." Dass die ÖVP abseits der bereits vereinbarten Regierungsprojekte mit Verweis auf besagte Parlamentsnacht 2008 nichts beschließen möchte, sei ein "vorgeschobenes Argument", findet Kern. Die Gleichstellung der Homosexuellen im Eherecht etwa koste nichts.